cash.ch: Wie schätzen Sie die derzeitige Marktlage nach den US-Wahlen und Donald Trumps Erfolg ein? Nimmt die Unsicherheit nun ab?
Paul Merle: Mit Trump ist es immer instabil und ungewiss. Und das ist etwas, was der Markt nicht mag. Seit der Wahl sind die Börsen an einem Tag gestiegen, am anderen gefallen. Es gibt viel Lärm um die potenziellen Auswirkungen der Trump-Politik, die Deregulierung, die niedrigeren Steuern, oder zum Beispiel beim Klima. Wir wissen nicht, was er als erstes angehen wird. Die Ankündigungen seiner Team-Zusammensetzung sind jedoch ziemlich überraschend.
Normalerweise präsentieren sich die US-Aktienmärkte im Jahr nach den Präsidentschaftswahlen gut. Glauben Sie, dass dies auch dieses Mal der Fall sein wird?
Wenn man sich die USA anschaut, sollte das zutreffen, insbesondere weil die Zinssätze sinken. Wie ich schon sagte, ist Trump für Deregulierung und niedrigere Steuern.
Und in Europa?
Das ist weniger vorhersehbar. Wir denken jedoch, dass Trump nicht günstig für die europäische Wirtschaft ist. Denn es herrscht grosse Unsicherheit über die Zölle in Bezug auf China, aber auch auf Europa. Während seiner ersten Amtszeit hat er viele Entscheidungen getroffen, wie gegen französische Spirituosen wegen dieses Handelskriegs.
Im Gegensatz zu Trump legen Sie ihren Fokus auf Nachhaltigkeit - ein Risiko?
Ich verwalte Impact-Fonds, wovon einige in Klima- und Biodiversitätsfragen investiert sind. Was diese Themen angeht, sind wir ziemlich pessimistisch, was die Trump-Politik angeht. Dennoch muss man beachten, dass es in den USA nicht nur die Bundespolitik gibt, sondern auch diejenige der einzelnen Bundesstaaten. Oftmals resultiert ein grosser Unterschied. Was beispielsweise den Ausbau der erneuerbaren Energien betrifft, so sind viele republikanische Bundesstaaten Nutzniesser der von Biden geschaffenen Vorschriften, zum Beispiel der Inflation Reducation Act. Wird Trump gegen die Republikaner vorgehen, die von der Entwicklung der erneuerbaren Energien profitieren?
Sie sind also unentschlossen wie Umweltaktien unter Trump performen werden?
Es sollte sogar für Umweltaktien, die am Tag nach seiner Wahl gefallen sind, okay sein. Denn wie ich schon sagte, wird alles auf Ebene der Bundesstaaten entschieden, nicht auf Bundesebene. Selbst wenn er also das Engagement der Vereinigten Staaten in Bezug auf das Klima, die biologische Vielfalt und all diese Themen verlangsamt hat, spielt das keine Rolle, weil einige Bundesstaaten wie Kalifornien oder New York bei der Umsetzung von Vorschriften zur Bekämpfung des Klimawandels wirklich eine Vorreiterrolle spielen.
Zur Person
Paul Merle ist Finanzanalyst (CIIA) und besitzt einen Master-Abschluss in Finanzen der Universität Paris 1 Panthéon Sorbonne und 20 Jahre Berufserfahrung. Er begann seine berufliche Laufbahn 2001 als Controller bei der Banque CPR und wechselte 2003 zu Federis Gestion d’Actifs, wo er 2010 zum Leiter der SRI-Analyse ernannt wurde. 2016 wechselte Paul Merle als Manager/Socially-Responsible-Investment-Analyst (SRI) zur Bank LBPAM, wo er ab Januar 2019 als Manager für nachhaltige thematische Aktienfonds tätig war. 2020 kam er als Manager für europäische Large-Cap-Wachstumswerte aus dem SRI-Bereich zu La Financière de l‘Echiquier (LFDE). Seit 2024, dem Jahr der Fusion von Tocqueville Finance und LFDE, ist er Teil der Bereiche Growth sowie Impact und Umwelt bei LFDE.
Sehen Sie Umweltaktien dennoch auf lange Frist im Aufschwung?
