Noch vor Weihnachten hatte der Bundesrat zum Abschluss der Verhandlungen zwischen der Schweiz und der EU über ein neues Vertragspaket informiert. Das Ergebnis fällt bei Pierre-Yves Maillard, dem Präsidenten des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes (SGB), durch. Der Bundesrat habe den Lohnschutz hingegeben, sagt er in einem Interview mit dem «Blick», und führt aus: «Wir können doch nicht ein Paket vors Volk bringen, das den Schutz der Schweizer Löhne opfert.»

Gegenüber heute befürchtet Maillard in vier Bereichen eine Verschlechterung für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Die Voranmeldefrist werde von acht auf vier Tage verkürzt, die Kautionspflicht praktisch abgeschafft. Ebenso betroffen sei die Dienstleistungssperre für Firmen, die gegen das Entsendegesetz verstossen. Als besonders schwerwiegend erachtet der SGB-Präsident das Verhandlungsergebnis zur Spesenregelung. Dabei geht es darum, wie hoch die Spesen für entsandte Arbeitnehmer in der Schweiz sein sollen. 

Laut Maillard könnte es so weit kommen, dass aus dem EU-Raum entsandte Arbeitskräfte billiger als Schweizer Arbeitskräfte sind, weil sie weniger Spesen erhalten. «Das würde auch den Druck auf die heimischen Löhne erhöhen – und für das einheimische Gewerbe zum Problem werden.» Es müsse folglich sichergestellt werden, dass Spesen nach dem Ortsprinzip bezahlt werden.

Maillard ist ein politisches Schwergewicht in Bundesbern. Neben seiner Funktion als Gewerkschaftspräsident ist er SP-Ständerat des Kantons Waadt. Zu seinen jüngsten Erfolgen zählt das Ja von Volk und Ständen zur 13. AHV-Rente im Frühjahr 2024. Nun will er für seine Klientel das Beste aus dem EU-Deal herausholen. Dabei könnte es zu einer sogenannt unheiligen Allianz kommen. Denn der Widerstand gegen die frisch ausgehandelten EU-Verträge kommt nicht nur von den Gewerkschaften, sondern auch von der SVP. Die Partei aus dem rechtsbürgerlichen Lager hat allerdings eine andere Agenda. Sie befürchtet einen Souveränitätsverlust der Schweiz.

Wenn sowohl die Gewerkschaften als auch die SVP ihren Widerstand aufrecht erhalten, so könnten SVP-Vater Christoph Blocher und Pierre-Yves Maillard gegen das EU-Vertragspaket antreten - aus unterschiedlichen Motiven allerdings. «Blochers Opposition ist institutionell begründet, unsere materiell. Wir werden nicht die gleiche Kampagne machen», stellt Maillard klar.

Blocher fährt spätestens seit der Abstimmung über den Beitritt zum Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) - sie fand 1992 statt - einen harten europapolitischen Kurs. In einer Äusserung von Anfang Dezember zu den aktuellen Abkommen sagte der alt Bundesrat, es handle sich um einen Vertragsschluss, mit dem man einen Schritt weg von der Demokratie mache. Man müsse das Paket ablehnen.

Das Vertragspaket zwischen der Schweiz und der EU ist Stand heute materiell ausgehandelt, aber noch nicht ratifiziert. Eine Volksabstimmung dürfte erst 2027 oder 2028 stattfinden. Zuvor laufen innenpolitische Diskussionen, auch zum Thema Lohnschutz, sowie die parlamentarische Beratung.

(cash)