cash.ch: Stephan Sola, Sie sind Anlageberater beim 'Plutos Schweiz Fund', der sich auf Schweizer Small- und Midcaps fokussiert. Was sind die Anlagegrundsätze des Fonds?
Stephan Sola: Der Plutos-Schweiz Fund investiert nur in Schweizer Aktien, mit einem Fokus auf Small- und Midcaps. Die Portfolio-Unternehmen sollen sich durch gutes Wachstum, hohe Margen, Wettbewerbshürden, Preissetzungsmacht durch hohe Marktanteile, Innovation und ein starkes, kommunikatives Management auszeichnen. Unser Fonds soll zudem ein Aktien-Korb sein, in dem auch opportunistischere, daher Risiko behaftetere und auf die mittlere Frist ausgelegte Equity-Stories ihren Platz haben können. Wo viele Parameter noch nicht stimmen, wo wir aber Potenzial erkennen. Der Plutos-Schweiz ist kein Witwen- und Waisen-Fonds...
…Witwen- und Waisen-Fonds?
So nenne ich Fonds, die keine Risiken eingehen und daher keine grosse Rendite-Chance haben - ähnlich wie eine Bundesobligation halt.
Wie unterscheiden Sie sich grundsätzlich von anderen Fonds?
Wir wollen keinen Index-ETF kreieren. Bei vielen Schweizer Aktienfonds entsprechen die Top-Ten-Positionen derjenigen der Indizes SPI, SPI Ex oder SPI Small/Mid. Sie sind also extrem indexnah und versuchen, mit ein bis zwei Wetten die Outperformance zu erreichen. Das ist zwar bequem, doch ob man das dann als aktives Management bezeichnen und das Zehnfache einer durchschnittlichen ETF-Gebühr verlangen kann, ist zumindest diskussionswürdig.
Was zeichnet einen guten Fondsmanager aus? Was sollte man als Fondsmanager nicht machen?
Ein guter Fondsmanager hat analytische Fähigkeiten und ein fundiertes Finanzmarktwissen, man muss auch einen guten Austausch mit den Unternehmen pflegen. Und die gewonnenen Erkenntnisse dann in ein 'Was wäre wenn'-Szenario ummünzen können. Wir haben zu den meisten CEO, Finanzchefs und Investor-Relations-Verantwortlichen unserer Investments einen direkten, persönlichen Draht. Als Fondsmanager sollte man sich für eine Strategie entscheiden und diese konsequent verfolgen - und Geduld beweisen, wenn die Resultate nicht immer perfekt sind.
Welches ist für Sie die wichtigste Investorenkennzahl bei der Auswahl von Aktien?
Klar gibt es Zahlen wie Eigenkapital-Rendite, Unternehmenswert im Vergleich zum operativen Gewinn, das Kurs-Gewinn-Verhältnis oder die Dividendenrendite. Natürlich schaue ich mir diese Faktoren an. Doch sind drei Punkte für mich für ein Investment entscheidend: Bilanz, Produkt, Management. Nie werden wir in ein Unternehmen investieren, bei dem wir nicht zu 100 Prozent vom Management überzeugt sind oder bei unseren Gesprächen Fragen nicht klar beantwortet werden.
Können Sie diesbezüglich ein Beispiel nennen, wo Sie investiert sind?
Ams Osram. Die Produkte sind innovativ, daher ist der Marktanteil stark. Das neue Management hat mein volles Vertrauen, doch die Bilanz ist noch schwach. Es fehlt also nur ein Bestandteil für eine enorm erfolgreiche Equity-Story. Das Upside der Aktien ist gigantisch.
Gigantisch war aber auch der bisherige Kursverlust. Mit dem Sensorenhersteller haben Aktionäre vor allem nach der Übernahme von Osram enorm viel Geld verloren, die Aktie dümpelt nach einem Höchststand von über 800 Franken zwischen 6 und 7 Franken herum. Woher kommt Ihr Optimismus?
Wir mussten bereits Anfang des letzten Jahres mit der Hiobsbotschaft von Ams Osram umgehen, dass das MicroLED-Projekt von Apple storniert wurde. Das war vielleicht die letzte Blase des alten Managements. Alte Kosten blieben zwar bestehen, und bis heute warten wir auf eine Lösung. Aber ich bin weiterhin vom zukünftigen Erfolg überzeugt. Alles Negative, und dazu gehört eben auch das bereits sehr angeschlagene Vertrauen in das Unternehmen, ist mittlerweile im Aktienkurs eingerechnet. Ich erwarte einen Kursanstieg, vielleicht schon 2025, vielleicht sogar schon nach den Viertquartalsergebnissen am 11. Februar. Hier erwarte ich eine deutlich verbesserte Profitabilität. Und es braucht Quartal für Quartal eine solide, klare Kommunikation. Ams Osram ist für mich eine überfällige Turnaround-Geschichte.
