Die Sparte Uhren zählte im vergangenen Quartal zur "kriselndsten" Kategorie bei Europas führenden Luxusgüterunternehmen. Nach drei aufeinanderfolgenden Jahren mit Rekordexporten sind die Uhrengrosshandelsausfuhren in den ersten sieben Monaten des Jahres wertmässig um 2,4 Prozent zurückgegangen. Das eigentliche Volumen verzeichnete jedoch einen Rückgang um beinahe 20 Prozent und steht nur dank Preiserhöhungen wertemässig in einem geringen Minus.

Ursache dafür ist unter anderem die fehlende Kauflust vieler Konsumenten in China. Patrik Schwendimann von der Zürcher Kantonalbank erklärt: "Der Luxusgütermarkt in China und Hongkong hat sich in der jüngeren Vergangenheit sehr enttäuschend entwickelt. Weiter können mehrere Boomjahre letztlich zu einem gewissen Überkonsum führen, was in einer vorübergehenden Flaute enden könne.

"Ein Teil der Luxusgüterkonsumenten kann sich auch in wirtschaftlich schwierigeren Zeiten Luxusgüter leisten, aber der "feel good factor" kann das Konsumverhalten beeinträchtigen, wenn beispielsweise am Aktien- oder Immobilienmarkt Geld verloren wird oder der Nachbar seine Arbeitsstelle verloren hat", ergänzt der Experte der ZKB. Neue Luxusgüterkonsumenten kämen laufend dazu, darunter vor allem auch Jüngere, bei welchen es aus wirtschaftlichen Gründen zu einer vorübergehenden Beeinträchtigung des Konsumverhaltens kommen könne, was aktuell in China der Fall sei.

Am stärksten getroffen wurden bisher insbesondere Marken, die im Einstiegs- und Mittelsegment der Uhren tätig sind, während sich High-End-Marken besser behaupten konnten. Die Verlangsamung hat Richemont und die Swatch Group denn auch unterschiedlich getroffen.

Swatch aufgrund Produktportfolio abgeschlagen

"In China zusammen mit Hongkong und Macau haben wir im ersten Halbjahr einen Umsatzrückgang von rund 30 Prozent erlitten", musste Konzernchef der Swatch Group, Nick Hayek, Mitte Juli in einem Interview einräumen. "Mit einem derart starken Rückgang im chinesischen Markt hatten wir Anfang Jahr nicht gerechnet." 

Jean-Philippe Bertschy von der Bank Vontobel meint: "Die Swatch Group befindet sich derzeit in einer schwierigen Situation, da die Gruppe hauptsächlich im Einstiegs- und Mittelsegment der Uhren tätig ist und ihre Luxusuhrenmarken in den letzten Jahren kontinuierlich Marktanteile verloren haben." Weiter sei die Gruppe im Vergleich zu anderen Marktteilnehmern stärker in China beziehungsweise bei chinesischen Konsumenten engagiert.  

Insgesamt fiel der Umsatz der Swatch Gruppe im ersten Halbjahr um 14 Prozent, der Betriebsgewinn sackte gar um 71 Prozent ab. Auf lange Frist bleibt der Konzern jedoch optimistisch und hielt sich mit einschneidenden Massnahmen zurück. "Wir haben keine Stellen abgebaut und auch nicht Kurzarbeit eingeführt", so Hayek.

Rosig läufts bei Swatch jedoch seit längerem nicht. Anfang des Jahres kam Kritik aus den Investorenreihen zur "ziemlich schrecklichen" langfristigen Erfolgsbilanz und einem "wachsenden Missverständnis". 

Darauf folgten enttäuschende Halbjahreszahlen, welche die Aktien, die am heutigen Donnerstag auf einem neuen 15-Jahres-Tief notieren, noch weiter in den Keller schubsten.  Hinzu kommen anhaltende strukturelle Herausforderungen wie Überkapazitäten in der Produktion und hohe Lagerbestände. Bereits im Juli erklärte Vontobel-Analyst Bertschy, seiner Meinung nach sei nicht das schwierige Umfeld in China der Hauptgrund für die Probleme von Swatch, sondern eine gefährliche Strategie, weiterhin auf hohem Niveau zu produzieren, in der Hoffnung, dass sich das Umsatzwachstum erhole.

Richemont behauptet sich dank zusätzlichem Standbein

Im Gegensatz zum Konkurrenten Swatch, legte Richemont Mitte Juli erfreulichere Zahlen vor und konnte die Verkäufe im neu angelaufenen Geschäftsjahr gar um 1 Prozent steigern.

Im chinesischen Markt musste aber auch Richemont gegenüber den sehr hohen Vorjahreswerten einen Rückgang von 27 Prozent verbuchen. Das stärkste Wachstum wiederum erzielte Richemont in Japan (+59 Prozent). Hier hätten sich die wachsenden Umsätze mit Touristen positiv auf das Geschäft ausgewirkt, hiess es. Den Umsatzrückgang der spezialisierten Uhrenmarken konnte durch die immer noch wachsenden Schmuckmarken Cartier und Van Cleef & Arpels überkompensiert werden.

Vorerst keine Besserung in Sicht

Zweifel an der Widerstandsfähigkeit des Marktes für Luxusgüter werden immer lauter. Schwendimann sagt: "Der Luxusgütermarkt befindet sich aktuell in einer Katerstimmung nach einer starken Wachstumsphase. Allerdings gibt es innerhalb der Industrie grosse Unterschiede, wie ich sie vom Ausmass her in den vergangenen 30 Jahren noch nie erlebt habe."

Dem stimmt auch Vontobel-Experte Bertschy zu: "Ich würde bei der Widerstandsfähigkeit lieber über Marken als über den Sektor insgesamt sprechen. Starke Marken werden begehrt, dadurch können sie höhere Preise verlangen, was wiederum zu mehr Wachstum führt, das die Marke noch stärker macht: Es handelt sich um einen Tugendkreis"

Bei Swatch ist eher von einem Teufelskreis zu sprechen, auch wenn Swatch-CEO Hayek den Fokus auf andere Teile der Welt legt. "In Japan, den USA, Südkorea, Dubai oder in gewissen europäischen Ländern wie der Schweiz entwickelt sich das Geschäft gut", sagte er nach den Halbjahreszahlen. ZKB-Experte Schwendimann rät da allerdings bei einem Markt zur Vorsicht: "Der amerikanische Luxusgütermarkt verzeichnete in den vergangenen Jahren einen unglaublichen Boom, davon konnte auch die Schweizer Uhrenindustrie profitieren. Ich kann mir jedoch nicht vorstellen, dass dies noch mehrere Jahre so weitergeht. Im US-Markt haben die Risiken zugenommen, dass es auch hier zu einem vorübergehenden Luxusgüterkater kommen könnte."

Bertschy sagt: "Es handelt sich um eine sehr schwierige Situation. Der Markt wird sehr herausfordernd bleiben, wir erwarten jedoch eine allmähliche Verbesserung in den kommenden Monaten." Auch Schwendimann blickt optimistischer in die Zukunft, allerdings mit einem entfernteren Horizont: "Ich würde China keineswegs abschreiben. Die chinesischen Luxusgüterkonsumenten werden wieder zurückkommen. Die jüngste Entwicklung hat jedoch gezeigt, dass dies kaum bereits in den nächsten Monaten der Fall sein wird."