Die Schweizer Uhrenexporte nach China sind im September im Vergleich zum Vorjahr um 50 Prozent zurückgegangen, was Unternehmen wie Richemont, die Gruppe hinter Vacheron Constantin und IWC, sowie die Swatch Group, Eigentümerin von Omega, unter Druck setzt. Besonders die Swatch Group hat an der Börse erhebliche Verluste erlitten: Seit März 2023 hat sich der Aktienkurs halbiert, und seit Anfang 2014 ist nur noch ein Drittel des ursprünglichen Wertes übrig.
Kursentwicklung der Aktien von Swatch.
Die unmittelbare Kursschwäche ist hauptsächlich auf die wirtschaftliche Lage in China zurückzuführen. Obwohl die chinesische Wirtschaft in diesem Jahr und 2025 voraussichtlich um jeweils mehr als vier Prozent zulegen wird, verlangsamt sich das Wachstum. Die Probleme in China, insbesondere die Krise im Immobiliensektor und der schwache Konsum, bleiben bestehen. Im ersten Halbjahr meldete das Unternehmen einen Umsatzrückgang von fast 11 Prozent bei konstanten Wechselkursen, verursacht durch die stark gesunkene Nachfrage nach Luxusgütern in China.
Die Uhrenexporte nach China sind laut Daten des Bundesamtes für Zoll und Grenzsicherheit (BAZG) in den ersten neun Monaten des Jahres 2024 mengenmässig (in Kilogramm) um 33 Prozent zurückgegangen. In Franken-Beträgen beträgt der Rückgang 25 Prozent.
Die Negativschlagzeilen für die Schweizer Uhrenmarke reissen nicht ab. Investoren kritisieren die «ziemlich schreckliche» langfristige Erfolgsbilanz und das «wachsende Misstrauen». Hinzu kommen enttäuschende Halbjahresergebnisse und ein schwieriges Marktumfeld. Für Aufsehen sorgte Swatch-Chef Nick Hayek zuletzt mit Aussagen über einen möglichen Börsenrückzug in einem Interview mit der «Bilanz», dementierte jedoch solche Pläne kurz darauf gegenüber Bloomberg und der NZZ.
Hohe Inventory/Sales Ratio
Bei einem anderen Unternehmen wäre mit der Börsenbilanz und dem entsprechenden Geschäftsgang längst die Frage nach dem CEO gestellt worden. Bei Swatch bleibt dies aus, da die Familie Hayek circa 26 Prozent des Kapitals und 43 Prozent der Stimmrechte kontrolliert und zuletzt weiter ausgebaut hat.
Wenig beachtet in der Kritik bleibt die hohe Lagerbestandsquote von Swatch im Vergleich zu anderen Luxusgüterunternehmen: Die Inventory/Sales Ratio von Swatch beträgt 105 Prozent, bei Richemont 39 Prozent und bei LVMH 28 Prozent. Fairerweise muss man sagen, dass Richemont und LVMH nicht nur Uhren, sondern auch Schmuck produzieren.
Die Kennzahl Inventory/Sales Ratio misst das Verhältnis von Lagerbeständen zu Verkaufsumsätzen. Ein niedriger Wert deutet darauf hin, dass ein Unternehmen seine Bestände effizient in Umsatz umwandelt, während ein hoher Wert auf Überbestände oder Probleme mit der Produktnachfrage hinweist.
2006 lag die Kennzahl bei Swatch noch unter 40 Prozent, stieg jedoch in einem übergeordneten Trend an und erreichte 2019 einen Höchststand von knapp 110 Prozent. Laut Bloomberg-Schätzungen wird die Kennzahl in den kommenden zwei Jahren bei etwa 100 Prozent liegen.
CEO Hayek betont wiederholt, dass er für eine anziehende Nachfrage vorbereitet sein möchte und daher die Lagerbestände hoch hält. Ein Teil des Anstiegs ist durch den Ausbau des Boutique-Netzwerks erklärbar. Und das Unternehmen hebt hervor, dass ein Drittel der Lagerbestände aus Edelmetallen besteht, die zu Anschaffungskosten bewertet sind und somit deutlich unter den aktuellen Marktpreisen liegen.
