Bewertungsmodelle bilden die Grundlage für Käufer und Verkäufer von Immobilien. Ihr Informationswert beschränkt sich jedoch auf das hier und jetzt. Während sie keine Indizien über die zukünftige Wertentwicklungen machen, können anhand der liegenschaftsspezifischen Eigenschaften in Kombination mit dem Standort etwaige Über- oder Unterbewertung identifiziert werden.
Auch für Banken spielen die Schätzverfahren bei der Hypothekarvergabe eine wichtige Rolle. Sie entscheiden über, wie viel Eigenkapital der Käufer aufbringen muss, um eine Liegenschaft zu erwerben. Abweichungen von Schätzwert und Transaktionspreis beeinflussen den Eigenmittelbedarf, denn die Hypothekarvergabe hängt vom Schwätz- respektive Verkehrswert und nicht vom Transaktionspreis ab.
Beispiel: Entspricht der Schätzwert dem Kaufpreis, gewährt der Hypothekargeber beispielsweise ein Darlehen in der Höhe von maximal 80 Prozent auf den vollen Kaufpreis. Liegt der Schätzwert unter dem Transaktionspreis, erhöht sich der Eigenmittelbedarf des Käufers. Dieser Fall trifft häufig auf Luxusimmobilien zu.
Für Schätzungen, die über dem Kaufpreis liegen, reduziert sich zwar nicht zwingend der Eigenmittelbedarf, doch verkleinert sich das Eigenkapitalrisiko. Im nachfolgenden Beispiel müsste der Kaufpreis um mehr als 16 Prozent fallen, bis das Eigenkapital von einem Wertzerfall betroffen wäre. «Unterbewertete» Immobilien zu finden ist jedoch schwierig - besonders im derzeitigen Umfeld von sinkenden Zinsen.
Schätzwert = Kaufpreis | Schätzwert < Kaufpreis | Schätzwert > Kaufpreis | |
Kaufpreis | 1’250’000 | 1’250’000 | 1’250’000 |
Schätzwert | 1’250’000 | 1’000’000 | 1’500’000 |
Hypothek (80%*) | 1’000’000 | 800’000 | 1’000’000 |
Eigenmittelbedarf | 250’000 | 450’000 | 250’000 |
In Prozent | 20% | 36% | 20% |
* gemäss dem Niederstwertprinzip auf den tieferen Betrag von Schätzwert und Kaufpreis.
Verschiedene Schätzungsverfahren für unterschiedliche Zwecke
Wohnliegenschaften können anhand von verschiedenen Bewertungsmodellen geschätzt werden. Zu den meist verbreiteten Methoden gehören das hedonische Bewertungsmodell, die Ertragsmethode oder die Substanzwertmethode.
Welches Bewertungsmodell sich für welche Liegenschaft eignet, hängt wesentlich vom Zweck der Immobilie ab. Vielfach werden jedoch mehrere Schätzverfahren gleichzeitig angewendet, um möglichst viele Aspekte eines Objekts zu berücksichtigen und eine Bandbreite des potenziellen Werts abzubilden.
Die Ertragsmethode kommt bei Liegenschaften mit Mieterträgen wie Mehrfamilienhäusern oder einfach vergleichbaren Objekten wie Eigentumswohnungen zur Anwendung. Die längerfristigen Mietzinseinnahmen werden mit einem Kapitalisierungssatz, der unter anderem durch das Zinsniveau, Leerstandsquote und Art der Liegenschaft beeinflusst wird, abdiskontiert und damit der Wert der Immobilie erarbeitet.
Bei der Substanzwertmethode werden Landwert und Bauwert addiert. Bei dieser Bewertungsmethodik stehen nicht die Erträge, sondern die Kosten für die Wiederherstellung im Fokus. Sie wird bei Liegenschaften, die nur schwer vergleichbar sind, wie beispielsweise nicht ertragsorientierte Immobilien, historische Bauten oder auch besondere Einfamilienhäuser angewendet.
Beim hedonischen Bewertungsmodell handelt es sich hierzulande um das meistverbreitete Schätzungsverfahren für Wohnliegenschaften. Das ist eine Vergleichsmethode und stützt sich auf die Verkaufspreise ähnlicher Immobilien. Die Hauptvorteile dieser Methode sind die Schnelligkeit und die tiefen Kosten. Der Nachteil der hedonischen Bewertung ist die Genauigkeit. Da gewisse Eigenschaften nicht exakt erfasst werden können, kann das Schätzergebnis nicht unwesentlich vom effektiven Marktwert abweichen.
