Staatsanleihen gelten als Fels in der Brandung, wenn es stürmisch zu und her geht an den Finanzmärkten. Sie federn die Gefahren risikoreicher Investitionen im Portfolio etwas ab. Die Sicherheit dieser Anlage hat aber natürlich auch ihren Preis: Die erwartete Rendite ist geringer als bei risikoreicheren Investments. Wenn der Kurs einer Obligation steigt, sinkt die Rendite und umgekehrt.
Wer aber in solche Anleihen investieren will, hat es derzeit nicht leicht: Seit dem Ausbruch der Finanzkrise 2007 drückt die hohe Nachfrage nach Sicherheit die Rendite der Bonds stark nach unten. Hinzu kommen die massiven Anleihenkauf-Programme der Europäischen Zentralbank und anderer Notenbanken, was die Renditen verzerrt. So haben fast die Hälfte der ausstehenden Staatsanleihen in Europa eine Rendite im Minusbereich.
Dies betrifft vor allem Staatsobligationen mit Laufzeiten zwischen zwei und fünf Jahren, aber auch die als Gradmesser bekannten zehnjährigen Anleihen bleiben nicht verschont. So weisen die Schweiz und Japan in diesem Bereich negative Renditen auf (siehe Tabelle unten). Die zehnjährigen Schweizer Staatsanleihen, auch "Eidgenoss" genannt, bekommt man hierzulande zu einer Verzinsung von minus 0,25 Prozent. Anfang März waren es gar minus 0,48 Prozent.
Diese Negativrendite ergibt sich zum einen aus dem tiefen Marktzins in der Schweiz und auch aufgrund der hohen Bonität der Eidgenossenschaft, welche weltweit Käufer anzieht. Kaum jemand rechnet damit, dass die Schweizer Regierung plötzlich ihren Zahlungsverpflichtungen nicht mehr nachkommen kann. Eine verkehrte Welt also: Die Eidgenossenschaft verdient Geld, wenn sie Staatsanleihen herausgibt.
Patrick Haefeli, Strategieanalyst bei der St. Galler Kantonalbank (SGKB), rät dennoch nicht grundsätzlich von Schweizer Staatsanleihen ab: "Als stabiler Anker in einem Portefeuille, um Schwankungen auszugleichen, sind sie durchaus sinnvoll. Grosse Gewinne liegen aber nicht drin", sagt er. Häfeli geht davon aus, dass es vorerst wie gehabt weitergehen wird: "Die EZB hat ihre Anleihenkäufe noch einmal ausgeweitet und hält damit die Zinsen weiter tief. Dies transformiert sich auch auf Schweizer Anleihen." Damit bleibe der Druck auf die Rendite von Schweizer Obligationen bestehen.
«Zu teuer»
Aber wie weit lohnen sich dann Regierungs-Oblis als Investment? "Staatsanleihen sind derzeit viel zu teuer", sagt Thomas Della Casa, Anlagechef der Neuen Helvetischen Bank. Das sei zum einen die Schuld der Notenbanken, die im Rahmen ihrer Kaufprogramme solche Anleihen kauften, zum anderen liege es am Mangel an Anlagemöglichkeiten. Selbst viele Aktien - die um einiges risikoreicher sind - geben derzeit kaum Rendite her.
Unter den westlichen Staatsanleihen sind für Della Casa die US-Treasuries am spannendsten. "Zum einen sind dort die Zinssätze vergleichsweise hoch, zum anderen wird sich auch der Dollar in nächster Zeit eher etwas aufwerten", so Della Casa. Ausserdem werde es in den USA in den nächsten zwei Jahren kaum starke Zinsanstiege geben. Zehnjährige US-Staatsanleihen weisen derzeit eine Rendite von 1,8 Prozent auf.
Doch ein langsamer Zinsanstieg ist nicht in Stein gemeisselt: "Setzt in den USA die Inflation schneller als erwartet ein, kommt es zu einem raschen Zinsanstieg", warnt Christoph Schenk, Anlagechef der Zürcher Kantonalbank. Dann würden die Staatsanleihen am sensibelsten reagieren: Mit fallenden Preisen und steigenden Renditen. Anleger, die bereits langfristige Anleihen halten, hätten das Nachsehen.
