Knapp zwei Monate vor der US-Präsidentschaftswahl haben sich die Kandidatin der Demokraten, Kamala Harris, und der Republikaner Donald Trump ein hitziges TV-Duell geliefert. Bei dem ersten direkten Aufeinandertreffen der beiden Kontrahenten gelang es der Vizepräsidentin, Trump mehrfach in die Defensive zu zwingen.

Der Ex-Präsident reagierte teils sichtlich wütend, bemühte reihenweise Falschbehauptungen und warf seiner Rivalin wiederholt vor, die USA insbesondere durch eine verfehlte Wirtschafts- und Einwanderungspolitik zugrunde zu richten.

Harris konterte, dass Trump sich selbst über das Volk stelle, während sie eine Präsidentin für alle Amerikaner sein werde mit einem klaren Plan zur Unterstützung der Mittelschicht, Familien und Kleinunternehmen. Prominente Unterstützung erhielt Harris nach der Debatte: Pop-Superstar Taylor Swift sprach sich für ihre Wahl aus.

Harris trat in dem Duell deutlich schlagfertiger und gewappneter auf als noch amtierende Präsident Joe Biden, der nach einer verheerenden Fernsehdebatte gegen Trump im Juni letztlich auf eine erneute Kandidatur zugunsten seiner Stellvertreterin verzichtet hatte.

Die 59-Jährige ging Trump bei dem Schlagabtausch zur besten US-Sendezeit am Dienstagabend in Philadelphia in einer ganzen Reihe von Punkten scharf an, etwa wegen seiner zahlreichen Strafverfahren oder seines Verhaltens während des Sturms wütender Trump-Anhänger auf das Kapitol im Januar 2021. Die ehemalige Staatsanwältin lockte den 78-Jährigen ein um das andere Mal aus der Reserve und brachte ihn dazu, sich für Handlungen während seiner Präsidentschaft zwischen 2017 und Anfang 2021 zu rechtfertigen.

Abtreibung, Kriege, Haustiere

Zum Auftakt der Debatte begrüssten sich Harris und Trump per Handschlag. Doch schon kurz darauf war klar, dass sie sich nichts schenken würden. Beide gingen sich scharf an und bezichtigten sich mehrfach gegenseitig der Lüge. Die Themenpalette reichte von der Wirtschaftslage über Abtreibung, Klimaschutz, Ethnizität, die Kriege in Nahost und der Ukraine sowie den Afghanistan-Abzug bis hin zur Gesundheitspolitik. Trump streute dabei immer wieder Warnungen vor illegaler Migration und Kriminalität ein.

An einer Stelle griff er unbelegte Socialmedia-Beiträge auf, wonach Einwanderer aus Haiti angeblich die Haustiere von Bewohnern der Stadt Springfield im Bundesstaat Ohio verspeisen. «Sie essen die Hunde. Die Leute kamen und sie essen die Katzen», rief Trump empört. «Soviel dazu, wenn man von extrem spricht», kommentierte Harris spöttisch die Behauptung, die von Behörden vor Ort zurückgewiesen worden ist.

Inhaltlich brachte die Debatte insgesamt nicht viel Neues zutage. Trump drohte wie gewohnt insbesondere China mit Zöllen etwa auf Elektroautos, warnte vor einem dritten Weltkrieg und wiederholte sein Versprechen, im Falle eines Wahlsiegs den Krieg in der Ukraine noch vor seiner Vereidigung zu beenden. Konkreter wurde er auch diesmal nicht. Er warf Harris vor, eine Marxistin zu sein und Israel zu hassen - was sie prompt zurückwies - und er wiederholte seine seit Jahren vorgebrachte Falschbehauptung, er habe die Wahl gegen Biden 2020 nicht verloren. Harris bekräftigte, dass sie zu den Verbündeten der USA stehen werde, aber auch sie lieferte kein genaues Konzept zur Beilegung der Kriege im Gazastreifen und der Ukraine.

Harris-Lager fordert zweites Duell

Harris warb für sich als Kandidatin, die das tief gespaltene Land einen und in eine bessere Zukunft führen könne. Noch mehr als für Trump ging es für sie darum, die mehr als 90-minütige Debatte zu nutzen, um sich einem Millionenpublikum an den Bildschirmen genauer vorzustellen.

Während Trump im ganzen Land bekannt ist, steht Harris erst seit Bidens Rückzug richtig im Fokus. Beide Kandidaten müssen vor allem versuchen, bis zur Wahl Anfang November noch unentschiedene Wähler von sich zu überzeugen. In Umfragen liegen Trump und Harris in etwa gleichauf, weshalb mit einem engen Rennen gerechnet wird, bei dem es um jede Stimme geht.

Nach der Debatte brach Jubel im Harris-Lager aus. Die Popsängerin Taylor Swift erklärte in einem Instagram-Beitrag, sie werde Harris wählen. In dem Online-Netzwerk folgen dem Megastar mehr als 280 Millionen Menschen. Dazu postete Swift ein Foto von sich und einer Katze. Darunter stand «kinderlose Katzenlady», offensichtlich ein Seitenhieb auf Trumps Vizepräsidentschaftskandidat JD Vance. Der hatte sich mit diesen Worten vor einigen Jahren in einem Interview über Anhängerinnen der Demokraten lustig gemacht.

Offensichtlich ermutigt vom Auftritt der Vizepräsidentin forderte Harris' Wahlkampfstab Trump zu einem zweiten TV-Duell im Oktober heraus. Trump sagte dem Sender Fox News, Harris wolle das nur, weil sie verloren habe. «Ich muss darüber nachdenken. Aber wenn man die Debatte gewonnen hat, denke ich irgendwie, dass ich es vielleicht nicht tun sollte.»

(Reuters)