Der Hermès-Nachkomme Nicolas Puech behauptet, ihm seien Aktien abhanden gekommen. Aber wie? Und von wem? Ein Rätsel mit vielen Fragen, dass nun um ein Kapitel reicher geworden ist.
In einer im vergangenen Monat in Washington D.C. eingereichten Klage wirft der Finanzdienstleister Honor America Capital Nicolas Puech vor, es versäumt zu haben, Hermès International SCA-Aktien im Wert von rund 16 Milliarden Dollar im Rahmen einer Verkaufsvereinbarung zu liefern. Der Vorsitzende von Honor America behauptete, das Unternehmen und der Kauf seien vom Emir von Katar, Scheich Tamim bin Hamad Al Thani, unterstützt worden.
Der Kläger verlangte Schadensersatz in Höhe von mehr als 1,3 Milliarden Dollar mit der Begründung, dass Puech seinen Teil der Vereinbarung nicht eingehalten habe. Puechs Anwalt behauptet jedoch, sein Mandant sei nicht an dem Geschäft beteiligt gewesen. Gregoire Mangeat, der Puech seit letztem Jahr zusammen mit Fanny Margairaz vertritt, bestreitet «vehement», dass sein Mandant in irgendeiner Weise an dem Verkauf beteiligt war oder überhaupt davon wusste, bis er davon in der Presse las. Die katarischen Behörden lehnten es ebenfalls ab, sich zu der Klage zu äussern. Erschwerend kommt hinzu, dass nicht klar ist, ob Puech die Aktien hätte verkaufen können, selbst wenn er es gewollt hätte.
Rechtsstreitigkeiten in Frankreich und der Schweiz
Der Nachfahre des Hermès-Gründers in fünfter Generation ist seit Jahren in Frankreich und der Schweiz in Rechtsstreitigkeiten und Ermittlungen über den Status seines Erbes verwickelt, das aus rund sechs Millionen Hermès-Aktien besteht, auf die Puech angeblich keinen Zugriff mehr hat.
Die Frage, ob der Erbe die Aktien noch besitzt oder nicht, wurde erstmals vor mehr als einem Jahrzehnt aufgeworfen, nachdem LVMH-Gründer und Erzrivale Bernard Arnault enthüllt hatte, dass er heimlich eine Beteiligung an Hermès angehäuft hatte. Zu dieser Zeit wurde das Unternehmen streng von der Familie kontrolliert.
Im Jahr 2014 traf Arnault eine Vereinbarung mit der Hermès-Familie, nach der LVMH Hermès-Aktien an seine Anteilseigner verteilen und fünf Jahre lang keine weiteren kaufen durfte. Arnault begann daraufhin, seine 23-prozentige Beteiligung abzubauen, und Puech verliess den Hermès-Aufsichtsrat. Das Schicksal von Puechs Aktien wurde nie geklärt.
Das Mysterium vertiefte sich im Jahr 2023, als Puech Eric Freymond, seinen ehemaligen Vermögensverwalter von mehr als zwei Jahrzehnten, beschuldigte, seine Anteile falsch verwaltet zu haben. Freymond wies alle Vorwürfe zurück.
Ein Genfer Berufungsgericht wies Puechs Anschuldigung im vergangenen Juli zurück und kam zu dem Schluss, dass er die Verwaltung seiner Angelegenheiten freiwillig an Freymond übergeben hatte und die Vereinbarung jederzeit hätte widerrufen können. In dem Urteil heisst es, dass Freymond von 1998 bis 2022 zwei Schweizer Bankkonten mit Puechs Hermès-Aktien verwaltet hat, der Erbe jedoch die Kontrolle über diese Konten behielt. Das Gericht konnte auch keine Beweise dafür finden, dass er betrogen worden war. Puech, der behauptete, sein Vermögen sei vernichtet worden, legte gegen das Urteil von 2024 keinen Einspruch ein. Der Status und der Verbleib der Hermès-Aktien bleiben jedoch umstritten.
«Wir sind dabei, uns bei Personen und Institutionen, die in den Fall involviert sind, zu erkundigen, um herauszufinden, wo diese Aktien sind und wie man sie zurückbekommt», sagte der Anwalt Mangeat in einer Erklärung gegenüber Bloomberg.
Sollte der 82-jährige Puech noch im Besitz des ursprünglichen Anteils von rund 5,7 Prozent sein, wäre er der grösste Einzelaktionär des französischen Herstellers von Birkin-Handtaschen und bunten Seidentüchern. Das Unternehmen, das es ablehnte, sich zu dem Fall zu äussern, hat seinen Marktwert in den letzten Jahren in die Höhe schnellen lassen. Mit einem Nettovermögen von rund 192 Milliarden Dollar ist der Clan, der die Hermès-Gruppe kontrolliert, laut Bloomberg Billionaires Index die reichste Familie Europas.
Aktien können nicht zurückgeholt werden
Die US-Klage ist die jüngste Folge dieser zunehmend verworrenen Geschichte. Bei den der Klage beigefügten Dokumenten handelt es sich angeblich um unterzeichnete Briefe und Verkaufsvereinbarungen zwischen Honor America Capital und Puech, die über seinen in den Akten genannten Anwalt, Francois Besse, abgefasst wurden. In einem Schreiben vom 27. Februar, das vom Vorsitzenden von Honor America Capital, Abdulla Mishal Al Thani, unterzeichnet wurde, heisst es: «Wir freuen uns auf den Abschluss dieser Transaktion», die «die volle Finanzierungszusage Seiner Hoheit», des Emirs von Katar, hat.
Puech und eine in Delaware ansässige Holdinggesellschaft namens Borysthene, die in der Klage als mit dem Erben «verbunden» beschrieben wird, stimmten dem Aktienverkauf im Februar zu. Nach wiederholten Verzögerungen scheiterte das Geschäft jedoch im März, nachdem Besse Honor America Capital darüber informiert hatte, dass die Aktien «trotz bester und wiederholter Bemühungen» nicht von der in Genf ansässigen Depotbank Lombard Odier zurückgeholt werden konnten. Die Bank lehnte eine Stellungnahme ab.
Die Klage wirft ein Schlaglicht auf die Art und Weise, wie Katar seinen Energiereichtum in den Luxussektor kanalisiert hat. Der Staatsfonds des Landes und andere in dem Golfstaat ansässige Unternehmen besitzen über die Investmentfirma Mayhoola wertvolle Vermögenswerte wie das Londoner Kaufhaus Harrods, das Pariser Kaufhaus Printemps sowie die Modelabels Valentino und Balmain.
Weder Besse noch Jamil Zouaoui, der Anwalt von Honor America Capital, reagierten auf wiederholte Bitten um Stellungnahme. Den Dokumenten zufolge erhielt Besse, der zuvor Puech vertreten hatte, im September eine Vollmacht für den Erben. In dem Kaufvertrag wird auch Freymond, Puechs ehemaliger Vermögensverwalter, als «Berater» bei dem Geschäft genannt, wobei nicht angegeben wird, für welche Seite er gearbeitet hat. Da die neuen Eingaben unter Verschluss eingereicht wurden, ist der Status der Klage unklar. Aber es steht immer mehr auf dem Spiel.
Letzte Woche erreichte die Bewertung von Hermès in umgerechnet 286 Milliarden Dollar und übertraf damit zum ersten Mal LVMH. Damit wurde Hermès zum wertvollsten Mitglied des französischen Leitindex CAC40.
(Bloomberg)
1 Kommentar
Verstecken und verschleiern (Steueroptimierung) bis man nicht mehr weiss wo sie sind - da kann ich meine Schadenfreude nicht verheimlichen!