Im Fall des 2021 kollabierten Lieferketten-Finanzierers Greensill habe es die Grossbank über Jahre versäumt, Risiken angemessen zu erfassen, zu begrenzen und zu überwachen, teilte die Behörde am Dienstag nach Abschluss eines Untersuchungsverfahrens mit. Damit machte die Aufsicht bei der krisengeplagten Credit Suisse innerhalb von weniger als zwei Jahren zum dritten Mal schwere Mängel aus. Die Finma nimmt das Institut nun enger an die Kandare und eröffnet vier Verfahren gegen ehemalige Manager. Bußgelder kann sie nicht aussprechen.

"Wir begrüssen den Abschluss des Verfahrens der Finma", erklärte Credit-Suisse-Konzernchef Ulrich Körner in einer Mitteilung. "Dies ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur endgültigen Bewältigung der Supply-Chain-Finance-Funds-Angelegenheit."

Die zweitgrösste Schweizer Bank hatte im März 2021 die Notabwicklung von vier Lieferketten-Finanzierungsfonds eingeleitet, die in von Greensill gekauften und verbrieften Forderungen investierten. Denn als ein Versicherer neue Anlagen nicht mehr versichern wollte, setzte das eine Spirale in Gang, die zur Auflösung der Fonds und schliesslich auch zu einem Insolvenz-Antrag der britisch-australischen Finanzgesellschaft führte.

Als die vier Fonds eingefroren wurden, kamen sie auf ein Volumen von insgesamt rund zehn Milliarden Dollar. Credit Suisse versucht seither, so viel wie möglich von dem Geld für die Anleger einzuziehen. Zuletzt belief sich dieser Wert auf 7,4 Milliarden Dollar. Die Anleger der laut Verkaufsdokumenten risikoarmen Fonds müssen aber dennoch mit Verlusten rechnen.

Im Blindflug

Die Finma machte bei der Credit Suisse gravierende Mängel in der Betriebsorganisation aus. Die betreffende Einheit der Bank hatte insgesamt wenig Wissen und Kontrolle über die konkreten Forderungen in den Fonds. Gegenüber der Finma habe das Geldhaus teilweise falsche und zu positive Angaben zum Auswahlprozess der Forderungen gemacht. "Die Medienmitteilung der Finma zeigt in erschreckender Weise auf, dass Credit Suisse im Fall Greensill quasi im Blindflug war", erklärte Daniel Bosshard, Analyst der Luzerner Kantonalbank.

Zwar verstärkte Credit Suisse seitdem die Kontrollen und entliess mehrere Manager. Doch dies reicht der Finma nicht. Die Behörde ordnete eine Reihe weiterer Maßnahmen an, um das Risikomanagement und die Steuerung der Gruppe zu verbessern. So müsse die Bank künftig die wichtigsten rund 500 Geschäftsbeziehungen periodisch auf Gegenparteirisiken überprüfen. Das Institut müsse zudem die Verantwortlichkeiten ihrer rund 600 höchsten Mitarbeiter in einem Dokument festhalten. Ferne kündigte die Aufsicht an, einen Prüfbeauftragten einzusetzen, der die Einhaltung dieser Maßnahmen kontrollieren soll.

Auch eröffnete die Finma vier Verfahren gegen ehemalige Manager der Credit Suisse. Ein solches Durchsetzungsverfahren kann im schlimmsten Fall zu einem Berufsverbot führen. Die Finma äußerte sich nicht zur Identität der Betroffenen.

Gerhard Andrey, ein Parlamentsabgeordneter der Grünen Partei, begrüsste die Auflage für die 600 Top-Mitarbeiter. "Wir brauchen nicht noch mehr Kästchen, die wir ankreuzen", sagte er. "Wir brauchen einen Kulturwandel." Die Credit Suisse blickt auf eine lange Reihe von Fehlschlägen und Skandalen zurück. Diese riefen wiederholt die Finma auf den Plan.

2018 stellte sie bei der Bank Mängel bei der Bekämpfung von Geldwäsche fest. Und im Oktober 2021 kam die Aufsicht in zwei unabhängigen Verfahren zu dem Schluss, dass das Institut Behörden und Investoren über Kredite an Mosambik in die Irre geführt und mit der Beschattung von ehemaligen Spitzenmanagern schwer gegen das Aufsichtsrecht verstoßen habe. Noch nicht abgeschlossen ist ein Verfahren in Zusammenhang mit dem Zusammenbruch des Hedgefonds Archegos, der die Bank fünf Milliarden Franken kostete. Einem Bericht der Nachrichtenagentur Reuters zufolge nimmt die Finma zudem Aussagen von Verwaltungsratschef Axel Lehmann zu den Abflüssen von Kundengeldern unter die Lupe.

Credit Suisse kämpfte in den vergangenen Monaten mit einem Vertrauensverlust der Kunden und fuhr im Geschäftsjahr 2022 mit 7,3 Milliarden Franken den höchsten Verlust seit der Finanzkrise ein. Auch im laufenden Jahr dürfte der Konzernumbau wieder rote Zahlen hinterlassen. Analysten schließen zudem nicht aus, dass die Forderungen von verärgerten Greensill-Kunden in den kommenden Jahren Kosten für die Bank verursachen könnten.

(Reuters)