Ehepaare dürfen steuerlich nicht stärker belastet werden als unverheiratete Paare. So hat es das Bundesgericht im Jahr 1984 entschieden. In den folgenden Jahrzehnten kam es immer wieder zu Diskussionen über eine Reform der Paarbesteuerung. Auf Bundesebene ist der Durchbruch bis heute nicht geschafft.

Nun aber soll eine Reform gelingen, die Heiratsstrafe beseitigt werden. Mehrere Projekte sind aufgegleist: Eine Volksinitiative unter Federführung der FDP Frauen und der Gegenvorschlag des Bundesrats dazu sowie eine Volksinitiative der Mitte-Partei zu einer alternativen Steuerberechnung.

Alle Vorschläge wollen die steuerliche Schlechterstellung von Ehepaaren gegenüber ledigen Paaren beheben. Sie unterscheiden sich aber in ihrer Ausgestaltung - und in ihrer Auswirkung auf die Steuerrechnungen und Portemonnaies der Menschen, wie Berechnungen des Instituts für Schweizer Wirtschaftspolitik (IWP) an der Universität Luzern zeigen.

Wie sich herausstellt, spielen die Einkommen selbst und deren Verteilung zwischen den Partnern eine Rolle. Die Berechnungen des IWP beziehen sich indes auf den bundesrätlichen Gegenvorschlag zur Initiative der FDP Frauen und auf das Volksbegehren der Mitte-Partei. Die FDP-Volksinitiative zur Individualbesteuerung selbst wurde ausgeklammert, weil sie sich kaum simulieren lasse, erklärt Martin Mosler, Bereichsleiter Fiskalpolitik am IWP. Das Initiativkomitee habe wichtige Parameter nicht im Detail ausgeführt - es fordert laut Initiativtext lediglich eine zivilstandsunabhängige Besteuerung.

Mit dem - konkreter formulierten - Gegenvorschlag der Landesregierung könne hingegen, so Mosler, eine mögliche Ausgestaltung der Individualbesteuerung durchgespielt werden. Allfällige Differenzen zum Vorschlag der FDP Frauen sind laut dem IWP-Experten gering.

«Es sind Reformen, von denen einkommensstärkere Kreise profitieren»

Vom Vorschlag zur Individualbesteuerung laut FDP Frauen respektive bundesrätlichem Gegenvorschlag profitieren Ehepaare, wenn beide Partner je mindestens 50'000 Franken pro Jahr verdienen. Der Effekt wird stärker, je höher und je gleicher die beiden Bruttoeinkommen sind.

Ein Haushalt mit zwei verheirateten Personen, die je 200'000 Franken Lohn haben, wird laut den IWP-Modellrechnung um bis zu 10'000 Franken entlastet. Die Entlastung für Partner mit je 100'000 Franken beträgt zwischen 3000 und 4000 Franken. Praktisch keinen oder einen nur geringen Effekt gibt es bei Haushalten mit tieferen, aber gleich hohen Bruttolöhnen.

Im Nachteil sind beim Gegenentwurf zum FDP-Vorschlag manche Haushalte mit ungleichen Einkommen. Eine Mehrbelastung von einigen tausend Franken resultiert, wenn ein Partner nahezu nichts und der andere Partner zwischen 150'000 und 200'000 Franken verdient. Das sind Paare, die heute einen «Heiratsbonus» haben - den sie nach einer Reform verlieren.

Beim Vorschlag der Mitte-Partei zu einer alternativen Steuerberechnung verhält es sich anders, wie aus der IWP-Studie hervorgeht: Es gebe keine Einkommenskonstellation, bei der ein Ehepaar durch die Reform mit einem tieferen verfügbaren Einkommen dasteht.

Diesem Modell zufolge macht die Steuerverwaltung zwei Rechnungen: Eine sieht so aus wie heute, entspricht also einer gemeinsamen Besteuerung der Ehegatten. Die andere - also die alternative Steuerberechnung - erfolgt gemäss den Regeln für unverheiratete Personen. Bezahlen müssen die Partner dann den tieferen der beiden Steuerbeträgen.

Wie die IWP-Studie derweil zeigt, wächst die finanzielle Entlastung wiederum je höher und je gleicher die Bruttoeinkommen der Ehepartner sind. Mit einigen tausend Franken können Haushalte rechnen, deren beide Partner je 100'000 Franken verdienen. Bis zu 10’000 Franken Entlastung winkt Ehegatten, die je ein Bruttoeinkommen von 200’000 Franken haben.

Die Ökonomen des IWP schreiben zu den Reformprojekten: «Es sind Reformen, von denen einkommensstärkere Kreise profitieren.» Diese Kreise sind im gegenwärtigen System besonders stark von der Heiratsstrafe betroffen. Deren Abschaffung bringt eine entsprechend hohe Entlastung.

Höhere Beschäftigung erwartet

Die Diskussion um eine Steuerreform dreht sich nicht nur um die Folgen für einzelne Haushalte. In Bundesbern verspricht man sich auch eine regere Teilnahme der Menschen am Arbeitsmarkt. Besonders Zweitverdiener und Zweitverdienerinnen - häufig sind es Frauen - würden mehr als heute arbeiten gehen, so die Erwartung. Denn die Erwerbsarbeit wird durch eine tiefere Steuerlast lukrativer.

Schätzungen der Bundesverwaltung können 10’000 bis 44’000 Stellen neu besetzt werden, wenn die Reform auf allen Staatsebenen umgesetzt wird. Im Basisszenario sind es 27’000 Vollzeitstellen. Gegenwärtig werden im Schweizer Arbeitsmarkt zirka 4,42 Millionen Vollzeitjobs ausgeübt. Somit bewegt sich der Effekt der Steuerreform auf die Beschäftigung im Bereich von 0,2 bis 1,00 Prozent - laut Vertretern der Reform ein Beitrag gegen den Fachkräftemangel.

Welcher der Vorschläge letztlich umgesetzt werden soll, ist politisch umstritten. Vertreter der Mitte-Partei weisen darauf hin, dass die Heiratsstrafe in praktisch allen Kantonen schon abgeschafft sei. Sie via FDP-Vorschlag über alle Staatsebenen hinweg anzugehen, greife Probleme an, die gar nicht mehr bestünden.

Thematisiert werden auch Steuerausfälle, namentlich des Bundes. Angesichts der angespannten Finanzlage sollen nicht noch weitere Löcher in die Staatskasse gerissen werden, heisst es mitunter. Insofern ist weniger, ob eine Reform überhaupt gewollt ist, sondern welche Reform in welcher Ausgestaltung letztlich umgesetzt wird.

Das Bundesparlament hat die Beratung zur FDP-Initiative und zum bundesrätlichen Gegenvorschlag aufgenommen. Entschieden ist noch nichts. Die Initiative der Freisinnigen erfordert von Verfassungs wegen ohnehin eine Volksabstimmung. Das Gleiche gilt für das Projekt zur alternativen Steuerberechnung der Mitte-Partei.

Reto Zanettin
Reto ZanettinReto Zanettin ist seit April 2024 Redaktor bei cash.ch. Zuvor war er während fünf Jahren Inlandredaktor bei den «Schaffhauser Nachrichten» sowie in der Kommunikationsbranche tätig. 2007 schloss er das Studium an der Universität St. Gallen (HSG) als Master of Arts ab.Mehr erfahren