Martin Schlegel übernimmt am heutigen Dienstag als neuer Präsident der Schweizerischen Nationalbank (SNB) nicht nur die Verantwortung für die Geldpolitik des Landes aus den Händen seines Vorgängers Thomas Jordan. Im Raum steht auch die Frage, wie die Zentralbank mit dem Zusammenbruch der Credit Suisse und ihrer Übernahme durch den Rivalen UBS umgegangen ist.

Schlegel, bislang SNB-Vizepräsident und ein enger Vertrauter von Jordan, übernimmt das Ruder, während eine nur sehr selten eingesetzte Sonderkommission des Parlaments den Umgang der Schweizer Behörden im Zusammenhang mit dem Kollaps des ehemals zweitgrössten Schweizer Geldhauses untersucht.

Im Juli berichtete die «SonntagsZeitung» gestützt auf Insider, die Parlamentarische Untersuchungskommission (PUK), deren Bericht in den kommenden Wochen erwartet wird, habe im Zusammenhang mit dem Credit-Suisse-Debakel schwere Versäumnisse der Finanzmarktaufsicht (Finma) und der SNB festgestellt.

«Die Schweizer Behörden erwiesen sich als völlig unvorbereitet, um den Zusammenbruch des Unternehmens zu verhindern oder einzudämmen», schrieb Paul Tucker, ein ehemaliger stellvertretender Gouverneur der Bank of England, in einem Ende 2023 veröffentlichten Bericht an das Schweizer Finanzministerium. Die nach einem Vertrauensverlust und massiven Geldabflüssen vor der Zahlungsunfähigkeit stehende Credit Suisse hatte sich im März 2023 in einer von der Regierung orchestrierten Rettungsaktion in die Arme der UBS geflüchtet.

Manche Schweizer Ökonomen und Wirtschaftsführer sind der Ansicht, dass die SNB zu langsam auf die Krise reagierte, zu unflexibel bei der Bereitstellung von Notfallliquidität war und einfach hoffte, dass die Credit Suisse sich selbst retten könne. «Das Unglück der Credit Suisse hat gezeigt, dass die Schweizer Behörden, einschliesslich der SNB, nicht ausreichend auf die sich abzeichnende Krise vorbereitet waren», sagt etwa Yvan Lengwiler, Volkswirtschaftsprofessor an der Universität Basel und Mitglied der Expertengruppe SNB Observatory, die sich immer wieder zu SNB-Belangen äussert.

«Einerseits ist dies ein Anreiz, es in Zukunft besser zu machen. Aber es lässt auch Zweifel aufkommen, wie sich das System verhalten wird, sollte sich die UBS jemals in einer ähnlichen Situation wiederfinden.»

Weiter wie bisher?

SNB-Präsident Jordan und der 48-jährige Schlegel arbeiteten zusammen, um Milliarden Franken an Notfallliquidität bereitzustellen - zuerst, um die Credit Suisse am Leben zu erhalten, und später, um ihre Übernahme durch die UBS zu erleichtern. Jordan machte im Juli die Geschäftsleitung der Credit Suisse für den Zusammenbruch der Bank verantwortlich und erklärte, die Schweizer Behörden hätten durch ihr Vorgehen eine globale Finanzkrise verhindert. Schlegel hat das Handeln der SNB verteidigt, insbesondere gegen Forderungen nach einer Verstaatlichung der Credit Suisse.

Eine der wichtigsten Aufgaben des neuen Notenbankchefs, der im dreiköpfigen SNB-Direktorium bislang für die Stabilität des Bankensektors zuständig war, wird darin bestehen, an der Ausarbeitung von neuen Vorschriften für die Bankenbranche mitzuwirken, einschliesslich der für die grössere UBS geplanten strengeren Eigenkapitalvorschriften. Das letzte Wort haben dann Regierung und Parlament.

«Wir arbeiten eng mit Vertretern der Regierung und der Finma zusammen, um gute Massnahmen zu erarbeiten», sagte Schlegel vergangene Woche zu Reuters. «Es ist sehr wichtig, dass wir lernen, die richtigen Schlüsse zu ziehen und die richtigen Massnahmen zu ergreifen.»

Inflation in Schach gehalten

Während Fragen zur Bankenkontrolle bleiben, hat die SNB Lob dafür erhalten, dass sie die Inflation in Schach gehalten hat. Die Teuerung in der Schweiz gehört zu den niedrigsten unter den grossen Volkswirtschaften - im August waren es 1,1 Prozent. Einer weiter erfolgreichen geldpolitischen Bilanz dürfte das Hauptaugenmerk des neuen Notenbankchefs gelten, auch wenn es schwer werde, in die Fussstapfen von Jordan zu treten, sagt Stefan Gerlach, Chefökonom der Bank EFG International.

Schlegel - Vegetarier, Bassgitarrist und Liebhaber der Kalimba, eines Musikinstruments aus Simbabwe - erscheint etwas unkonventioneller als der oft streng wirkende Jordan. Analysten gehen allerdings davon aus, dass der promovierte Ökonom den geldpolitischen Kurs seines Vorgängers fortführt. Er sei in gewisser Weise immer noch Jordans Praktikant, scherzte Schlegel, der seit 2003 für die SNB arbeitet und als Jordans Schüler gilt, einmal in einem Interview mit einer Zeitung.

«Schlegel ist bei der SNB aufgewachsen, daher erwarte ich keine Veränderungen, jedenfalls nicht am Anfang», sagt Thomas Stucki, Anlagechef der St. Galler Kantonalbank und ehemaliger Leiter der Vermögensverwaltung bei der SNB. Dass sich Schlegel klar von Jordan abgrenze, scheine wenig wahrscheinlich. «Ich denke, die wichtige Frage ist, was gleich bleiben wird», sagte Schlegel zu Reuters auf die Frage, wie sich sein Ansatz von dem seines Vorgängers unterscheiden wird. «Und 'Dasselbe' wird das Mandat und der Fokus auf Preisstabilität sein.» 

(Reuters)