«Der Schweizer Franken ist immer herausfordernd», schreibt Kamal Sharma, Währungsstratege der Bank of America, in einem aktuellen Bericht. Das Jahr begann mit einem perfekten Sturm aus niedriger Volatilität und geldpolitischen Divergenzen - die Schweizerische Nationalbank (SNB) senkte als erste grosse Zentralbank die Zinsen. «Unser Jahresendziel von 1,00 Franken pro Euro erschien konservativ, als das Paar im Mai seinen Jahres-Höchststand erreichte.»
Kursentwicklung des Währungspaares (EUR/CHF).
Die Erwartungen stiegen, dass die SNB ihre Politik fortsetzen würde. Doch die höhere Inflation in der Schweiz, geopolitische Themen und fallende Renditen drückten den Wechselkurs bis zum Spätsommer wieder in Richtung der Tiefststände.
Mit Blick in die Zukunft sprechen die Normalisierung der Volatilität und die Neubewertung der Endkurse in vielen G10-Ländern für einen schwächeren Franken bis zum Jahresende. Das Risiko der US-Präsidentschaftswahlen ist nun geringer. «Die Politik bleibt jedoch ein Hindernis und erfordert umsichtiges Risikomanagement für Franken-Shorts», so Sharma.
Fundamentaldaten rücken in den Fokus
Für den Franken ist die Situation komplex, vor allem wegen seines Status als sichere Anlage in den G10-Staaten. Die steigende Devisenvolatilität war beispielsweise in diesem Jahr entscheidend, da sie den volumenbereinigten Carry beeinflusste, der 2024 das dominierende Handelsthema war. Diese Volatilität wurde durch Geopolitik, die französischen Präsidentschaftswahlen und die Jackson-Hole-Rallye bei US-Anleihen verstärkt.
So ereignete sich der diesjährige stärkste Anstieg des Frankens während der politischen Krise in Frankreich im Juni. Diese Reaktion auf geopolitische Krisen zeigt die anhaltende Rolle des Frankens als sichere Anlage. Obwohl der Franken seit September bemerkenswert stabil ist, bleibt er eine starke Risikoabsicherung gegenüber globalen Themen.
«Die makroökonomischen Argumente für eine erneute Franken-Schwäche sind vorhanden», sagt Sharma. Die Risiken der US-Wahlen sind nun abgebaut, und die Märkte richten ihren Fokus wieder auf Fundamentaldaten. «Die erhöhte Devisenvolatilität hat die Schweizer Zinsspannen und die Devisenperformance auseinandergetrieben.» Diese Divergenz wurde durch die US-Wahl verursacht, die den Franken stützte – es gibt jedoch wenig Grund, warum der Franken diese Niveaus bis Jahresende halten sollte.
Die Bank of America erwartet, dass die Franken-Performance bis Jahresende ähnlich verlaufen könnte wie zu Jahresbeginn. Mietbedingte Preissteigerungen haben sich als unbegründet erwiesen, da die Franken-Aufwertung die Inflation auf das Niveau von 2021 zurückgedrängt hat. «Die SNB kann die Zinsen weiter senken und den von uns erwarteten Endsatz von 50 Basispunkten erreichen», so Sharma.
Geopolitik bleibt zentral für Franken-Entwicklung
Michael Strobaek, globaler Anlagechef von Lombard Odier, sieht die Situation anders: «Der Schweizer Franken wird stark bleiben, da bin ich mir sicher», hat er im cash-Interview von letzter Woche gesagt. Seit der grossen Finanzkrise von 2009 ist der Handelsbilanzüberschuss der Schweiz gestiegen und die Kapitalabflüsse des privaten Sektors sind zurückgegangen, was zu einem natürlichen Aufwärtstrend des Frankens geführt hat. Strobaek erwartet, dass die Zinssenkungen der Schweizerischen Nationalbank (SNB) daran nichts ändern werden.
«Eine Rückkehr zu umfangreichen Franken-Verkäufen durch die Zentralbank könnte unsere Haltung ändern, scheint aber angesichts der bereits sehr umfangreichen SNB-Bilanz – über 100 Prozent des BIP – unwahrscheinlich zu sein. Wir erwarten eine Aufwertung des Schweizer Frankens und einen Rückgang des Eurokurses in Richtung 0,90 Franken», so das Fazit von Strobaek.
Ein stabiles geopolitisches Umfeld, insbesondere in der Nähe der Schweiz, bleibt entscheidend. Dieses Jahr zeigte die Herausforderungen einer strukturellen Short-Position im Franken. Die US-Grossbank behielt grösstenteils eine bullische Eurokurs-Position bei, da makroökonomische Daten und Bewertungen auf eine mittelfristige Franken-Schwäche hindeuten. Entwicklungen in Europa bleiben jedoch eine Achillesferse dieser Einschätzung.
«Der Eurokurs eignet sich gut für Geschäfte mit potenziell schnell ansteigender Volatilität», so die Bank of America. Angesichts der politischen Unsicherheiten in Deutschland und der für Januar geplanten Vertrauensabstimmung könnte der Euro wieder unter Druck geraten, ähnlich wie im Juni. Eine vorsichtige Absicherung ist ratsam. Für andere Währungspaare, wie den Dollarkurs, gibt es laut Bank of America stärkere Argumente für Franken-Short-Positionen.
Kursentwicklung des Währungspaares (USD/CHF).