Geschäftsreisende und Urlauber fliegen wieder, und die Gewinne der Fluggesellschaften erholen sich. Gut in Erinnerungen bleiben die Bilder vom Sommer, als an europäischen Flughäfen wegen der hohen Nachfrage ein Chaos vorherrschte. Doch ihre Aktien sinken das dritte Jahr in Folge, da an den Märkten die Befürchtung besteht, dass die wirtschaftliche Rezession weitere Turbulenzen in der Branche auslösen wird.
Nach zwei Jahren kräftiger Kursverluste hat der Bloomberg EMEA Airlines Index auch in diesem Jahr bisher 13 Prozent verloren. Die Aktien haben steigende Kosten, die Ungewissheit über die Wiedereröffnung Chinas nach der Covid-Krise und Anzeichen dafür, dass die grossen Volkswirtschaften in eine Rezession abgleiten, belastet. Im Durchschnitt liegen die Titel immer noch etwa 45 Prozent unter dem Niveau vor der Pandemie.
Gleichzeitig werden die Aktien der europäischen Fluggesellschaften mit einem Abschlag von 40 Prozent gegenüber der weltweiten Konkurrenz gehandelt. Die Analysten hingegen sind zunehmend optimistisch. Viele haben ihre Prognosen für den Sektor angehoben und die Schätzungen für den Gewinn pro Aktie in diesem Jahr verdoppelt, wenn auch ausgehend von einer niedrigen Basis.
«Licht am Ende des Tunnels»
Die Analysten von HSBC räumten diese Woche ein, dass die Fluggesellschaften vor schwierigen Zeiten stehen. Sie sagten aber auch, dass es "Licht am Ende des Tunnels" gebe."Wir denken, dass das Verkehrsaufkommen trotz des schwachen makroökonomischen Umfelds und der steigenden Inflation durch die aufgestaute Nachfrage gut unterstützt werden dürfte", so die Analysten von HSBC, darunter Achal Kumar, gegenüber Kunden.
HSBC hob die Empfehlung für Air France-KLM auf "Kaufen" und für Lufthansa auf "Halten" an, während sie ihre Kaufempfehlung für die British Airways-Eigentümerin IAG beibehielten. Die Grossbank steigerte gleichzeitig die Kursziele für alle drei Fluggesellschaften und wies darauf hin, dass die Fluggesellschaften ihre Gewinnprognosen für 2022 angehoben hatten und für 2023 eine Kapazität von 85 Prozent des Niveaus von 2019 erwarteten.
Wie die untenstehende Tabelle zu den börsenkotierten europäischen Fluggesellschaften zeigt, sind die von Bloomberg befragten Analysten insbesondere bei Easyjet, IAG und Ryanair bullish eingestellt. Das grösste Aufwärtspotenzial aufgrund des durchschnittlichen Kursziels der Analysten bietet mit 24 Prozent Easyjet.
Titel | Kursperformance seit Jahresbeginn | Rating (Kaufen/Halten/Verkaufen) | Durchschnittliches Kurspotenzial der Analysten |
Air France-KLM | -38 Prozent | 5/5/7 | +16 Prozent |
Easyjet | -35 Prozent | 13/4/3 | +24 Prozent |
Finnair | -29 Prozent | 0/2/5 | -31 Prozent |
IAG | -15 Prozent | 16/8/3 | +19 Prozent |
Lufthansa | +12 Prozent | 5/11/4 | -1 Prozent |
Ryanair | -29 Prozent | 18/1/2 | +22 Prozent |
Wizz Air | -54 Prozent | 8/9/2 | +14 Prozent |
Daten: Bloomberg.
Trostloser ist die Ausgangslage mit keinem "Buy"-Rating und einem Abwärtspotenzial von 31 Prozent bei Finnair. Die Fluggesellschaft setzt bislang auf Langstreckenflüge aus Europa nach Asien, Lockdowns in China sorgen daher immer noch für Gegenwind. Zudem sorgt der Ukraine-Krieg für zusätzliche Kosten, da eine längere Flugstrecke in Kauf genommen werden muss.
Lufthansa weist seit Jahresbeginn als einziger Titel ein Kursplus auf. Als Pluspunkt gilt die starke Bilanz. Grösster Anteilseigner des Luftfahrtkonzerns, zu dem auch die Swiss gehört, ist Klaus-Michael Kühne vor dem deutschen Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF). Nach dem Stellenabbau in der Corona-Krise und zuletzt starken Quartalszahlen setzt die Kranich-Airline auf Wachstum und plant nun insgesamt 20'000 Neueinstellungen - auch die Swiss plant 2023 mit 1500 zusätzlichen Stellen.
Wann erfolgt der Wendepunkt?
Ein in dieser Woche von UBS veröffentlichter Tarifvergleich zeigt, dass die Preise für die Economy Class um 32 Prozent und für die Premiumklasse um 28 Prozent im Vergleich zum Vorjahr gestiegen sind. Die Flugpreise für das erste Quartal 2023 stiegen laut UBS um 26 Prozent.
Alex Irving, Analyst bei Bernstein, ist der Ansicht, dass die Inflation die Ausgaben der Haushalte drückt und dass Billigfluggesellschaften wie Ryanair und Wizz Air davon profitieren könnten. "Die Buchungen haben sich gehalten, auch wenn wir in die langsame Saison eingetreten sind", so Irving. "Es gibt immer noch ein Risiko bei Investitionen in Fluggesellschaften, aber das spiegelt sich in den Preisen wider.”
Die Frage ist, wann sich die Anleger zum Kauf überreden lassen. Der Wendepunkt könnte eine weitere Klarheit über Chinas Wiederöffnung für Überseeflüge sein - die Entscheidung des Landes, die Reisebeschränkungen zu lockern, hat die Aktien der Fluggesellschaften in diesem Quartal bereits um 25 Prozent steigen lassen.
Laut dem Präsidenten von Emirates, der grössten Langstreckenfluggesellschaft der Welt, wird die Aufhebung der Beschränkungen einen "Tsunami" von Buchungen und einen beispiellosen Anstieg des weltweiten Reiseverkehrs auslösen.
(Bloomberg/cash)