Die Ausgaben steigen, die Freizeit ist wichtiger und «Anlegen ist nur was für Reiche». Eine Studie der PostFinance zeigt: Je grösser das Vermögen und je besser das Haushaltseinkommen, desto eher ist eine Person im Besitz von Wertschriften. Denn oftmals ist ein geringes Vermögen oder Einkommen eine Hürde, sich am Kapitalmarkt zu beteiligen. 

Weiter glauben Frauen in der Schweiz, dass sie ein verfügbares Einkommen von mindestens 5'200 Franken pro Monat benötigen, um anlegen zu können. Dies berichtete die «NZZ» vor einiger Zeit.

Ein derartiges Einkommen oder Vermögen muss aber nicht zwingend vorhanden sein. Eine Faustregel besagt, dass bereits 5 bis 10 Prozent des Gesamtvermögens eine gute Investitionssumme ist, um eine ausreichende Diversifikation zu erreichen und das Risiko zu minimieren.

Auch kleine Beträge können viel bewirken

Schenkt man den Aussagen von Finanzexperten Glauben, muss man für den Kapitalmarkt nicht wohlhabend sein. Denn bereits mit kleinen Beträgen sind sinnvolle Investitionen möglich. Philipp Merkt, Anlagechef von PostFinance, betont: «Wichtiger als die Höhe der Investition ist der Zeitpunkt: je früher, desto besser. Denn wer frühzeitig startet, gibt seinem Vermögen mehr Zeit zu wachsen. So lässt sich auch mit kleinen Beträgen langfristig etwas aufbauen.»

Die Basler Kantonalbank veranschaulicht das an einem einfachen Beispiel: Hätte Marco über einen Zeitraum von 10 Jahren 5'000 Franken auf einem Sparkonto deponiert, resultieren nur 5'043 Franken. Bei einer Investition in Aktien, gemessen am SPI zwischen 2013 und 2023, wären es 9'439 Franken. Marco hätte also nur rund 500 Franken im Jahr anlegen müssen - oder etwa 40 Franken pro Monat.

Merkt meint: «Wenn ich heute 25 Jahre alt wäre und Vermögen aufbauen wollte, würde ich mit einem ETF-Sparplan beginnen.» Diese seien bereits ab 20 Franken möglich und bieten den Vorteil, dass regelmässig investiert wird – beispielsweise monatlich oder vierteljährlich. So könne man die Anlage gut an die eigene finanzielle Situation anpassen. Ausserdem: «Er ist flexibel, kann jederzeit pausiert oder angepasst werden und es gibt keine festen Verpflichtungen oder Laufzeiten.» Wer möchte, könne auch einzelne Anteile wieder verkaufen, was finanziellen Spielraum schaffe – auch bei Unsicherheiten. 

Entbehrbare finanzielle Mittel

Nebst Aktien und anderen Anlageklassen gibt es aber auch noch die Altersvorsorge. PostFinance-Experte Merkt empfiehlt, die gebundene Vorsorge (Säule 3a) zu nutzen. «Wer dort regelmässig in einen Vorsorgefonds mit passendem Risikoprofil einzahlt und – wenn möglich – den Maximalbetrag ausschöpft, profitiert von Steuervergünstigungen und einem langfristigen Anlagehorizont.»

Auf dieses finanzielle Standbein wird in der Schweiz oftmals mehr gepocht als auf Wertpapiere. Der entscheidende Unterschied hier ist, dass dieses Geld nur noch unter bestimmten Umständen bezogen werden kann. So kann eine Einzahlung in die Säule 3a frühestens fünf Jahre vor Erreichen des AHV-Alters bezogen werden, oder sollte die Person auswandern, ein Eigenheim kaufen, oder sich selbständig machen. Gerade für Personen mit limitierten finanziellen Mitteln ist das problematisch. 

Der Tenor der Experten lautet «Legen Sie stets nur so viel Geld an, wie Sie für die nächsten Jahre entbehren können, ohne in finanzielle Schwierigkeiten zu geraten.» Aber woher weiss man, wie viel man entbehren kann? 

Merkt empfiehlt: «Eine gängige Faustregel lautet ein bis zwei Monatslöhne auf dem Privatkonto für laufende Ausgaben, zusätzlich zwei bis vier Monatslöhne als Notreserve auf einem Sparkonto.» Also optimal sechs Monatslöhne, Minimum drei. Dieser Betrag sollte also immer auf dem Sparbuch vorhanden sein, um auf unerwartete Ausgaben wie eine Autoreparatur, temporäre Erwerbslosigkeit oder Steuern reagieren zu können. Zusätzlich sollten geplante grössere Ausgaben, die bereits feststehen, berücksichtigt werden. 

An einem Beispiel veranschaulicht sähe das so aus:

Rechnungsbeispiel

Marco hat 40'000 Franken an Ersparnissen und pro Monat ein Einkommen von 6'000 Franken. 

Seine monatlichen Ausgaben belaufen sich auf 4'000 Franken, er hat also 2'000 Franken übrig, die er sparen oder anlegen kann. 

Laut der 6-Monats-Regel sollte er 36'000 Franken (also sechs Monatslöhne) als Reserve auf dem Sparkonto haben und kann wiederum 4'000 Franken von seinem Vermögen am Kapitalmarkt anlegen. Wenn er weniger Erspartes hätte, wäre es ratsam zuerst auf den benötigten Betrag zu sparen, bevor Investitionen getätigt werden. 

In Marcos Beispiel wäre der Investitionsbetrag laut 5/10-Faustregel also zwischen 2'000 bis 4'000 Franken. Je nach geplanten Ausgaben, wie ein Auto oder eine grössere Reise, kann und sollte dieser Betrag tiefer ausfallen.

Ausserdem sind zwei weitere Faktoren nicht zu vergessen. Einerseits spielen die finanziellen Ziele bei der Investitionsquote durchaus eine Rolle: Investiere ich für den Ruhestand oder möchte ich kurzfristig eine Rendite erzielen? Andererseits ist die persönliche Risikobereitschaft ebenso entscheidend. Gerade bei Unsicherheiten im Job, der Konjunktur oder Lebenssituation empfiehlt es sich vielleicht eher an den fünf Prozent zu orientieren. 

Schliesslich ist es eine Frage der verfügbaren Mittel. Marcos Einkommen und seine Ersparnisse liegen eher über den durchschnittlichen Zahlen in der Schweiz. Aber: auch bei einem kleineren Einkommen bleiben bei einem angepassten Lebensstil und der Vermeidung von unnötigen «Geldfressern» durchaus ein paar Franken übrig.

Gerade bei kleinen Beträgen sind die Kosten entscheidend. Hohe Transaktionsgebühren können einen überproportional grossen Anteil der Rendite aufzehren – vor allem bei Einzelaktien. Aber auch zu lange auf den «richtigen» Einstiegszeitpunkt zu warten ist laut Merkt nicht sinnvoll. Statt zu versuchen, den Markt zu timen, ist es sinnvoller, regelmässig zu investieren. So glättet man Kursschwankungen über die Zeit und reduziert das Risiko, in einem ungünstigen Moment einzusteigen.

So oder so: Nicht erst investieren, wenn das Konto prall gefüllt ist. Bereits mit kleinen Beträgen und geringem Einkommen lässt sich Schritt für Schritt Vermögen aufbauen – besonders über längere Zeiträume.

Aisha Gutknecht arbeitet seit Juli 2024 als Redaktorin für cash.ch.
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