Die Aktien von Alphabet haben in diesem Jahr um 27 Prozent zugelegt, nur 3 Prozentpunkte mehr als der Nasdaq 100. Dabei zählt Alphabet zu den wertvollsten und innovativsten Technologieunternehmen weltweit. Und Konzernchef Sundar Pichai hat im dritten Quartal geliefert: Umsatz und Gewinn lagen deutlich über den Erwartungen der Analysten. Die Werbeumsätze von Google bilden weiterhin die Grundlage des Alphabet-Geschäfts.

Kursentwicklung der Alphabet-Aktien.

Mit Chatbots und anderen KI-Anwendungen wird es jedoch immer einfacher, Fragen direkt zu beantworten, anstatt nur eine Sammlung von Weblinks anzuzeigen, wie dies bei Google-Suchanfragen geschieht. KI-Start-ups wie Perplexity AI versuchen, Google mehr Konkurrenz zu machen, konnten bisher jedoch nicht ernsthaft die führende Position des Marktführers gefährden.

Auch Analysten der Bank of America glauben, dass eine der zentralen Fragen für die Alphabet-Aktie ist, ob KI die Suche verbessern und den Markt erweitern oder neue Wettbewerber ermöglichen und die Einnahmen von Google belasten wird. Ihre Prognose ist, dass KI den Markt expandieren und durch Googles umfangreiche Recheninfrastruktur, bestehende Suchinfrastruktur, Algorithmen und Abfragedaten die besten Suchergebnisse liefern wird.

Google hat seine Suchmaschine vor über 25 Jahren entwickelt, um Webseiten zu finden und in einem durchsuchbaren Index zu speichern. 1998 startete Google mit 26 Millionen URL im Index, 2000 waren es bereits 1 Milliarde, und 2020 belief sich der Index auf etwa 400 Milliarden Dokumente (laut US-Kartellverfahren am 18. Oktober 2023). Bei einer Suchanfrage durchsucht Google den Index, um die relevantesten Seiten abzurufen, und nutzt Algorithmen wie Aktualitätssignale, PageRank und Lokalisierung. Seit 2015 wird Deep Learning verwendet, um die Suchergebnisse weiter zu optimieren.

Der ursprüngliche Dienst basierte auf dem PageRank-Algorithmus, wobei inzwischen über 200 weitere Kriterien in das Ranking einfliessen, wie Inhaltsrelevanz, Qualität, Aktualität und Nutzerstandort. Die Details dieser Faktoren werden nicht offengelegt, um Manipulationen und Wettbewerb zu verhindern. Heute verwendet Google Hunderte von Algorithmen und maschinellen Lernmodellen. Die Einführung von ChatGPT Ende 2022 war ein wesentlicher Katalysator für KI-Investitionen und Innovationen. Google beschleunigte daraufhin den Einsatz von KI in der Suche und führte KI-Übersichten ein, um die Absichten der Nutzer besser zu interpretieren und gezieltere Antworten zu liefern. 

Generative KI als Chance für Google

«Der Aufstieg der generativen KI hat für Alphabet neue Chancen und Wettbewerbsbedrohungen mit sich gebracht und uns an den Übergang zu mobilen Apps in den Jahren 2012–2014 erinnert», schreiben Justin Post, Analyst bei der Bank of America, und seine Kollegen in dem aktuellen Bericht. Um die KI-Funktionen zu nutzen, hat Google KI-Übersichten an oberster Stelle in den Suchergebnissen eingeführt, die schnelle und prägnante Antworten auf Anfragen liefern.

Im Mai 2024 begann Google mit der breiten Einführung von KI-Übersichten in den USA und hat diese kürzlich auf mehr als 100 Länder ausgeweitet, was auf eine positive Entwicklung hindeutet. «Seit der Einführung in den USA im Mai ist der Suchmarktanteil von Google gestiegen, jedoch sehen wir nur begrenzte Veränderungen bei den monatlichen Google-Besuchsdaten in den USA», so die Analysten.

Laut der Bank of America könnte die Umstellung auf das neue Format folgende Vorteile bieten: 1) eine Erhöhung des Abfragevolumens durch erweiterte Suchfunktionen und gesteigertes Nutzerengagement, 2) präziseres Targeting, was zu einer höheren Monetarisierung führt, und 3) neue Anzeigen rund um Informationsabfragen. Zu den Risiken gehören: 1) Störungen bei der Suchnutzung, 2) geringere Anzeigenlasten, die die Monetarisierung beeinträchtigen, und 3) höhere Rechenkosten, die auf die Margen drücken.

Die Kosten für die Beantwortung von KI-Übersichtsanfragen sind voraussichtlich höher als bei herkömmlichen Suchanfragen, da für das Training und Ausführen von grossen Sprachmodellen (LLMs) intensive Rechenressourcen benötigt werden. Der Prozess der Bearbeitung von KI-gestützten Suchanfragen, als «Inferenz» bezeichnet, erfordert, dass ein neuronales Netzwerk Antworten aus vorherigem Training ableitet. Dieser Prozess wird durch GPU-Berechnungen unterstützt, die die «Inferenzkosten» ausmachen. Grössere Modelle erfordern mehr Chips und sind daher kostspieliger. Zudem variieren die Kosten je nach Länge der Benutzeranfrage, gemessen in «Tokens» oder Wortteilen.

Es sind nur begrenzte Daten für direkte Kostenvergleiche verfügbar, aber John Hennessy, Vorstandsvorsitzender von Alphabet, sagte im Februar 2023 gegenüber Reuters, dass eine Suche auf Gemini das Unternehmen zehnmal mehr kosten kann als eine Standard-Keyword-Suche. Eine Feinabstimmung könnte jedoch helfen, die Kosten schnell zu senken.

Kurspotenzial bei Alphabet von 22 Prozent

In den letzten drei Monaten ist der Marktanteil der Google-Suche in den USA gestiegen, und die weltweite Einführung deutet darauf hin, dass Google positive Auswirkungen auf die Suche verzeichnet. Bank of America bleibt hinsichtlich der KI-Chancen für Google optimistisch und bestätigt das Kauf-Rating, angesichts potenzieller Vorteile für die Suchnutzung und -monetarisierung, YouTube-Inhalte und -Targeting sowie die Cloud-Nachfrage.

Das von der US-Grossbank anvisierte Kursziel liegt bei 210 Dollar - es impliziert ein Aufwärtspotenzial von 22 Prozent. In den letzten zehn Jahren wurde Alphabet durchschnittlich mit dem 22-fachen GAAP-Kurs-Gewinn-Verhältnis gehandelt. Dieser Wert erscheint den Analysten im historischen Vergleich angemessen, da ein zweistelliges Umsatzwachstum, eine Ausweitung der Cloud-Margen und die Möglichkeit erwartet werden, von starken KI-Vermögenswerten zu profitieren.

Abwärtsrisiken sind: 1) Verlust von Suchverkehr durch KI-Tools von Wettbewerbern, 2) Verzögerungen oder negative Auswirkungen der Integration von LLMs in die Suche, 3) Umsatzdruck durch die Einhaltung des EU Digital Markets Act (DMA), 4) ein negatives Urteil im laufenden Verfahren des Justizministeriums (DOJ) und 5) höher Investitionsausgaben und geringerer freier Cashflow (FCF) aufgrund von KI-Investitionen.

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