Der Goldpreis hat am Dienstag kurz vor Handelsschluss in New York auf einem neuen Rekordniveau von 2842 Dollar geschlossen, nachdem das gelbe Edelmetall gemessen an einer Feinunze zwischenzeitlich gar auf neues Allzeithoch von 2845 Dollar vorgestossen ist. 

Nach der Konsolidierungsphase im Dezember wurde die jüngste Rally durch die Angst vor einem Handelskrieg unter US-Präsident Donald Trump befeuert. Händler sahen sich dazu veranlasst, riesige Mengen des Edelmetalls physisch nach Amerika zu liefern, bevor dort etwaige Zölle in Kraft treten könnten. Das «Chaos» führte auch zu einem Anstieg der Leasingraten für Gold und Silber - der Rendite, die Besitzer von Metallen in Londoner Tresoren erzielen können, indem sie es kurzfristig verleihen. Dies berichtete die Nachrichtenagentur Bloomberg.

Hartnäckig hält sich die Unsicherheit in den Köpfen der Anlegerinnen und Anleger, wonach die US-Zinsen wegen möglicher Zölle und einer somit abermals anziehenden Teuerung wieder in die Höhe klettern. Alternativen wie Gold sind als Anlageinstrument als Absicherung entsprechend gefragt.

Insofern ist der rasante Preisanstiegs der letzten fünf Handelstage nicht nur der Nachfrage nach physischem Gold durch die Zentralbanken geschuldet. Ein Blick in die Käuferstatistik zeigt Rekordkäufe durch die Zentralbanken, welche im abgelaufenen Jahr mehr als 1000 Tonnen neues Gold in die Tresore gelegt haben, wie Juan Carlos Artigas, Leiter globales Research bei beim World Gold Council (WGC) im Gespräch mit cash.ch erläutert. 

Nachfrage der Zentralbanken ist breit diversifiziert

Eines der wichtigsten Erkenntnisse aus dem am Mittwoch freigegebenen Jahresausblick des World Gold Council ist die Vielzahl von Zentralbanken, welche als Käufer auftritt. «Die Zentralbanken sind seit 15 Jahren auf Nettobasis Käufer am Goldmarkt. Besonders hervorzuheben sind in diesem Jahr die Zentralbank von Polen, der Türkei oder Indien. Aber auch China hat nach einer Pause wieder Käufe getätigt.. Andere Länder wie die tschechische Republik, Irak oder Ungarn meldeten in den letzten Monaten ebenfalls einen Anstieg der Goldbestände», so der Experte des WGC.

Verschiedene Marktteilnehmer vermelden zudem ein steigendes Interesse an direkten Goldinvestitionen durch Anlegerinnen und Anleger. Dies betrifft einerseits Direktanlagen, die vor allem in China und Indien eine deutlich steigende Tendenz aufweisen. Ebenso fliessen wieder mehr Gelder in Gold-ETFs, welche noch 2023 deutliche Abflüsse hinnehmen mussten.

Claudio Wewel, Währungsstratege bei der Bank J. Safra Sarasin in Zürich, erklärte auf Anfrage von cash.ch: «Wir führen die herausragende Performance von Gold auf die erhöhten Käufe der Zentralbanken der Schwellenländer und die starke physische Nachfrage chinesischer Anleger zurück. Im Gegensatz zum November gab es im Dezember und in den ersten Januarwochen trotz steigender Realrenditen und eines starken US-Dollars wieder Netto-Zuflüsse in Gold-ETFs.»

Der Stratege von J. Safra Sarasin ist dabei besonders optimistisch für den weiteren Preisverlauf. Er sieht den Goldpreis bis Ende Jahr auf 3000 Dollar steigen. Etwas zurückhaltender zeigt sich die UBS, welche einen Preis von 2850 Dollar sieht. Die Schweizer Grossbank begründet das mit einer möglicherweise gedämpften Goldnachfrage der ETFs, falls die amerikanische Fed im Jahr 2025 nur zwei Zinssenkungen vornimmt. Das würde die erwarteten weiteren Preissteigerungen bei Edelmetallen verringern.