In diesem Zusammenhang wird am Markt seit Monaten auch vom Aufschwung in der Halbleiterbranche gesprochen, eingetreten ist er nicht. Wann kommt die Wende?
Ich gehe davon aus, dass sich dies spätestens im zweiten Halbjahr 2025 manifestieren wird. Ich hatte gerade kürzlich einen Austausch mit dem CEO von Comet. Er ist absolut davon überzeugt, dass der Aufschwung in diesem Jahr mit Macht zurückkommt. Es gab schon im zweiten Halbjahr 2024 einen gewissen Aufschwung. Der Markt hat sich aber weitgehend auf das Thema KI konzentriert. Daher hat auch das Volumengeschäft im Konsumbereich noch nicht angezogen. Das wird dieses Jahr passieren, da würde ich mich darauf festlegen.
Der Jahresstart für die Schweizer Börse fiel sehr gut aus. Da kann man ja gar nichts falsch machen als Fondsmanager?
Da müssen wir uns zuerst an das schlechte vierte Börsenquartal 2024 erinnern. Es brauchte sicher für viele Investoren viel Geduld und Nerven, bei der hohen Volatilität standhaft zu bleiben. Blieb man wie wir investiert, war der Jahresstart sehr positiv. Wir konnten zum Beispiel über 8 Prozent zulegen. Doch nun braucht es Anschlusskäufe. Die Jahreszahlen 2024 werden hier massgebend sein. Die Talsohle scheint erreicht, die Bewertungen sind tief. Ich gehe davon aus, dass die Investoren schon bald deutlich mutiger werden.
Was macht Sie so optimistisch?
Wir erleben gerade den Beginn der lang ersehnten Neu-Bewertung der Small- und Midcaps und das Ende der Underperformance dieser Asset-Klasse. Trotz zum Teil schwacher Jahresergebnisse 2024 werden günstige Qualitätswerte nun gekauft. Viele starke, innovative und gut geführte Schweizer Unternehmen, die nicht selten zudem Markt-, Kosten- und Qualitätsführer sind, werden zu günstig bewertet. Während der SMI und der SPI auf 52-Wochen- Höchstständen notieren, sind viele Schweizer Top-Werte meilenweit davon entfernt. Lem hat zum Beispiel eine Differenz von rund 60 Prozent zum 52-Wochen-Höchststand, VAT 35 Prozent, Adecco 43 Prozent, Ams Osram 72 Prozent und so weiter. Viele Aktien haben eine eigentliche Krisen-Bewertung.
Der 'Plutos Schweiz Fund' liegt mit der Performance seit der Lancierung im Oktober 2022 aber deutlich unter dem Vergleichsindex SPI. Warum?
Der Plutos-Schweiz ist gerade mal etwas mehr als zwei Jahre alt und hat übrigens keine Benchmark. Wenn, dann macht nur ein Vergleich mit dem 'SPI Small/Mid Cap-Index' Sinn. Nach der Lancierung im Oktober 2022 konnten wir bis Juni 2023, also innerhalb einiger Monate, bereits 25 Prozent Performance aufzeigen. Zu diesem Zeitpunkt hätten wir unsere Strategie auf ‘defensiv’ umstellen können. Doch wie bereits erwähnt, sollte ein Fondsmanager seiner Strategie treu bleiben. Viel wichtiger wird unser Performance-Vergleich nach drei, fünf oder zehn Jahren sein. Ich will es nicht schönreden: 2024 war für den Plutos Schweiz Fund kein gutes Jahr. Doch es war für alle europäischen Small/Mid Cap-Werte kein positives Jahr.
Was waren die Gründe für das schlechte Abschneiden 2024?
Unsere Annahmen bezüglich des Wirtschaftszyklus waren schlicht falsch, haben wir doch viel früher mit Zinssenkungen der Fed und der EZB gerechnet, die unweigerlich zu einem besseren Umfeld und einem Small/Mid Cap-Rebound geführt hätten. Auch der von mir oft bemühte Rebound der globalen und insbesondere der europäischen Einkaufsmanagerindizes fand 2024 nicht statt. Trotz der vorausschauenden SNB-Zinssenkungen wurde auch der Schweizer Franken gegenüber dem Euro nicht schwächer, wie ich das gehofft hatte. Wir sind jedoch für einen Aufschwung positioniert, zum Teil auch mit Unternehmen, die sich 2024 mit erheblichen Problemen konfrontiert sahen: GAM, Ams Osram, Pierer Mobility, Medmix, DocMorris sind in verschiedenen Massen gefordert, um zurück zum Erfolg zu finden. Es sind Aktien mit gewaltigem Potenzial, sonst wären sie auch nicht in unserem Fonds. Ich bin mehr denn je davon überzeugt, dass ein Investor, der heute in einen Korb von Schweizer Small/Mid Caps investiert, einen sehr günstigen Zeitpunkt dafür erwischt.