Die fundamentale Bewertung als Richtwert
Beispielsweise erfasst Wüest Partner bei der hedonischen Bewertungsmethodik eine Vielzahl an Faktoren aus drei Kategorien: quantitative Faktoren, qualitative Faktoren und der Standort.
Die quantitativen Faktoren beinhalten messbare Grössen wie Baujahr, Volumen, Wohnfläche und Zimmeranzahl. Die qualitativen Faktoren sind nicht direkt messbare Eigenschaften und bestehen aus den Daten über den Ausbaustandard, den Zustand der Immobilie oder die Gestaltung des Aussenbereichs. Beim Zustand sind Alter und Umfang der Renovierung einzelner Bauteile wie Gebäudehülle, Haustechnik oder Innenausbau preisrelevante Komponenten.
Mit dem Standort sind Daten zur Mikro- wie auch Makrolage verknüpft. Während die Makrolage die Lage einer Gemeinde innerhalb der Schweiz beschreibt, misst die Mikrolage die Lage innerhalb der jeweiligen Gemeinde. Hier fliessen unter anderem Immissionen wie Zug- und Strassenlärm oder die Nähe zu Sendeanlagen mit ein, aber auch Faktoren wie Verkehrsanbindung oder Nähe zu Erholungsräumen spielen für die Attraktivitätsbeurteilung eine Rolle.
Bei der Makrolage wird die Standortqualität einer Gemeinde gemessen. Sie ist vergleichbar mit dem Regionen-Rating von Wüest Partner. In der Regionen-Auswertung werden 106 Schweizer Subregionen miteinander verglichen mit dem Ziel, alle Gemeinden/Regionen der Schweiz mittels einer systematischen Analyse gegenüberzustellen. Das Resultat sind Aussagen zur Standortqualität und zur Beschaffenheit des lokalen Immobilienmarktes.
Eine nicht zu unterschätzende Makrolage
Je attraktiver punkto Steuern, Nähe zu Arbeitsplätzen oder Preiswachstum - Wüest Partner berücksichtigt für die Standortqualität elf Faktoren -, umso besser für den Vergleich mit anderen Gemeinden oder Regionen innerhalb der Schweiz und umso besser für das Preisniveau innerhalb der jeweiligen Region.
Gemäss Wüest Partner sind die Regionen Stadt Zürich, Zug und Zimmerberg die drei attraktivsten sowie Tre Valli, Val-de-Travers und Thal die drei unattraktivsten Regionen der Schweiz. Der Quadratmeterpreis einer 110 Quadratmetern grossen Wohnung mit durchschnittlichen Ausbaustandard liegt in der Stadt Zürich bei 21’000 Franken. In Zug erreicht ein vergleichbares Objekt einen Durchschnittspreis von knapp 19’000 Franken und in der Region Zimmerberg 17’000 Franken. Diese Werte liegen deutlich über dem Schweizer Durchschnitt von knapp 10’000 Franken pro Quadratmeter.
Die drei am wenigsten attraktiven Regionen Tre Valli, Val-de-Travers und Thal verzeichnen hingegen deutliche Abschläge zum Schweizer Durchschnitt. Mit 5’800 bis 5’900 Franken pro Quadratmeter liegen die Transaktionspreise gut 40 Prozent tiefer. Gegenüber den attraktivsten Regionen der Schweiz liegen die Transaktionspreise 70 Prozent tiefer.
Eine Kombination von liegenschaftsbezogenen Bewertungskomponenten und der Standortattraktivität einer Region oder Gemeinde ist für die Identifikation von etwaigen Unter- oder Überbewertungen unerlässlich. Weitere Vorteile bietet das Einordnen der objektbezogenen Schätzungsergebnissen mit den generellen Preisniveaus der unterschiedlichen lokalen Märkten. Besonders bei den Preisverhandlungen können Verkäufer (in attraktiven Regionen) und Käufer (in weniger attraktiven Regionen) einer Kombination der unterschiedlichen Faktoren zu ihrem Vorteil nutzen.