Vertreter der Banken-Lobby, die mit höheren Zinsen mehr Geld verdienen, warnten aber - ebenso wie einige Ökonomen - , dass die Währungshüter ihre Geldpolitik nicht zu schnell weiter lockern dürften. «Weitere Zinssenkungen erscheinen nur dann angemessen, wenn der Rückgang der Inflation sich fortsetzt», sagte Clemens Fuest, der Präsident des Ifo-Instituts am Donnerstag. Er verwies darauf, dass die Inflation bei den Dienstleistern noch bei über vier Prozent liege. Die EZB müsse in den kommenden Monaten das richtige Fingerspitzengefühl beweisen, sagte Hauptgeschäftsführer Heiner Herkenhoff vom Bankenverband BdB. «Dazu gehört es auch, den Erwartungen auf schnell aufeinander folgende Zinssenkungen in der Öffentlichkeit entgegenzutreten.»

Auch die Versicherer warnten vor anhaltend hoher Teuerung im Service-Sektor. «Andererseits sollte die EZB das richtige Timing der weiteren Zinsschritte nicht verpassen», betonte Jörg Asmussen, Hauptgeschäftsführer des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV). Der Bundesverband Öffentlicher Banken Deutschlands (VÖB) erwartet, dass die EZB von Sitzung zu Sitzung entscheidet. «Die Gefahr einer hartnäckigen Inflation ist noch nicht gebannt», sagte VÖB-Hauptgeschäftsführerin Iris Bethge-Krauss.

Nach der geldpolitischen Wende vom Juni legte die EZB nun erstmals nach. Der für die Finanzmärkte massgebliche Einlagesatz, zu dem Banken bei der EZB kurzfristig überschüssige Gelder anlegen können, wurde von 3,75 auf 3,50 Prozent gesenkt. Zugleich liessen die Währungshüter um EZB-Chefin Christine Lagarde nur wenige Wochen vor der nächsten Sitzung Mitte Oktober offen, wie es geldpolitisch weitergeht. Man sei nicht vorab festgelegt - weder in Bezug auf den Zeitpunkt noch auf den Umfang eines nächsten Zinsschrittes, sagte Lagarde. Dies hänge von Konjunkturdaten ab.

Bau hofft auf Impulse

Die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) sprach von einem guten Beschluss der EZB. «Sinn macht die Zinssenkung vor allem, weil sich die deutsche Wirtschaft in einer hartnäckigen Stagnation befindet», sagte DIHK-Aussenwirtschaftschef Volker Treier. «Die Zinssenkung hilft jetzt, weil die Finanzierungsbedingungen für Investitionen etwas günstiger werden.» Die Bundesregierung müsse aber ihre Politik endlich auf einen klaren, spürbaren Wachstumskurs ausrichten.

Die Zinsentscheidung sollte der Immobilienbranche zufolge den Bund anspornen, Investitionen durch eigene mutige Schritte zu erleichtern. Steigende Baukosten plus rasant steigende Zinslasten hätten Investoren zuletzt «geradezu gelähmt», sagte die Präsidentin des Zentralen Immobilien Ausschusses (ZIA), Iris Schöberl. «Wenn die Regierung den Schwung der geplanten Leitzins-Senkung aufnimmt, könnte sie eine Bau-Welle in Gang setzen – ein Push am Wohnungsmarkt wäre dann endlich wieder realistisch.» Hohe Baukosten, hohe Zinsen und hohe Auflagen haben die Nachfrage am Wohnungsbau einbrechen lassen.

Mit Blick auf den EZB-Beschluss sagte Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD), auch am Markt für Immobilienkredite stünden die Zeichen auf Verbesserung der Finanzierungsbedingungen. «Zusammen mit unseren Förderprogrammen, dem starken sozialen Wohnungsbau und den Steuersenkungen für den frei finanzierten und gemeinnützigen Wohnungsbau werden wichtige Impulse für eine Belebung im Wohnungsbau gesetzt.»

(Reuters)