Langfristig gesehen werden Unternehmen, die ESG-Kriterien in ihre Strategie einbeziehen, unserer Einschätzung nach, eine gute Performance erzielen, weil sie dadurch Risiken wie Korruption, Umweltverschmutzung oder Umweltunfälle vermeiden können. Kurzfristig sind wir mit Trump jedoch skeptischer, was die Performance angeht, da er viele ESG- und klimarelevante Dinge deregulieren will. Trotzdem, auch wenn der Präsident der Vereinigten Staaten ein Klimaskeptiker ist, haben viele Branchen die potenziellen Auswirkungen verstanden. Sie müssen sich also anpassen.
Wie das?
Viele haben diese Art von Massnahmen in ihre Strategie aufgenommen. Deshalb ist es sinnvoll, in Unternehmen zu investieren, die zum Beispiel ihren Kunden oder der Industrie helfen, ihre CO2-Emissionen zu reduzieren. Ich denke, dass ein Investmentteam und eine Investmentthematik immer noch gut sind, auch wenn es viele negative Ereignisse gibt, die manche dazu benutzen, um zu sagen, dass man mit ESG keine Performance erzielen kann. Ich denke, wenn man ESG nicht berücksichtigt, kann man mittel- oder langfristig keine Performance erzielen.
Eine Ihrer Aktien im Klima- und Biodiversitätsfonds von LFDE ist Givaudan? Wo sehen Sie deren Entwicklung?
Ja, unserer Analyse zufolge, ist Givaudan ein echter Qualitätswert. In unserem Impact Fonds versuchen wir, Unternehmen auszuwählen, die ein gewisses Potenzial an finanzieller Performance bieten, und Givaudan ist da ein wirklich hochwertiger Titel, wenn man sich die finanziellen Kriterien anschaut, mit vielen guten Margen, mit der Preissetzungsmacht, aber auch mit den Themen Klima und Biodiversität.
Haben Sie ein Beispiel?
Givaudan hilft ihren Kunden, ihre Umweltauswirkungen zu reduzieren, indem sie Materialien oder Ingredienzien auf biologischer Basis anbieten. Durch die Verwendung von Biowerkstoffen haben sie also eine positive Auswirkung auf die Artenvielfalt. Beispielsweise helfen sie L'Oréal und anderen Grundstoffherstellern dabei, ihre Umweltauswirkungen zu reduzieren, indem sie von synthetischen Produkten oder Produkten, die auf fossilen Rohstoffen basieren, zu Produkten aus biologischen Rohstoffen wechseln.
Es scheint dennoch, als ob Sie eine vorsichtige Strategie fahren. Empfehlen Sie dies auch Anlegern?
Ja, wir sollten vorsichtig sein. Trump ist ein Populist, also kündigt er eine Menge Dinge an, aber nicht alles davon bewahrheitet sich. Das macht es schwieriger, die nächsten Schritte vorherzusagen. Deshalb sollte man in dieser Hinsicht vorsichtig sein.
Zur Vorsicht wird derzeit auch in Bezug auf China geraten. Wie gehen Sie mit den betroffenen Aktien in ihrem Fonds um?
Wir haben vor allem seit diesem Sommer unser Engagement in Unternehmen, die von einer Konjunkturabschwächung in China betroffen sein könnten, stark reduziert.
Betroffen ist ja besonders der Luxussektor...
In unserem Wachstums- und Qualitätsfonds bauen wir zwei Luxusunternehmen auf. Aber seit dem Sommer haben wir unsere Positionen in LVMH zu einen Grossteil reduziert. Vor einigen Jahren gehörte der Konzern zu den Top-Holdings, aber jetzt haben wir nur noch eine sehr geringe Position.
Und das andere Unternehmen?
Hier haben wir unser Engagement erhöht. Hermès hat eine einzigartige Positionierung in der Luxusgüterbranche. Und sie sind weniger von einer Verlangsamung betroffen, insbesondere von einer Verlangsamung in China, weil sie einen sehr engen Markt haben, da ein Teil ihres Umsatzes von vermögenden Privatpersonen abhängt. Sie haben eine Reihe von Produkten, die definiert sind, und daher gibt es eine kürzere Liste von Kunden. Natürlich sind sie nicht immun gegen eine Verlangsamung in einigen Produktkategorien, aber weniger als andere, die eine breite Palette von Produkten haben.
Also verfolgen Sie keine konkrete China-Strategie?
Wir haben globale Unternehmen, die in China tätig sind, und vielleicht wird eine der nächsten Entscheidungen darin bestehen, die Zahl solcher Unternehmen zu verringern.