Nach schwierigen Verhandlungen mangels klarer Mehrheitsverhältnisse im Parlament gab der Stabschef von Präsident Emmanuel Macron, Alexis Kohler, am Sonntag die von Mitte-Rechts-Politikern geprägte Ministerriege von Regierungschef Michel Barnier (73) bekannt. Die Personalauswahl gilt als Versuch, sich die Unterstützung unterschiedlicher Parteien bei künftigen Regierungsvorhaben zu sichern.
Aussenminister wird der 41-jährige Jean-Noel Barrot. Er war in der Regierung bisher für europäische Angelegenheiten und davor für Digitales verantwortlich. Der Sohn des früheren EU-Kommissars und französischen Ministers Jacques Barrot gehört der zentristischen Partei MoDem an. Verteidigungsminister Sebastien Lecornu bleibt im Amt.
Das Finanzressort übernimmt der 33-jährige Politikneuling Antoine Armand, der 2022 für Macrons Partei erstmals ins Parlament gewählt wurde. Der Absolvent der renommierten Ecole Nationale d'Administration, die auch Macron besucht hatte, hat in dem Ministerium bereits als hochrangiger Beamter gearbeitet.
Als eine der profiliertesten Figuren im neuen Kabinett gilt Innenminister Bruno Retailleau (63). Der konservative Hardliner war eine treibende Kraft hinter dem Rechtsruck der Republikanischen Partei. Er tritt für eine Verschärfung der Migrationspolitik und ein härteres Vorgehen gegen für den Klimaschutz Demonstrierende ein.
Nach dem Erstarken des rechten Rassemblement National (RN) bei der Europawahl hatte Macron eine Neuwahl der Nationalversammlung ausgerufen. Jedoch verlor seine eigene Partei Ensemble pour la Republique bei der Wahl Anfang Juli die Mehrheit im Parlament. Stärkste Kraft wurde die Neue Volksfront. Macron lehnte es ab, sie mit der Regierungsbildung zu beauftragen, da andere Parteien mit der linken Sammlungsbewegung nicht zusammenarbeiten wollen. Anfang September hatte Macron den konservativen früheren EU-Kommissar Barnier zum Ministerpräsidenten ernannt und mit der Regierungsbildung beauftragt.
Eine Schlüsselfrage ist, ob es Barnier gelingt, im Parlament Macrons politische Agenda umzusetzen oder ob er eigene Akzente setzt. In jedem Fall ist er auf Unterstützung aus anderen Parteien angewiesen. Eine der grössten Herausforderungen wird die Aufstellung eines Haushaltes sein. Nach Angaben des bisherigen Finanzministers Bruno Le Maire sind Haushaltskürzungen von mehreren Milliarden Euro erforderlich. Die Partei RN hat signalisiert, Barnier unter bestimmten Bedingungen zu unterstützen.
«Die zentristische Regierung ist de facto eine Minderheitsregierung», erklärten die Analysten von Eurointelligence. Die Minister müssten sich nicht nur untereinander einigen, sondern seien für ihre Gesetzesvorhaben auch auf Stimmen der Oppositionsparteien angewiesen, denen sie Zugeständnisse machen müssten.
(Reuters)