Herr Hirt, die Investoren haben europäische Aktien wiederentdeckt. Wie nachhaltig ist der Trend?

Der Markt war in Europa extrem untergewichtet und wurde fast dazu gezwungen, das auszugleichen. Die Rotation von den USA nach Europa wird anhalten. Profianleger haben zum Teil bereits umgeschichtet, aber Privatanleger sind noch so gut wie nicht in Europa investiert. Die Bewertungen sind zwar etwas gestiegen, sind aber im Vergleich zu den USA noch sehr tief. Die Nachfrage nach europäischen Aktien könnte auch aus Asien steigen. Grosse Investoren aus Südostasien haben die Eurokrise nicht vergessen. Nun sehen sie, dass Europa wieder zusammenrückt.

Wie wichtig ist das deutsche Konjunkturpaket?

Die Fiskalpolitik ist ein wesentlicher Treiber. Friedrich Merz ist ein schlauer Fuchs. Er hat sich gegen die vorherrschenden Regeln gestellt und das Investitionspaket durchgeboxt. Aber das ist genau das, was Deutschland und ganz Europa gebraucht haben. Die Massnahmen in der Bundesrepublik werden auch in Ländern wie Frankreich und Italien zu verstärkten Investitionen führen.

Europäische Aktien waren auch wegen der Hoffnung auf einen Frieden in der Ukraine gefragt. Was ist, wenn es dort zu keiner Lösung kommt?

Die Börse hat keinen Frieden eingepreist, sondern eine Stabilisierung. Die wäre für die Aktienmärkte und den Beginn des Wiederaufbaus aber schon ausreichend.

In Übersee sorgt die Politik hingegen für Gegenwind. Ist Donald Trump für den Aktienmarkt inzwischen eine Belastung?

Die Administration Trump hat das Umfeld negativ beeinflusst. Die Bekämpfung der Immigration sorgt für ein geringeres Arbeitsangebot und bringt höhere Preise mit sich. Die Zölle haben die Stimmung von Konsumenten und Unternehmen unter Druck gesetzt. Dazu wird eine Oligarchie von Grossunternehmen kreiert, was die Produktivität langfristig senkt.

Im Wahlkampf hat Donald Trump dauernd mit Zöllen gedroht. Warum ist der Markt überrascht?

Der Markt hat immer noch damit gerechnet, das sich der Businessman in Trump durchsetzen würde. Meine Kollegen in den USA sind überrascht, dass Zölle von Trump und seinem Umfeld geradezu als Religion betrachtet werden. Natürlich machen sie ökonomisch überhaupt keinen Sinn. Die Wahrscheinlichkeit von Handelskriegen ist deutlich gewachsen. Und dann war es auch nicht besonders smart, das R-Wort zu verwenden.

Wie gross ist die Rezessionsgefahr in den USA?

Grösser, als der Markt denkt. In unseren Modellen liegt sie nicht bei 10, sondern etwa 25 Prozent. 

Dieser Artikel ist zuerst in der Bilanz erschienen.