Das Investieren in «Value-Aktien» hat sich massiv verändert. Der bekannte Hedgefonds-Manager David Einhorn hält diesen Markt für kaputt, weil es keine Strategien für traditionelle Value-Investoren mehr gibt. Es sei unmöglich geworden, an der Börse ein verborgenes Juwel zum Zehnfachen des Gewinns zu kaufen und es dann zum Fünfzehnfachen wieder  zu verkaufen, erklärte er seinem Branchenkollegen Barry Ritholtz vor einigen Tagen in einem Gespräch.

Legendäre Value-Investoren wie Warren Buffett verbringen viel Zeit damit, Geschäftsberichte mit tausenden Seiten sowie die Bilanzen von Unternehmen zu studieren. Aber anders als Buffett versuchen die meisten Value-Investoren «herauszufinden, was jemand in sechs Monaten, einem Jahr oder in zwei Jahren kaufen wird».

Für den Milliardär Einhorn gibt es verschiedene Gründe, weshalb das traditionelle Value-Investing oder sogenannte Wert-Investieren nicht mehr funktioniert. Ein Grund ist der Anstieg des «passiven Investierens». Bei dieser Strategie wird in einen Fonds oder ETF, der einen Index wie zum Beispiel den Schweizer Aktienindex (SMI) oder den amerikanischen S&P 500 Index abbildet. 

Das reduziert die Menge an «Alpha». Diese Kennziffer veranschaulicht dabei die bessere oder schlechtere Wertentwicklung einer Aktie oder eines Fonds gegenüber der Entwicklung des Benchmarks - im Falle einer Aktie die Abweichung zum Sektorindex und beim Fonds die Abweichung vom zugrundeliegenden Börsenindex. Das bedeutet: Je mehr passiv Investiert wird, desto weniger Spielraum haben aktive Investoren, eine Outperformance zu erzielen.

Das passive Investieren bringt aber noch einen weiteren Faktor mit, welcher Value-Investoren einen Strich durch die Rechnung macht. Es führt gemäss Einhorn dazu, dass Aktien immer stärker von ihrem tatsächlichen Wert abweichen - sprich billige Aktien werden immer billiger und teure Aktien immer teurer. 

Exemplarisch zeigt sich das an der Kursentwicklung von Intel und Nvidia. Die Intel-Valoren - der langsam wachsende US-Chiphersteller mit Value-Eigenschaften - verloren in den letzten fünf Jahren 59 Prozent an Wert. Auf der anderen Seite hat der KI-Chiphersteller Nvidia - die Wachstumsaktie par excellence - in der gleichen Zeit mehr als 1’100 Prozent zugelegt. 

Das Umsatz- und Gewinnwachstum ist deutlich wichtiger geworden. «Am Anfang in den 90er-Jahren bedeutete Value-investieren, etwas für weniger zu kaufen, als es wert ist. Heute ist Wachstum unserer Ansicht nach eine Komponente von Value oder Wert. Wenn also etwas schnell wächst, wird es wertvoller», meint Einhorn.

Anpassen an die neuen Gegebenheiten

Der Value-Investor Einhorn hat deshalb schon vor einigen Jahren begonnen, seine Investmentstrategie anzupassen. Dies besteht nun darin, nach Unternehmen zu suchen, die in Wirklichkeit missverstanden werden. Als Beispiel nannte er Apple nach dem Start mit dem iPhone. Manche Investoren sahen damals in der Firma nur ein Hardware-Unternehmen und übersahen, dass das Unternehmen auch als Software- und Dienstleistungsunternehmen Potenzial hatte. 

«Value Trading» ist das, was er früher gemacht hat - «sich darauf zu verlassen, dass andere Investoren die Aktien von uns zu einem höheren Preis kaufen«». Jetzt mache er Value-Investing mit dem Ansatz: «Wir müssen vom Unternehmen bezahlt werden». 

Zwei Kriterien sind besonders wichtig. Einhorn kauft sich bei Unternehmen ein, die Aktienrückkäufe tätigen. Der erwirtschaftete freie Cashflow sollte zudem idealerweise zwischen fünfzehn und zwanzig Prozent liegen. «Wenn dieses Geld an uns zurückfliesst, stehen wir ziemlich gut da.»

Einhorns Strategieanpassungen haben sich bisher ausgezahlt. Seine Greenlight Capital erzielte gemäss Bloomberg-Daten nach Abzug aller Gebühren 2022 eine Rendite von 36,6 Prozent und 2023 von 22,1 Prozent. Seit der Lancierung 1996 beträgt die annualisierte Rendite 13 Prozent pro Jahr. 

Thomas Daniel Marti
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