Im Vereinigten Königreich plant die Labour-Regierung unter Premierminister Keir Starmer, die steuerliche Bevorzugung reicher ausländischer Gebietsansässiger - sogenannter Nicht-Domizilierter - abzuschaffen. Dies soll auch für Vermögensanteile gelten, die sie in ausländischen Fonds halten. Auch ein Vorstoss von Finanzministerin Rachel Reeves, die Steuern auf Kapitalerträge oder Erbschaften zu erhöhen, wird weithin als Möglichkeit in Betracht gezogen. 

Auf der anderen Seite des Ärmelkanals droht die politische Opposition gegen Präsident Emmanuel Macron, die jahrelange wirtschaftsfreundliche Besteuerung zu kippen. Die Wahl in Frankreich führte zu einem Patt im Parlament und bisher zu keiner Regierung. Im Wahlkampf versprach das Linksbündnis jedoch, Milliardäre stärker zu besteuern, und gewann daraufhin die meisten Sitze. Haushaltszwänge könnten jede neue Koalition dazu bringen, die Abgaben zu erhöhen, möglicherweise für Reiche oder auf Erbschaften. 

"Es geht nichts über eine Wahl, um die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken", sagt David Lesperance, ein in Polen ansässiger Steuer- und Migrationsberater für wohlhabende Menschen. Sollten die Wohlhabenden der beiden Staaten tatsächlich umsiedeln wollen, hängt die Wahl des Zielorts stark von finanziellen und persönlichen Erwägungen ab, darunter Schulen, Sicherheit, Wetter und Lebensstil. Die Vereinigten Arabischen Emirate werden in diesem Jahr voraussichtlich die meisten Millionäre aus aller Welt anziehen, gefolgt von den USA und Singapur. Dies geht aus einem Bericht von Henley & Partners hervor, die bei der Ansiedlung und dem Erwerb von Pässen in Ländern im Gegenzug für Investitionen beraten. 

Im zweiten Quartal habe es eine Rekordzahl von Anfragen französischer Staatsbürger gegeben, die einen anderen Wohnort suchten, so Henley. Auch die Anfragen britischer Kunden nach Investitionsmigrationsprogrammen erreichten ein noch nie dagewesenes Niveau. Die Anfragen hätten sich im Vergleich zu den vorangegangenen drei Monaten vervierfacht.

Laut dem Global Wealth Report 2024 der UBS haben das Vereinigte Königreich und Frankreich nach den USA und China die meisten Dollar-Millionäre - jeweils etwa 3 Millionen. Das Potential für Migration ist damit erheblich. Ihre milliardenschweren Bürger stellen 27 der 500 reichsten Personen im Bloomberg Billionaires Index, darunter Bernard Arnault, Gründer des Luxusimperiums LVMH, und der Staubsaugermagnat James Dyson. 

Nahe der Heimat 

Für Einwohner Grossbritanniens und Frankreichs, die ein günstigeres Steuerumfeld in der Nähe ihres Wohnortes suchen, gilt Mailand nach Angaben von Vermögensberatern als Mekka. Steueranwälte erhalten immer mehr Anfragen von wohlhabenden Londonern, die dorthin ziehen. 

Eine Regelung von 2017 macht die Destination attraktiv: Ausländisches Einkommen, Schenkungen und Erbschaften sind 15 Jahre lang von der italienischen Steuer befreit. Im Gegenzug wird eine Pauschalzahlung von 100'000 Euro pro Jahr geleistet. Familienmitglieder können gegen eine Gebühr von 25'000 Euro hinzugefügt werden. Alle Einkünfte, Gewinne, Schenkungen und Erbschaften aus Italien unterliegen jedoch der Besteuerung.

Jenseits der Alpen ist die Schweiz seit langem Anziehungspunkt für Reiche aus aller Welt. Das liegt an der Tradition des Bankgeheimnisses und der Diskretion, aber auch an der stabilen Politik und den niedrigen Steuersätzen. Zuletzt kamen reiche Norweger, die den hohen Vermögens- und Dividendensteuern ihres Heimatlandes entgehen wollten. Die Steuersätze variieren je nach Kanton und sind laut KPMG in der Regel in deutschsprachigen Gebieten wie Schwyz und Zug am niedrigsten, verglichen mit der kosmopolitischen Stadt Genf. Einige Kantone haben Pauschaloptionen, die wohlhabende Ausländer, die nicht in der Schweiz arbeiten, begünstigen.

Belgien ist aufgrund günstigerer Steuervorschriften sowie geografischer und kultureller Nähe ein Magnet für reiche Franzosen. Vor etwas mehr als zehn Jahren beantragte Arnault, die drittreichste Person der Welt, die belgische Staatsbürgerschaft. Er zog sie dann aber zurück. Eine Entscheidung, die nach eigener Angabe mit der Erbfolge zusammenhing. 