Gerade Aktien wie GAM oder DocMorris haben eine katastrophale Kursentwicklung über die letzten Jahre. Die Online-Apotheke DocMorris machte über Jahre falsche Einschätzungen beim Wachstum. Einige Beobachter bezeichnen das Unternehmen als Luftschloss.
Das ist aus meiner Sicht absolut falsch. Das elektronische Rezept in Deutschland ist erst vor etwa einem Jahr gestartet im Hauptmarkt Deutschland. Daher kann man noch nicht viel über den Erfolg von DocMorris oder dem deutschen Konkurrenten Redcare sagen. Im Gegensatz zu anderen Online-Märkten gibt es bei den Versandapotheken und dem grossen Markt des E-Rezepts in Deutschland nur zwei Konkurrenten. Das ist für mich ein Treiber, der DocMorris dahin führen wird, dass man entweder selbstständig einen gewissen Marktanteil an diesem Kuchen haben wird oder übernommen wird von einem Player, der sagt, ich will in diesem europäischen Online-Pharmacy-Markt dabei sein.
Der Turbolader-Spezialist Accelleron war zeitweise die grösste Position in Ihrem Fonds. Nach der erfolgreichen Abspaltung von ABB ist der Kurs nun rückläufig. Warum?
Accelleron wird immer im Plutos Schweiz Fund vertreten sein wegen der starken Marktposition, den hohen Margen und dem guten Management. Das Geschäftsmodell ist sehr schwierig zu kopieren. Die Underperformance seit November hat wohl zwei Gründe: Erstens wurde Accelleron ein Opfer des eigenen Erfolges, die Performance wurde von vielen Investoren nach einem durchzogenen Börsenjahr ‘eingelockt’. Investoren kaufen nicht gleich nach dem Jahreswechsel wieder dieselben Werte, die sie vor kurzem verkauft hatten. Zweitens kann man Accelleron eher als defensiven Wert ansehen, denn der Service-Anteil, also wiederkehrendes Geschäft, ist bei der Firma mit 75 Prozent enorm hoch. Trotzdem ist die Firma auch 2024 auf Umsatzebene weit über den IPO-Erwartungen gewachsen. Die Dividendenpolitik ist glasklar. Accelleron spielt in ihrer Branche bei der Dekarbonisierung in den nächsten Jahren und Jahrzehnten eine grosse Rolle. Die Schifffahrt macht ungefähr 3 Prozent der globalen CO2-Emissionen aus und soll bis 2050 klimaneutral werden. Das wird ohne die Accelleron-Turbolader unmöglich sein.
Die Aktie des Dentalimplantateherstellers Straumann, ebenfalls eine grosse Position im Fonds, erlebt ein ständiges Auf und Ab und steht auf dem gleichen Niveau wie Mitte April 2022.
Die Straumann-Aktie hat 2024 über 15 Prozent an Wert eingebüsst. Dies, obwohl die hochgesteckten Analystenerwartungen immer erfüllt wurden. Doch Straumann hat den Malus, dass das Wachstum in China und nicht in den USA verzeichnet wurde. Das diente dazu, das Wachstum als ‘Low Quality’ darzustellen. Doch wenn es ein Unternehmen gibt, das als Marktführer konstant Wert generiert und so als Compounder (Unternehmen, die über einen langen Zeitraum den Wert für Aktionäre stetig vermehren, Anm. der Red.) gelten darf, so ist das Straumann. Auch bei diesem Wert werden wir langfristig investiert bleiben.
Bei Lonza und Sandoz haben Sie Ende letzten Jahres Gewinne mitgenommen. Erfolgte dies nicht zu früh?
Nein, wir haben die grossen Bewegungen bei beiden Werten mitgenommen. Bei Lonza ab November 2023 bei unter 400 Franken bis November 2024 bei rund 560 Franken. Bei Sandoz fast im gleichen Zeitraum zwischen 23 Franken und 41 Franken. Nur Lügner kaufen auf dem Low und verkaufen auf dem Top. Natürlich bleiben beide Werte auf unserer Watch-List. Sollte sich die Möglichkeit ergeben, werden wir beide auch wieder für einen Erwerb evaluieren.
Der Franken wertet sich seit fast 20 Jahren auf. Vor allem aus dem Small- und Midcap-Bereich gibt es immer Klagen deswegen. Hätten sich die Firmen nicht schon länger darauf einstellen müssen?
