Der Goldpreis ist seit Anfang Jahr einen neuen Rekord noch dem anderen erzielt. Aktuell handelt das gelbe Edelmetall bei 2335 Dollar pro Unze, was trotz dem Rücksetzer vom Montag einem Kursplus von 13 Prozent seit Jahresbeginn entspricht. Doch im Schatten des «grossen Bruders» hat das Gold des armen Mannes, Silber, ebenfalls ein Siegeszug hingelegt: Plus 15 Prozent in diesem Jahr auf 27,33 Dollar pro Unze. Dabei reagiert der Silberpreis oftmals mit einer gewissen, zeitlichen Verzögerung auf die Entwicklung des Goldpreises. 

Massgeblich für die Goldnachfrage sind neben der Schmuckindustrie vor allem auch Zentralbanken in Asien sowie indische und chinesischen Privatinvestoren. Silber hingegen wird auch von der Industrie global nachgefragt, was es vom konjunkturellen Auf und Ab abhängiger macht. Der Markt für das Edelmetall Silber ist deutlich kleiner und es gibt erheblich grössere Preisschwankungen als bei Gold.

«Grundsätzlich waren wir sehr positiv für Gold, somit musste auch Silber steigen. Bei Silber ergab sich aber die weitere Möglichkeit einer massiv höheren Nachfrage durch die Solar-Industrie», sagt Hans Peter Schmidlin, Rohstoff-Analyst und Investment Advisor der Basler Kantonalbank und der Bank Cler, gegenüber cash.ch.

Grosse Importe aus China

Die chinesische Zentralbank (PBoC) hat grosse Mengen an Gold und Silber importiert. Einerseits möchte sie ihr Vermögen im Ausland in Gold umwandeln, da Sanktionen gegen Russland und die Beschlagnahmung russischer Vermögenswerte im Westen dazu führen, dass viele Zentralbanken ihren Goldbestand erhöhen. Im Falle von Silber besteht die zusätzliche Nachfrage unter anderem in der chinesischen Solarindustrie, die stark wächst und die Welt mit günstigen Solarpaneelen überschwemmt. Dies erfordert grosse Mengen an physischem Silber.

Die chinesische Zentralbank importiert auch grosse Mengen an Gold und Silber für die chinesischen Konsumenten und die Bevölkerung. Nachdem sie aufgrund des Absturzes der chinesischen Börse und des Immobilienmarktes viel Geld verloren haben, suchen chinesische Investoren ihr Glück in Gold und Silber - was in ihrer Kultur eine viel grössere Bedeutung hat als im Westen. «Auch Indien hat in letzter Zeit massiv mehr Silber importiert - aus ähnlichen Gründen wie China», erklärt Schmidlin.

Exemplarisch sieht man diese Entwicklung an der Börse in Shanghai. Dort werden der Gold- und Silberpreis höher gehandelt als in unseren Längengraden - eine Arbitrage ist wegen der Kapitalkontrolle nicht möglich. Bei Gold beträgt der Aufschlag 2 bis 3 Prozent, bei Silber sogar mehr als 10 Prozent.

China und Indien sind die beiden bevölkerungsreichsten Länder der Welt und verzeichnen ein starkes Wachstum der Mittelschicht. Aufgrund dessen geht Schmidlin davon aus, dass die Nachfrage nach Gold und Silber nicht nur vorübergehend ist und in absehbarer Zeit nicht nachlassen wird. Hinzu kommt, dass westliche Investoren in den letzten Monaten ihre Bestände an Gold und Silber massiv reduziert haben und die höheren Preise als Gelegenheit zum Verkauf genutzt haben. Die Folge davon ist jedoch, dass sie nun in geringerem Masse investiert sind und wahrscheinlich ihr Engagement wieder erhöhen möchten, möglicherweise auf einem höheren Preisniveau.

