Auch wenn der Preisdruck in den letzten zwei Jahren drastisch nachgelassen hat, ist der Kampf gegen die Inflation noch nicht zu Ende. Faktoren wie die Ausgaben für teure Technologien der künstlichen Intelligenz oder das sogenannte «Near- oder Onshoring» - wo Produktionsstätten weg von den Billiglohnländern wieder zurück ins Inland geholt werden - könnten dafür verantwortlich sein. 

Anne Walsh, Chief Investment Officer von Guggenheim Partners Investment Management, sieht die US-Inflation mittelfristig wieder auf bis zu 4 Prozent ansteigen. Die Inflation ist zwar auf dem besten Weg, kurzfristig das 2-Prozent-Ziel der US-Notenbank zu erreichen, doch dürfte dieser Zustand nicht lange anhalten, meint sie. 

«Wir befinden uns zum ersten Mal seit langem in einer reflationären Welt», sagte Walsh am Dienstag auf dem Greenwich Economic Forum in Connecticut in den USA. Wenn die Inflation das 2-Prozent-Ziel der Fed erreicht, sollten die Notenbanker «diesen lächerlichen Kragen ablegen und innerhalb einer Spanne arbeiten, denn ich glaube nicht, dass sie dieses Niveau für lange Zeit halten können.» 

Neuer Fokus

In den letzten Monaten haben die Anleger den Schwerpunkt von der Inflation auf das Wirtschaftswachstum verlagert, da der Preisdruck seit dem Höchststand im Jahr 2022 stetig nachgelassen hat. Doch ein aussergewöhnlich starker Arbeitsmarktbericht am Freitag vergangene Woche schürte die Sorge, dass die Inflation nach der ersten Zinssenkung der Fed um 50 Basispunkte seit über zwei Jahren, wieder anziehen könnte. 

«Wir sind in dieser Welt, in der ich denke, dass wir Wellen von nicht hoher Inflation sehen können», sagte Walsh. Sie rechnet zwar nicht mit einem Szenario wie in den 1970er Jahren, als die Fed-Beamten mit einer zweistelligen Inflation kämpften, aber die Inflation wird ein «natürlicher Teil des Paradigmas» sein. 

Die Nationalbanker der Fed gehen davon aus, dass das Preiswachstum im nächsten Jahr durchschnittlich 2,1 Prozent betragen wird und sie bis 2026 ihr Ziel von 2 Prozent erreichen. Die von Bloomberg befragten Wirtschaftsexperten gehen hingegen davon aus, dass der von der Fed bevorzugte Inflationsindikator PCE-Inflation (Preisindex für die persönlichen Konsumausgaben) bereits im ersten Quartal des nächsten Jahres durchschnittlich 2 Prozent betragen wird. Die Fed-Beamten gehen davon aus, dass dieser Index dieses Jahr nur um 2,3 Prozent steigen wird. 

US-Wahlen, China-Stimulus und Unternehmen mit soliden Finanzen

Was den chinesischen Aktienmarkt anbelangt, ist Walsh skeptisch, selbst nachdem ein starker fiskalischer Stimulus das Land innerhalb weniger Wochen von einem Nachzügler zu einem Outperformer gemacht hat. «Wenn die Aktien steigen, ist das grossartig, aber für den chinesischen Anleger vor Ort wird sich das nicht wirklich bemerkbar machen. Für externe Investoren ist es jedoch grossartig», so Walsh. 

Im Inland bereitet sich Walsh auf die Präsidentschaftswahlen am 5. November vor. Unabhängig davon, ob Vizepräsidentin Kamala Harris oder der ehemalige Präsident Donald Trump gewinnt, wird dieses Ereignis folgenreich für die Märkte sein. 

«Ich denke, dass 2025 ein herausforderndes Jahr werden könnte, und wir mit Sicherheit eine grosse Menge an politischer Unsicherheit durch beide Kandidaten sehen werden», sagte sie. 

Um sich für das Unbekannte zu wappnen, empfiehlt Walsh, in hochverzinsliche Anleihen zu investieren und Unternehmen mit soliden Finanzen zu halten. Sie investiert auch gerne in Infrastruktur und Immobilien, bleibt aber bei Geschäftsliegenschaften vorsichtig. 

«Ich bin immer auf der Suche nach dem nächsten Risiko und bin auf Achtsam auf das Vorhandensein von schwarzen Schwänen», sagt Walsh. «Ich würde sagen, dass ich in all den Jahren, in denen ich im Investmentmanagement tätig bin, noch nie so viele widersprüchliche Informationen und gleichzeitig steigende Risiken gesehen habe - zumindest nicht in meiner gesamten Laufbahn.

(cash/Bloomberg)