Ein Kurssturz weckt Begehrlichkeiten: Nachdem sich der Börsenwert von Europas grösstem Zahlungsabwickler Nexi nahezu halbiert hat, bekommt das Unternehmen Insidern zufolge immer wieder Anfragen von Investoren, die es kaufen und von der Börse nehmen wollten. So habe Nexi-Chef Paolo Bertoluzzo mit dem US-Firmenkäufer Silver Lake verhandelt, sagten zwei mit dem Vorgang vertraute Personen zu Reuters. Gescheitert seien die Gespräche letztlich am Preis für das an der Börse mit elf Milliarden Euro bewertete Unternehmen. Nexi und Silver Lake wollten die Vorgänge nicht kommentieren.
Ob derzeit weitere Kaufwillige bei Nexi anklopfen, ist nicht bekannt. Doch allgemein ist das Interesse von Investoren an Zahlungsdienstleistern in Europa und den USA derzeit hoch, wie Insider aus Banken und der Industrie berichten. Nach dem drastischen Kurssturz von Tech-Aktien in den vergangenen zwölf Monaten, der auch Zahlungsabwickler getroffen hat, stellen sich Unternehmen immer mehr darauf ein, dass die Bewertungen sich in der nahen Zukunft nicht deutlich erholen werden. Das bringt bei Übernahmeverhandlungen die Preisvorstellungen näher zueinander.
"Viele Unternehmen, die in den vergangenen Jahren an die Börse gingen, stellen fest, dass das nicht immer von Vorteil ist - besonders wenn sie noch klein sind oder keine Gewinne erzielen", sagt Peter Christoduolo, Partner bei Francisco Partners. Branchenexperten erwarten trotz der durch steigende Zinsen erschwerten Bedingungen am Fremdkapitalmarkt, dass M&A-Aktivitäten zum Ende des Jahres und im kommenden Jahr zunehmen.
Zu den ersten Deals des Jahres zählt die Übernahme des Kölner Zahlungsdienstleisters EVO durch Global Payments für vier Milliarden Euro. Global Payments, ein Unternehmen aus dem US-Bundesstaat Georgia, kündigte den Kauf Anfang August an. Mit der Übernahme sichert sich die US-Firma Zugang zu Märkten in Polen, Deutschland, Griechenland und Chile. Silver Lake ist nach Angaben von Global Payments mit 1,5 Milliarden US-Dollar an der Finanzierung beteiligt.
Auch andere Payment-Unternehmen zeigen sich offen für Übernahmen. BTRS Holdings, der Gesellschafter des Bezahldienstes Billtrust, soll Insidern zufolge mit einer Investmentbank die Verkaufschancen seiner Tochter erkunden. BTRS ging 2021 an die Börse und bietet mit Billtrust cloud-basierte Bezahllösungen für US-Firmenkunden.
Klarna mit drastischem Bewertungseinbruch
Ähnliche Pläne gibt es auch bei der Paya Holding, eine US-Tochter der britischen Sage Group, die 2020 an die Börse ging. Der Aktienkurs von BTRS sank in den vergangenen zwölf Jahren um 38 Prozent, während die Paya-Aktien 28 Prozent an Wert verloren. Insidern zufolge sucht auch Paya nach dem richtigen Käufer.
"Payment-Unternehmen sind grundsätzlich defensiv und gut positioniert für ein inflationäres Umfeld. Wenn also die Börse ihren wahren Wert nicht erkennt, private Investoren werden es tun", sagt Jeff Paduch, Managing Partner bei Advent International. Paduch ist Vorstandsmitglied bei Nexi, wollte jedoch die Vorgänge bei dem italienischen Unternehmen nicht kommentieren.
Auch private Unternehmen, wie der US-Zahlungsabwickler Stripe und das schwedische Fintech Klarna mussten drastische Bewertungseinbrüche hinnehmen. Bei Klarna sank die Bewertung um 85 Prozent auf 6,7 Milliarden US-Dollar, wie das Fintech bei der letzten Finanzierungsrunde im Juli bekannt gab.
Bezahldienste bieten Lösungen für die Abwicklung von Online- und Offline-Zahlungen und bekommen Provision je nach Höhe der einzelnen Transaktionen. Für private Beteiligungsgesellschaften gelten sie als ein rezessionsfestes Geschäftsmodell, das weiter wachsen wird. Die Marktforscher von Juniper Research prognostizieren bis 2025 ein 83-prozentiges Wachstum von digitalen Zahlungsmethoden - und ein Marktvolumen von über zehn Billionen US-Dollar.
(Reuters)