Auf der anderen Seite sieht die UBS das Rückschlagrisiko als eher gering an. «Wir stellen fest, dass die Goldpreise in den letzten Jahren trotz eines starken Dollars und höherer US-Zinsen stark gestiegen sind – teilweise aufgrund der Diversifizierung der Reserven der Zentralbanken und teilweise aufgrund der Nachfrage der Anleger nach Absicherungen. Wir glauben, dass sich diese Trends fortsetzen werden, da politische und geopolitische Unsicherheiten bestehen bleiben. Das unterstützt die anhaltend starke Nachfrage nach Gold.»

Generell ist die geopolitische Fragmentierung günstig für Gold, während die allmähliche Schwächung des Dollars zusätzlichen Rückenwind bieten sollte, meint Wewel von J. Safra Sarasin weiter. Angesichts der Schwäche des chinesischen Immobilienmarktes und des Mangels an inländischen Investitionsalternativen erwartet der Experte, dass die chinesische Verbrauchernachfrage strukturell höher sein wird als in der Vergangenheit. «Die Käufe der Zentralbanken der Schwellenländer haben seit 2022 zugenommen, und wir gehen davon aus, dass sich dieser strukturelle Trend fortsetzt.» Er setzt deshalb längerfristig ein Kursziel von 3100 Dollar per Ende 2026. 

Solange die Unsicherheit über allfällige US-Zölle den Markt belastet, weil dadurch primär in den USA höhere Inflationsraten befürchtet werden, dürfte der Goldpreis kaum merklich nachgeben. Das hat sich bereits in den letzten Wochen und Monaten eindrücklich gezeigt, als Kursrücksetzer nur kurzfristiger Natur waren. 

Risiken sollten nicht ausgeblendet werden

So positiv die Argumente für eine weitere Fortsetzung der Goldhausse sind, einige Risiken gilt es trotzdem zu beachten. Bleibt die US-Wirtschaft stark und etablieren sich die US-Inflationsraten auf höheren Niveaus, so könnten die daraus resultierenden höheren Zinsen und Renditen auf festverzinslichen Anlagen in den USA den «Goldbugs» einen Strich durch die Rechnung machen. Grundsätzlich gilt: Je höher die Zinsen bei nicht überbordender Inflation, desto geringer ist die Nachfrage nach dem gelben Edelmetall. 

Ein zweites Argument gegen einen weiteren Goldpreisanstieg wäre ein mögliches Ende des Ukraine-Krieges. Russland ist einer der grössten Goldproduzenten überhaupt. Derzeit ist das Land mit Sanktionen belegt. Sollte Russland im Zuge eines Endes im Ukraine-Krieg wieder Gold exportieren können, so dürfte dies für ein steigendes Angebot sorgen, welches die Käufer absorbieren müssen, damit der Preis nicht wegen eines Überangebots sinkt. 

Artigas vom World Gold Council meint dazu, dass dies möglicherweise keinen wesentlichen Einfluss auf die Nachfrage- und die Angebotsseite haben wird. In die Modelle des WGC fliessen eine Vielzahl von Daten hinein - zum Goldkonsum insbesondere beim Schmuck, die Zentralbankennachfrage, Anlegernachfrage, die Minenproduktion und das Goldrecycling. «Die Goldproduktion ist geografisch sehr vielfältig. Anders als bei einigen Rohstoffen, die in einigen Regionen stark konzentriert sind und daher auch Angebotsschwankungen unterliegen können, ist das bei Gold nicht unbedingt der Fall.»

Russland ist insgesamt für rund 9 Prozent der weltweiten Produktion verantwortlich. «Das tönt zwar nach viel, ist aber nur eine der Komponenten in einem viel grösseren Ökosystem. Wichtiger ist zum Beispiel das Recycling, welches zwischen 25 Prozent und 40 Prozent des weltweiten Angebots auf dem Markt ausmacht. Die russische Zentralbank kauft seit vielen Jahre lokales Gold. Und wenn die Exporte in Russland wieder anlaufen, wird es auf dem Markt wahrscheinlich genügend Käufer geben, um diese Produktion aufnehmen zu können.»

Thomas Daniel Marti
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