Risiko von Abschreibungen
«Die hohe und tendenziell steigende Inventory/Sales Ratio weckt Befürchtungen, dass zu viel produziert wird und die Produkte nicht verkauft werden können, was zu Abschreibungsbedarf führen könnte – insbesondere da Uhren auch Modetrends unterliegen», erklärt Beat Pfiffner, Analyst der Schwyzer Kantonalbank, auf Anfrage von cash.ch.
Ein Drittel des Lagerbestands dürfte aufgrund der Edelmetalle mehr wert sein als in der Bilanz ausgewiesen. Beim restlichen Bestand besteht jedoch das Risiko von Abschreibungen. «Der Aktienkurs reflektiert dies teilweise: Die Aktie wird deutlich unter dem Buchwert gehandelt», sagt Pfiffner.
Auch Luca Carrozzo, Anlagechef der Bank CIC, warnt vor den Risiken eines hohen Lagerbestands: «Grosse Lagerbestände binden Kapital, das anderweitig investiert werden könnte, und erhöhen das Risiko von Abschreibungen, die die Gewinnmargen belasten.»
Als Marke, die sowohl im Luxus- als auch im Massenmarkt tätig ist, hat Swatch hohe Lagerbestände, was auf eine breitere Produktpalette und möglicherweise weniger gezielte Marketingstrategien hinweist. Das Konsumentenverhalten in China, Hauptmarkt von Swatch, der 33 Prozent des Umsatzes ausmacht, hat dem Unternehmen in den letzten Monaten Probleme bereitet. Es gibt wenig Anzeichen dafür, dass China kurzfristig wieder zu einem Wachstumstreiber für Swatch wird. «Ein weiterer Faktor ist das Fehlen einer absoluten Topmarke und das Ausbleiben einer Geschäftsrestrukturierung. Diese Punkte tragen zur negativen Aktienentwicklung und Analystenbewertung bei», so Carrozzo.
Druck auf Free Cash Flow befürchtet
Für Vontobel-Analyst Jean-Philippe Bertschy besteht das Risiko, wie bereits im letzten und diesem Jahr, darin, dass die hohen Vorräte das Umlaufvermögen belasten und sich negativ auf den Free Cash Flow auswirken. «Wir erwarten, dass sich die Kennzahl im zweiten Halbjahr verschlechtern wird und der Umsatz weiterhin rückläufig sein wird.»
Interessant ist insbesondere die Aufteilung der einzelnen Lagerkategorien, die am Markt bisher weniger Beachtung gefunden hat. Gemäss der letzten Jahresbilanz setzt sich der Lagerbestand wie folgt zusammen: Rohmaterial 9 Prozent, Halbfabrikate 8 Prozent, Fertigprodukte 78 Prozent und Andere 5 Prozent.
Die Idee von Hayek klingt an sich verlockend, widerspricht aber in gewissem Masse der Marktlogik: Wenn die Nachfrage wieder anzieht, wollen die Kunden Neuheiten kaufen und nicht das, was gerade als Überbestand verfügbar ist.
Welche Marken betroffen sind? Das bleibt ein grosses Geheimnis. Vermutet werden viele Non-Moonswatch-Swatches, Longines (die seit Jahren nicht gut läuft und gross ist) sowie Tissot (mit einem extrem breiten Sortiment, von dem laut Marktbeobachtern nur wenige Modelle gut laufen). Aber das ist nur Spekulation. Es gibt dazu keine konkreten Informationen.
«Swatch kann es sich leisten, Liquidität zu binden», erklärt Pascal Prüss, Analyst und stellvertretender Portfoliomanager bei BWM Value Investing, auf Anfrage von cash.ch. Dies sei jedoch schlecht für die Profitabilität und man könnte es definitiv besser machen. Eine hohe Marge durch volle Produktionsauslastung nützt letztlich nichts, wenn die Nachfrage ausbleibt.
Am Ende zeigt sich, was man bereits zuvor aufgrund der Eskapaden von Hayek vermuten konnte: Swatch bleibt mit einer solchen Geschäftsphilosophie kein geeignetes Investment – auch weil der Konzern weiterhin eine kommunikationsunwillige und wenig transparente Blackbox ist.