Erst am Mittwoch führte die Frage nach dem Anspruch auf die strategisch wichtige Halbinsel im Schwarzen Meer zu einem weiteren Eklat zwischen US-Präsident Donald Trump und dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj. Trump rügte Selenskyj, weil er sich weigerte, die Annexion der Krim durch Russland als Teil einer von den USA vorgeschlagenen Vereinbarung zur Beendigung des Krieges anzuerkennen. Selenskyj bekräftigte, die Ukraine werde die Krim niemals an Russland abtreten. Er hatte mehrfach erklärt, die ukrainische Souveränität über die Krim müsse auf diplomatischem Wege wiederhergestellt werden.
Geografische Lage
Die Krim liegt gegenüber der Region Cherson im Süden der Ukraine und ragt ins Schwarze Meer. 2018 - vier Jahre nach der Annexion - eröffnete der russische Präsident Wladimir Putin die 19 Kilometer lange Brücke von Kertsch (auch Krim-Brücke genannt), die die Krim mit der Oblast Krasnodar auf dem russischen Festland verbindet. Das Prestigeobjekt wurde im Krieg mehrfach durch ukrainische Angriffe schwer beschädigt.
Mit einer Fläche von 27.000 Quadratkilometern ist die Krim etwas kleiner als Belgien. Ihre Hauptstadt ist Simferopol. Wegen ihres gemässigten Klimas war die Krim vor dem Krieg ein bei Ukrainern und Russen beliebtes Reiseziel. Vor dem Krieg lebten etwa zwei Millionen Menschen auf der Krim. Nach einer Volkszählung aus dem Jahr 2001 - also lange vor der Annexion - waren von den Ukrainern auf der Krim rund 58 Prozent ethnische Russen, 24 Prozent Ukrainer und zwölf Prozent Tataren.
Geschichte
Über Jahrhunderte gehörte die Krim zum Osmanischen Reich. Im 18. Jahrhundert gliederte die russische Zarin Katharina die Grosse die Krim mit den meisten ethnisch ukrainischen Gebieten in das Russische Reich ein. 1783 wurde der russische Marinestützpunkt Sewastopol gegründet, der seither Basis der russischen Schwarzmeer-Flotte ist.
Im Krim-Krieg von 1853 bis 1856 bekämpften sich Russland und das Osmanische Reich, das von Grossbritannien und Frankreich unterstützt wurde. Mehr als eine halbe Million Menschen wurden getötet. Russland, das weitgehend isoliert war, ging als Sieger hervor, das Osmanische Reich zerfiel. Der Konflikt veränderte die Machtverhältnisse in Europa und war ein Wegbereiter für den Ersten Weltkrieg.
1921 wurde die Krim, auf der damals vor allem muslimische Tartaren lebten, Teil der Sowjetunion. Die Tataren wurden zum Ende des Zweiten Weltkriegs vom sowjetischen Staatschef Josef Stalin wegen angeblicher Kollaboration mit den Nazis massenhaft deportiert.
Bis 1954 gehörte die Halbinsel zu Russland und war Teil der Sowjetunion. Dann wurde sie von Stalins Nachfolger Nikita Chruschtschow, einem Ukrainer, an die Ukraine übergeben, die seinerzeit wie Russland eine Sowjetrepublik war.
Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion und der Unabhängigkeit der Ukraine im Jahr 1991 kam es zwischen den Regierungen in Moskau und Kiew immer wieder zu Auseinandersetzungen über den Status der Krim. 2014 besetzte Russland die Halbinsel und annektierte sie.
Annexion der Krim
Im November 2013 setzte die ukrainische Regierung für viele überraschend die Gespräche mit der EU aus und entschied sich für die Wiederbelebung der Wirtschaftsbeziehungen mit Russland. Dieser Schritt löste monatelange Massenproteste in Kiew aus. Anfang 2014 schlugen die Proteste auf dem Maidan in Gewalt um. Dutzende Demonstranten wurden getötet. Die Opposition forderte den Rücktritt des pro-russischen Präsidenten Viktor Janukowitsch. Im Februar stimmte das Parlament für die Amtsenthebung des Präsidenten und eine Neuwahl. Janukowitsch floh aus der Ukraine. Nach seinem Sturz schickte Russland Truppen auf die Krim, das Regionalparlament wurde besetzt und die russische Flagge gehisst.
Nach einem höchst umstrittenen Referendum, in dem die Krim-Bevölkerung sich für die Zugehörigkeit zu Russland aussprach, annektierte Russland am 18. März 2014 formell die Krim. Der russische Präsident Wladimir Putin erklärte, die Krim sei immer ein untrennbarer Teil Russlands gewesen und bleibe es. Die Generalversammlung der Vereinten Nationen, die USA und viele andere Länder verurteilten die Annexion. Die USA und die Europäische Union verhängten wegen des Vorgehens Sanktionen gegen Russland.
Militärische Bedeutung
Russland hatte über Jahre seinen Schwarzmeer-Stützpunkt Sewastopol von der Ukraine gepachtet. Er ist für die Führung in Moskau von enormer Bedeutung, verschafft er ihr doch Zugang zum Mittelmeer.
Bei der am 24. Februar 2022 begonnenen Invasion nutzte Russlands Militär die Krim zur Entsendung Zehntausender Soldaten in die Ukraine. Dabei war auch die Kertsch-Brücke mit ihrem Strassen- und Schienenweg von grosser Bedeutung. Von der Krim aus werden Raketen- und Drohnenangriffe auf das ukrainische Festland gestartet. Umgekehrt haben die ukrainischen Streitkräfte wiederholt russische Stützpunkte auf der Krim angegriffen.
Nach Beginn der Invasion verhängte Russland eine De-facto-Blockade der ukrainischen Schwarzmeerhäfen. Dies schränkte die für die ukrainische Vorkriegswirtschaft wichtigen Getreideexporte stark ein. Dies führte zu einem Anstieg der weltweiten Lebensmittelpreise und der Gefahr einer Hungersnot in ärmeren Ländern. Im Juli 2022 wurde unter Vermittlung der Türkei und der Vereinten Nationen ein Getreide-Abkommen geschlossen, das die sichere Durchfahrt von bestimmten ukrainischen Häfen aus ermöglichte. Das Abkommen scheiterte jedoch später.
(Reuters/cash)