Am vorletzten Donnerstag haben die USA die Debatte um eine Reform des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen (UNO) wieder eröffnet. Die US-Botschafterin bei den UN, Linda Thomas-Greenfield, schlug im Reuters-Interview zwei ständige Sitze für afrikanische Staaten vor. Das klingt nach einem Durchbruch kurz vor der nächsten UN-Vollversammlung. Aber in Wahrheit sind die USA Teil des Problems bei einer Reform des höchsten UN-Gremiums, das bis heute die globalen Machtverhältnisse zum Ende des Zweiten Weltkriegs eingefroren hat.

Wer will die Reform?

1965 wurde der UN-Sicherheitsrat als höchstes UN-Gremium auf 15 Mitglieder aufgestockt: Dazu gehören die fünf ständigen Mitglieder mit Veto-Recht, nämlich die USA, Russland, China, Frankreich und Grossbritannien. Dazu kommen zehn jeweils für zwei Jahre gewählte Staaten ohne Veto-Recht. Auch Deutschland war bereits mehrfach für zwei Jahre vertreten. Diese begrenzte Reform war möglich, weil man einfach die Zahl aufstockte, ohne die Struktur zu verändern. Die zweijährigen Mitgliedschaften werden in regionalen Gruppen ausgehandelt.

Verständlicherweise fordern vor allem jene Länder eine Reform, die keinen ständigen Sitz haben. Deutschland und Japan, die nach dem Zweiten Weltkrieg zu den dritt- und viertgrössten Volkswirtschaften der Welt aufgestiegen sind, fordern seit Jahrzehnten einen ständigen Sitz. Beide Länder gehören im Übrigen zu den grössten Geldgebern der UNO. Dazu kommen Länder wie Indien mit der bald grössten Bevölkerung der Welt, aber auch Brasilien als mit Abstand grösster Staat in Südamerika. Als G4-Gruppe fordern sie gemeinsam eine Reform.

Wer will sie nicht?

Verständlicherweise wehren sich die Staaten, die derzeit Privilegien haben. Frankreich oder Grossbritannien haben sich reformbereit gegeben - ohne aber ihre eigenen Sitze aufgeben zu wollen. Die Supermacht USA gibt sich offen, beharrt aber gleichzeitig auf ihrem Vetorecht. Das gilt auch für China und Russland. Alle drei sind zudem die Staaten, die am meisten von dieser Blockade gegen gemeinsame Beschlüsse Gebrauch machen - auch gegen eine grosse Mehrheit der anderen Sicherheitsratsmitglieder.

Woran scheiterte eine Reform?

1998 hatte der damalige Kanzler Gerhard Schröder die G4-Initiative weit vorangetrieben, scheute aber eine Abstimmung in der UN-Vollversammlung. Ein Grund: Eine Reform benötigt auch die Zustimmung der Vetomächte, also genau jener Staaten, die Privilegien abgeben müssten. Diese lag damals nicht vor.

Ein weiteres Hindernis über die Jahrzehnte ist, dass zwar alle über die völlig überholte Repräsentanz klagen - der Streit aber sofort beginnt, wenn es darum geht, welche Staaten dazugeholt werden sollen. Drei Beispiele: In Europa äussert Italien Skepsis, dass Deutschland als drittes europäisches Land dazukommen sollte. In Asien bremst China, dass zwei mögliche Konkurrenten, Japan und Indien, beitreten – die beides Demokratien sind. Und in Afrika können sich die Staaten nicht einigen, wer denn die zwei ständigen Sitze einnehmen sollte: Nigeria? Südafrika? Ägypten? Auch Algerien äussert Ambitionen.

Was könnte sich dennoch ändern?

Weil diese Probleme seit vielen Jahren eine Reform blockieren, gab es immer wieder neue Vorschläge, die alle folgenlos blieben. Die Ideen reichen von der Ablösung der zweijährigen durch fünfjährige Sitze der Länder bis zu der nun auch von den USA vorgeschlagenen Erweiterung ohne Änderung bei den Veto-Rechten. Eine weitere Idee nannte die US-Botschafterin: nämlich einen ständigen Sitz für kleine Inselstaaten, den diese dann abwechselnd besetzen müssten. Dies ginge theoretisch auch für Afrika, Südamerika oder Europa – aber in Wahrheit würde dies gegenüber dem jetzigen Zustand nichts ändern.

Was passiert ohne Reform?

Die Bedeutung des UN-Sicherheitsrats wird zwar von Diplomaten und westlichen Regierungen immer noch hochgehalten – weil es kein anderes globales Gremium für Absprachen über Krieg und Frieden gibt. Aber in Wirklichkeit ist der Sicherheitsrat diskreditiert. Russland hat als Vetomacht den Nachbarstaat Ukraine überfallen und damit eklatant die UN-Prinzipien verletzt. Verstärkt blockieren Russland und China auf der einen Seite und die USA auf der anderen Seite Beschlüsse des höchsten UN-Gremiums, weil sich die System-Konkurrenz zwischen demokratischen und autoritären Staaten verschärft. Im Alltag sorgen aber auch andere, sehr unterschiedliche Staaten wie Israel oder Nordkorea mit ihrer Missachtung eigentlich verbindlicher UN-Sanktionen dafür, dass die Autorität des UN-Gremiums abnimmt.

(Reuters)