Das ist ein Thema, das ich immer von unseren deutschen Investoren zu hören bekomme. Ja, es ist ein Hindernis oder eher ein unbefriedigender Zustand für die Unternehmen. Doch es ist einer, den die qualitativ starken Schweizer Unternehmen schon sehr lange gewohnt sind. Innovative, kosteneffiziente Unternehmen müssen das wegstecken können. Viele gehen gar so weit zu behaupten, dass gerade die Euro-Fitnesskur die Schweizer Firmen zu dem gemacht hat, was sie heute sind. Denn sie müssen immer noch etwas schneller rennen als die Konkurrenz, die mit einer schwachen Währung unterwegs ist. Ich glaube, dass der Euro noch weiter an Wert verlieren wird. Trotzdem mache ich mir um die Schweizer Exporteure keine Sorgen.
Die Schweizerische Nationalbank (SNB) droht wieder mit Negativzinsen, gerade wegen der Franken-Aufwertung. Werden Negativzinsen wieder Realität?
Ich denke, dass es mit dem Wechsel im SNB-Präsidium auch einen Fokus-Wechsel gegeben hat. Während Thomas Jordan den Euro-Franken-Kurs eher in den Mittelpunkt gestellt hatte, scheint Martin Schlegel eher die Inflation als Mass der Dinge zu nehmen. Diese dürfte weiter auf 0.5 Prozent zurückgehen, ohne die Mieten wäre sie gar bei 0 Prozent. Die importierte Inflation ist gar negativ. Im zweiten Halbjahr sind Negativzinsen möglich, vorher kaum. Gibt es in Europa beziehungsweise in Deutschland den erhofften Wirtschaftsaufschwung, wird es aber kaum dazu kommen.
Was ist Ihr genereller Ausblick auf das Aktienjahr 2025?
Für Europa, insbesondere für die Schweiz, gehe ich von einem guten Börsenjahr aus. Ich hätte 2025 sicher kein Übergewicht bei den ‘Magnificent Seven’, also den grossen amerikanischen Tech-Werten. Der Weg für weitere Zinssenkungen der Fed und damit auch der EZB scheint offen, auch wenn die Job-Reports, die Inflations- und PMI-Zahlen immer zu erhöhter Spannung führen. Die Deepseek-Korrektur hat meines Erachtens dazu geführt, dass Investoren ihr Portefeuille mit europäischen Aktien diversifizieren. Anders kann ich mir den starken Januar für SMI, SPI, DAX, EuroStoxx und CAC 40 nicht erklären. Hier sind Kapitalströme unterwegs, die einen Zyklus-Aufschwung in Europa antizipieren. Vielleicht braucht es Ereignisse wie diesen Schock, um Investoren zu einer ausgewogeneren, globalen Asset-Allokation zu bewegen.
Wie ist der Einfluss von Trump auf die Schweizer Unternehmen und Börse?
Die Trump’sche Tarif-Keule wird die Schweizer Unternehmen nicht aus der Bahn werfen, denn sie konnten in den letzten 25 Jahren bereits einen 60-prozentigen Euro-Rückgang verkraften. Sie sind mehrheitlich gut positioniert, und in meinen letzten Gesprächen zeigten sich die meisten nicht besorgt diesbezüglich. Der Optimismus an den europäischen Märkten kommt nicht von ungefähr: In Europa sollte das Investorenvertrauen beflügelt werden, unterstützt durch tiefere Zinsen, leicht bessere Wachstumssignale aus China, eine veränderte Haltung zur Regulierung und insbesondere günstige Bewertungsunterschiede zu US-Aktien. Auch ein Ende des Ukraine-Krieges würde internationale Anleger wieder vermehrt zurück an die europäischen Märkte bringen. Sinkende Energiepreise, insbesondere Öl, und ein weiterhin schwächerer Euro vermindern den finanziellen Druck in Europa. Ein weiterer, ganz wichtiger Trigger ist der anstehende politische Wandel in Deutschland. Ich hoffe, dass es in Deutschland endlich um Inhalte geht und dass man sich der Dringlichkeit für eine wirtschaftliche Wende bewusst ist. Weitere vier Jahre mit einer Regierung, die schlicht unfähig ist, wäre für unseren grössten Handelspartner fatal.
Stephan Sola hat 2022 die Sola Capital gegründet und im Oktober 2022 mit der Frankfurter Plutos Vermögensverwaltung den 'Plutos-Schweiz Fund' lanciert. Sola beschäftigt sich seit 1985 mit Schweizer Aktien. Er war unteren anderen bei Rüd, Blass & Cie, BZ Bank, Zürcher Kantonalbank und Neue Zürcher Bank beschäftigt.