Brexit-Thematik tangiert Renditen
Einer Faustregel zufolge bedeutet ein Zinsanstieg von 1 Prozent ein Verlust von etwa 10 Prozent im Kurs bei zehnjährigen Staatsanleihen. Schenk vergleicht eine solche Situation mit einem Restaurant, in dem plötzlich das Licht ausgeht. "Alle Gäste wollen sich dann durch den einzigen Ausgang hinausdrängen", so Schenk.
Wer auf europäische Staatsobligationen setzten möchte, der erzielt derzeit die höchste Rendite bei portugiesischen Anleihen - klammert man Griechenland aus. Für Portugal, das nach Jahren der Euro-Hilfskredite erst vor kurzem wieder an den Kapitalmarkt zurückkehrte, sind die derzeit 3,23 Prozent auf Staatsanleihen kein gutes Zeichen.
Laut SGKB-Analyst Häfeli liegt dies aber an einem anderen europäischen Land, das offen mit dem EU-Austritt liebäugelt: Grossbritannien. "Ein allfälliger Brexit würde die Verunsicherung in anderen Ländern mit Problemen, bei denen ein Austritt aus der Eurozone nicht ausgeschlossen ist, weiter steigern. Auf die Rendite portugiesischer Anleihen hat sich das bereits etwas ausgewirkt."
Interessanterweise hat die Brexit-Diskussion auf die "Gilts", wie britische Regierungsobligationen auch genannt werden, bisher wenig Auswirkungen. "Die britischen Staatsanleihen hingegen entwickeln sich aber trotz Brexit-Abstimmung noch stabil, was damit zusammenhängt, dass die Finanzmärkte bisher nicht von einem EU-Austritt Grossbritanniens ausgehen."
Schwellenländer als mögliche Option
Fern von Brexit-Gedanken bietet sich eine Anlagemöglichkeit bei den Schwellenländern, denn dort ist gemäss Schenk von der ZKB das derzeitige Umfeld gar nicht so schlecht: Die Staatsanleihen sind noch relativ günstig und besitzen daher noch Aufholpotenzial. Sein Berufskollege Della Casa empfiehlt hier ein sehr selektives Vorgehen. Spannend seien vor allem Papiere in US-Dollar. "Bei Brasilien wäre ich vorsichtig, vielversprechender hingegen sind Länder wie Peru, Mexiko oder Chile", so Schenk.
Was aber nicht vergessen werden darf: Solche Anleihen haben aufgrund ihres Risiko-Ertrag-Profils eher Aktiencharakter. Lange galten Staatsanleihen zwar als ausfallsicher, doch spätestens der Zahlungsausfall Argentiniens im Jahre 2001 bewies das Gegenteil - die Anleger verloren zumindest einen Teil ihres Investments. Es dauerte ganze 15 Jahre, bis sich Argentinien an den internationalen Finanzmärkten zurückmelden durfte.
Mitte April 2016 gab die Regierung nun wieder Staatsanleihen mit einer Laufzeit von drei bis dreissig Jahren heraus, wobei Argentiniens Finanzminister Alfonso Prat-Gay von der grössten Anleihen-Nachfrage in der Geschichte Argentiniens sprach.
Die hohe Nachfrage drückt auch die Rendite: 5,6 Prozent Rendite für argentinische Staatsanleihen sind - angesichts des eingegangenen Risikos - doch eher tief. Höher sind derzeit die Zinsen für zehnjährige Staatsanleihen aus Brasilien (12,5 Prozent), der Türkei (9,1 Prozent) und Griechenland (8,9 Prozent).
Land | Rendite, in % |
Brasilien | 12,45 |
Türkei | 9,05 |
Griechenland | 8,92 |
Argentinien | 5,62 |
Portugal | 3,23 |
China | 2,77 |
USA | 1,82 |
Spanien | 1,53 |
Italien | 1,51 |
England | 1,49 |
Schweden | 0,89 |
Frankreich | 0,57 |
Deutschland | 0,29 |
Japan | -0,10 |
Schweiz | -0,25 |
Quelle: cash.ch, Economist, investing.com