Das Fürstentum Monaco, in dem es keine Einkommens- oder Kapitalertragssteuern gibt, beherbergt bereits die höchste Konzentration von Millionären und Milliardären in der Welt. Für reiche Briten wie Jim Ratcliffe, den Gründer des Chemiegiganten Ineos, der 2018 dorthin umzog, ist der Ort eine Option. Weniger jedoch für Franzosen. Seit einem Steuerkrieg im Jahr 1962 ist jeder französische Bürger, der dorthin zieht, immer noch an das französische Steuersystem gebunden. 

Die Begeisterung für Monaco könnte dadurch gedämpft werden, dass das Land kürzlich auf eine internationale “graue Liste” gesetzt wurde, weil es nicht genug gegen illegale Geldströme unternimmt. Diese Einstufung, die die Vereinigten Arabischen Emirate gerade abgeschüttelt haben, könnte den Kapitalzufluss behindern. Die horrenden Immobilienpreise könnten darüber hinaus abschreckend wirken. Monaco ist kleiner als der Central Park in New York und gilt laut Knight Frank als der teuerste Immobilienmarkt der Welt. Neue Wohnungen wurden vergangenes Jahr durchschnittlich für 37 Millionen Euro verkauft, wie Daten aus Monaco zeigen. 

Weiter weg 

Für diejenigen, die bereit sind, weiter weg zu gehen, um von den Anreizen für Reiche zu profitieren, könnten die folgenden Ziele Optionen sein: 

Abu Dhabi und Dubai in den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE), die keine Steuern auf Gehälter oder Dividenden erheben, haben beide hochentwickelte Finanzmärkte geschaffen, um globale Firmen und Family Offices anzulocken. Der reichste Mann der Kryptobranche, Changpeng „CZ“ Zhao, die indische Adani-Familie und der Hedgefonds-Milliardär Ray Dalio gehören zu den vermögenden Privatpersonen, die in Abu Dhabi Zweckgesellschaften gegründet haben. Der Kapitalverkehr bedeutet jedoch nicht, dass sie in den VAE leben, sagen Vermögensberater. Extreme Sommerhitze, Sprachbarrieren und Internetbeschränkungen, sowie das allgemeine politische Umfeld schrecken von einer dauerhaften Niederlassung ab. 

Singapurs Steuerbefreiungen und andere Anreize haben in den letzten Jahren Hunderte von Family Offices sowie wohlhabende Asiaten, Europäer und Amerikaner angezogen. Das Land ist damit zu einem der wichtigsten Zentren für Vermögensverwaltung geworden. Wie in den VAE könnte der prognostizierte Zustrom von Millionären auf die Ankunft von Bankern und Anwälten zurückzuführen sein, die in der Finanzdienstleistungsbranche arbeiten. Eine mögliche Kehrseite ist eine Reihe von Skandalen, die zu einer genaueren Prüfung ausländischer Kapitalzuflüsse geführt haben. 

Vertrautes Terrain

Für diejenigen, die eine vertraute Kultur und Sprache bevorzugen, gibt es auch beliebte Reiseziele in Nordamerika und im Commonwealth: "Die europäische Einwanderung nach Miami hat zugenommen“, sagt Samy Dwek, Geschäftsführer von Family Office Doctor. Er zog vor etwa einem Jahrzehnt aus der Schweiz nach Florida und sagt, die USA locken reiche Neuankömmlinge aus Frankreich und Grossbritannien an. Besonders gefragt sind Orte wie Florida und New York, wo gute Bildung und ein hoher Lebensstandard zu den Anreizen zählen. Er verwies auf Geschäftsinvestitionsvisa als gute Möglichkeit für Ausländer, um Fuss zu fassen. 

Obwohl Australien und Kanada als Hochsteuerländer gelten, sind sie nach wie vor attraktiv, da sie keine Erbschafts-, Vermögens- oder Schenkungssteuer erheben. Die Möglichkeit, durch Investitionen einen Wohnsitz und die Staatsbürgerschaft zu erlangen, ist seit langem für Europäer und Asiaten ein Grund für einen Umzug. Während das australische Klima britische Staatsangehörige überzeugt, zieht die Provinz Quebec immer mehr Franzosen an. Diese machten im vergangenen Jahr 13 Prozent der Einwanderer aus, den höchsten Anteil aller Länder.

"Einige Franzosen wollen nicht nur ihr Vermögen optimieren, sondern überlegen auch, eine zweite Staatsbürgerschaft anzunehmen", sagt Amine El Ouarzazi, Berater bei Henley. Er verweist auf Faktoren wie eine wahrgenommene Zunahme antisemitischer und antiislamischer Rhetorik während des französischen Wahlkampfs. Zu den Optionen für eine Staatsbürgerschaft gehören Länder wie Antigua und Barbuda, St. Lucia und Malta. "Es ist eine Versicherungspolice für den Fall, dass in der Zukunft etwas Schlimmes passiert", so El Ouarzazi.

(Bloomberg)