Investment in ETF und Aktien

Silber wird voraussichtlich weiterhin im Vorteil bleiben, da es gegenüber Gold in der Regel eine überdurchschnittliche Performance erzielt. Die geopolitische Entwicklung, die Nachfrage der Solarindustrie nach Silber sowie die Nachfrage der chinesischen und indischen Konsumenten und Investoren dürften anhalten.

Eine Möglichkeit für die Silberanlage bieten börsengehandelte Fonds, die den Preisverlauf des Metalls nachbilden. Ein Beispiel hierfür ist der «UBS ETF (CH) Silver (USD) A-dis» (Exchange Traded Fund). Dieser hat seit Jahresbeginn 27 Prozent zugelegt, bei einer Gesamtkostenquote von 0,45 Prozent. Günstiger ist das "iShares Physical Silver ETC" (Exchange Traded Commodities) mit einer Gesamtkostenquote von 0,2 Prozent.

Eine andere Möglichkeit für Anleger, an der Preisentwicklung des Metalls zu partizipieren, bieten Aktien von Förderunternehmen. Der weltgrösste Silberproduzent Pan American Silver - jährliche Produktionsmenge von ungefähr 20 Millionen Unzen - hat seinen Sitz in Kanada und Bergbauaktivitäten in Lateinamerika. Die Aktie hat seit Jahresbeginn 20 Prozent angezogen. Als Nebenprodukte fördert das Unternehmen Gold, Zink, Blei und Kupfer. Die von Bloomberg befragten Analysten sehen den Titel im Schnitt auf Jahressicht 14 Prozent höher, wobei das vorausschauende Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) mit 50 relativ hoch erscheint.

Interessant sind auch MAG Silver oder Wheaton Precious Metals. Das von den Analysten zugeschriebene Aufwärtspotenzial beträgt 17 respektive 10 Prozent. Die Bewertung erscheint gegenüber Pan American Silver mit einem vorausschauenden KGV von 24 insbesondere für MAG Silver zu sprechen, das ein aufstrebender kanadischer Silberproduzent ist, der in Nord- und Südamerika über mehrere aussichtsreiche Silberprojekte verfügt. Das aktuelle Hauptprojekt des Unternehmens ist die mexikanische Juanicipio-Mine, die gemeinsam mit Fresnillo entwickelt wird. Das Projekt, an dem MAG Silver mit 44 Prozent beteiligt ist, befindet sich im sogenannten Fresnillo Silver Gürtel in Mexiko, dem weltweit grössten Silberbergbaugebiet. 

Ausgedehnte Konsolidierung möglich

Silber hat gegenüber Gold bei steigenden Kursen Vorteile, bei fallenden Kursen Nachteile. Daher ist es wichtig, taktisch klug vorzugehen. Wenn die Nachfrage aus der chinesischen Solarindustrie sowie von chinesischen und indischen Konsumenten und Investoren plötzlich nachlässt, sollte man wohl das Investment wieder reduzieren. Dies ist aber eher ein unwahrscheinliches Szenario: «Sollte sich die geopolitische Situation weiter verschärfen, dürfte die Nachfrage eher noch zunehmen. Nach der sehr starken Performance ist aber auch immer mit einer etwas ausgedehnteren Konsolidierung zu rechnen», so Schmidlin.
 
Anleger fragen sich auch, ob neben Silber auch Platin und Palladium als Edelmetall-Investments in Frage kommen. Auch diese reagieren meist - auch oft mit Verzögerung - auf einen steigenden Goldpreis. Bei ihnen könnte die Nachfrage auch wieder zunehmen, da der Verkauf von Elektroautos enttäuschend verläuft und die Verbote fossiler Autos zunehmend kritisiert werden. Sollte die Nachfrage nach fossil betriebenen Autos wieder zunehmen - was man nicht erwarten sollte -, würde dies auch für Katalysatoren der Fall sein. Der sogenannte Kat war bisher für rund 60 bis 80  Prozent der Nachfrage von Platin und Palladium verantwortlich.

ManuelBoeck
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