Sechs von zehn Erwerbstätigen in Deutschland spüren bereits die Folgen des Fachkräftemangels. Im Tourismus seien es sogar gut 70 Prozent und bei medizinischen Gesundheitsberufen fast 80 Prozent, wie am Donnerstag aus einer YouGov-Studie unter knapp 4000 Berufstätigen hervorgeht. Im Ergebnis würden vor allem mehr Arbeitsbelastung (31 Prozent), stockende Arbeitsabläufe sowie eine wachsende Bereitschaft zum Jobwechsel (je 14 Prozent) beklagt. Vor allem Jüngere vermissen im Betrieb Strategien gegen Personalmangel. Die grösste Angst der Erwerbstätigen in puncto fehlender Fachkräfte ist, dass sich Arbeitsklima und Gesundheit der Beschäftigten verschlechtern. Als zweitgrösste Sorge gilt, dass es zu einem Wissensverlust («Brain drain») kommt, weil Mitarbeitende nicht oder nur verzögert ersetzt werden.
Als beste Massnahme für Unternehmen, sich im Wettbewerb um die besten Talente durchzusetzen und den Personalmangel zu bremsen, nennen die Beschäftigten mehr Lohn und Gehalt (46 Prozent), gefolgt von der Einführung der 4-Tage-Woche bei vollem Lohnausgleich (30 Prozent). Jede und jeder Vierte nennt auch mehr geldwerte Vorteile neben dem Gehalt wie etwa Betriebsrenten oder Bonussysteme (25 Prozent), wie aus der Umfrage im Auftrag des Versicherers HDI hervorgeht. «Der Fachkräftemangel ist inzwischen im Herzen der deutschen Wirtschaft angekommen und wird sich in den kommenden Jahren durch das Ausscheiden der geburtenstarken Jahrgänge noch verstärken», erklärte Jens Warkentin, Chef von HDI Deutschland.
Die Bindung zum Beruf lässt derweil nach. Zum ersten Mal seit dem Start der jährlichen HDI Berufe-Studie 2019 sagen weniger als die Hälfte aller Erwerbstätigen in Deutschland, dass ihnen «der Beruf viel bedeutet» (47 Prozent). Dies sei allein gegenüber 2022 ein Rückgang um rund ein Fünftel. Genau die Hälfte der Angestellten würde laut Umfrage wegen schlechter Vorgesetzter kündigen, bei den unter 40-Jährigen sind dies sogar 56 Prozent. Demnach würden Frauen eher die Reissleine ziehen als Männer und Westdeutsche eher als Menschen im Osten. Ferner sind höhere Entlohnung und eine 4-Tage-Woche auch die am häufigsten genannten Bedingungen, unter denen Beschäftigte über das gesetzliche Renteneintrittsalter hinaus arbeiten würden.
(Reuters)