Der Goldpreis hat schwierige Tage hinter sich. Nachdem er vor dem Pfingstwochenende mit 2425 Dollar ein Hoch erreicht hatte, sank er danach bis vier Prozent auf unter 2330 Dollar. Die Inflationszahlen aus den USA bestärkten die Erwartung der Anleger, die US-Notenbank Fed werde die Zinsen doch noch längere Zeit unverändert lassen. Gegenwind erfährt das gelbe Edelmetall zudem von den höheren Renditen auf Staatsanleihen.

Wie sieht die weitere Preisentwicklung aus? «Wir gehen momentan von einer Konsolidierung beim Goldpreis aus. Mit grösseren Rückschlägen rechnen wir allerdings nicht, da die unterliegende Goldnachfrage sehr stark ist und beispielsweise Notenbanken Rücksetzer für mehr Zukäufe nützen werden», sagt Elias Hafner, Investment-Stratege bei der Zürcher Kantonalbank (ZKB), auf Anfrage von cash.ch. 

Typische Preistreiber haben gefehlt

In den letzten Monaten wurde der Markt nicht so stark wie üblich von den typischen Preistreibern wie den US-Realzinsen, dem US-Dollar oder den Kapitalflüssen bei börsengehandelten Goldfonds beeinflusst - was historisch betrachtet eher ungewöhnlich ist. Der Goldpreis ist dieses Jahr um 13 Prozent gestiegen, was auf Käufe von Zentralbanken, eine starke Nachfrage in Asien sowie die Konflikte in der Ukraine und im Nahen Osten zurückzuführen ist: Gold gilt in Krisenzeiten als sicherer Hafen.

Besonders Indien unterstützt den Goldpreis, und zwar nicht nur aufgrund der Hochzeitssaison, in der Goldschmuck traditionell als beliebtes Geschenk gilt, sondern auch wegen der Goldkäufe der indischen Zentralbank. Auch bei Privatpersonen aus China besteht weiterhin ein hohes Interesse an Gold. Trotz des Preisanstiegs auf dem globalen Goldmarkt wird am chinesischen Markt weiterhin ein Aufschlag gezahlt.

Im Gegensatz dazu ziehen sich westliche Anleger weiterhin vom Goldmarkt zurück. Dies ist hauptsächlich auf das hohe Zinsniveau zurückzuführen, das Anlegern die Möglichkeit bietet, ihren Bedarf nach sicheren Anlagehäfen durch Anleihen von bonitätsstarken Emittenten zu decken. Diese Einschätzung erklärt die Verkäufe physisch hinterlegter, hauptsächlich in den USA und Europa gelisteter Goldprodukte in den vergangenen Monaten.

«Generell hat sich der Fokus des Marktes von der westlichen Nachfrage in Richtung Osten beziehungsweise den Schwellenländern verschoben», sagt Hafner. Die Schwellenländer-Notenbanken kaufen weiterhin Gold, auch wenn das Tempo bei den offiziell ausgewiesenen Goldkäufen etwas abgenommen hat. Darüber hinaus fungiert Gold weiterhin als sicherer Hafen zur Absicherung gegen geopolitische Risiken.

Ausblick bleibt positiv

Die Frage stellt sich, ob die Gold-Rallye ein zumindest vorläufiges Ende nimmt. Einige Marktbeobachter sind noch immer optimistisch. Die UBS etwa hat ihren Goldausblick zum Jahresende um vier Prozent auf 2600 Dollar pro Unze angehoben.

Es wird erwartet, dass die Zinsen sinken werden, was zu Zuflüssen in börsengehandelte Fonds führen würde. Diese sind mit Goldbarren hinterlegt. Die Analysten Wayne Gordon und Giovanni Staunovo empfehlen Anlegern, bei Kursrückgängen auf 2300 Dollar zu kaufen, da die jüngsten Rückschläge «relativ kurzlebig» gewesen seien. 

«Wir glauben, dass künftig die klassischen Preistreiber von Gold wieder eine gewichtigere Rolle spielen werden», sagt Elias Hafner von der ZKB. Zinssenkungen im späteren Jahresverlauf könnten auch zu einer Umkehr bei den Privatinvestoren in Nordamerika und Europa und zu neuerlichen Zuflüssen bei den börsengehandelten Goldfonds führen. Dies würde die Goldnachfrage auf eine noch breitere Basis stellen.

Spannend wird sein, inwiefern die geldpolitischen Schritte der Fed den weiteren Kursverlauf im Jahr 2024 bestimmen. «Wir glauben, dass künftig die klassischen Preistreiber von Gold wieder eine gewichtigere Rolle spielen werden», sagt Elias Hafner von der ZKB.

Zinssenkungen im späteren Jahresverlauf könnten auch zu einer Umkehr bei den Privatinvestoren in Nordamerika und Europa und zu neuerlichen Zuflüssen bei den börsengehandelten Goldfonds führen. Dies würde die Goldnachfrage auf eine noch breitere Basis stellen.

Hohe Zahlungsbereitschaft in Asien

«Es könnte aber sein, dass tiefere Zinsen die westlichen Anleger wieder zurück in den Markt locken, was den Preisen dann erneuten oder weiteren Auftrieb verleihen könnte», argumentiert auch Carsten Menke, Edelmetallexperte bei der Bank Julius Bär, gegenüber cash.ch. Das Ausmass dieser Rückkehr sollte in erster Linie vom Tempo der Zinssenkungen bestimmt werden. Hier rechnet Menke aber nicht mit grossen Schritten, es sei denn, die USA gleiten in eine aktuell nicht erwartete Rezession ab.

Die Bank Julius Bär hat ihre Einschätzung zum Gold kürzlich auf «konstruktiv» angepasst, nachdem diese lange «vorsichtig» war. «Einhergehend damit haben wir unsere Preisziele auf 2450 und 2550 Dollar in drei und zwölf Monaten angepasst. Demzufolge erscheinen Gewinnmitnahmen auf breiter Basis aktuell nicht ratsam», sagt Menke.

Es gibt handfeste Argumente für diese positive Haltung: In den letzten zwei Jahren entfallen mindestens 30 Prozent bis 50 Prozent aller Notenbankkäufe von Gold auf die chinesische Zentralbank, was ihren Wunsch spiegelt, weniger abhängig vom Dollar und im Extremfall weniger anfällig auf Sanktionen zu sein. Obwohl die chinesische Zentralbank preissensibel zu sein scheint, hat ihre Zahlungsbereitschaft bei steigenden Preisen zugenommen, was auf anhaltende Käufe hindeutet.

Es ist aber nicht nur die Nachfrage als solche, sondern auch die Zahlungsbereitschaft, die den Goldpreis bestimmt. «So scheint es, als wäre die Zahlungsbereitschaft asiatischer Anleger, Zentralbanker und Spekulanten deutlich höher als das, was wir bislang angenommen haben», erklärt Menke. Hier schlägt sich letztlich der Wunsch nieder, sich gegen wirtschaftliche und geopolitische Risiken abzusichern. Dies gilt insbesondere für Zentralbanken mit ihren massiven Währungsreserven.

ManuelBoeck
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