Bei der US-Präsidentschaftswahl deutet sich ein Sieg des Republikaners Donald Trump über seine demokratische Gegnerin Kamala Harris an. Ökonomen sagten dazu in ersten Reaktionen:
CARSTEN BRZESKI, ING-CHEFVOLKSWIRT:
«Eine zweite Präsidentschaft von Donald Trump würde die ganze europäische Wirtschaft treffen, vor allem die deutsche. Während die erste Amtszeit von Trump eine deutsche Wirtschaft in Hochblüte traf und noch das Wirtschaftswunder 2.0 gefeiert wurde, kommen mögliche Strafzölle, Deregulierung des US-Finanzsektors und geopolitische Spannungen zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt. Nach vier Jahren Stagnation und strukturellen Schwächen ist Deutschland nicht nur der 'kranke Mann Europas', sondern auch verwundbarer als vor acht Jahren.
Wenn ein Land in Europa von Trumpschen Strafzöllen getroffen wird, ist es Deutschland. Zehn Prozent der deutschen Exporte gehen aktuell in die USA. Von der ersten Amtszeit Trumps wissen wir, dass Strafzölle nicht über Nacht kommen, sondern wahrscheinlich erst im zweiten Jahr. Die wirtschaftlichen Folgen einer zweiten Amtszeit von Donald Trump gehen allerdings weiter als 'nur' Strafzölle. Unsicherheit über Trumps Position zur militärischen Unterstützung der Ukraine und der amerikanischen Mitgliedschaft in der Nato sowie Deregulierung im Tech- und Finanzsektor werden Deutschland (und Europa) negativ treffen. Der Standort Europa wird weiter ins Hintertreffen geraten. Eine Eskalation der Spannungen zwischen den USA und China könnten auch Schatten auf Europa werfen.
Zusammenfassend: Mit einer zweiten Amtszeit von Donald Trump im Weissen Haus muss sich vor allem die deutsche Wirtschaft warm anziehen. Der Weg von der Stagnation zur Rezession ist nicht weit und wird gerade wahrscheinlicher. Mit der aktuell in Berlin diskutierten Sparpolitik wird man den weiteren Absturz der Wirtschaft nicht auffangen können. Reformen und Investitionen anstatt Reformen oder Investitionen ist die einzige Antwort.»
THOMAS GITZEL, CHEFVOLKSWIRT VP BANK:
«Die Märkte sind sich bereits relativ sicher: Donald Trump gewinnt. Die Futures auf die grossen Aktienindizes liegen im Plus, der Dollar und der Bitcoin legen ebenfalls zu und US-Staatstitel verlieren. Der Dax liegt hingegen vorbörslich im Minus.
Für das wirtschaftlich angeschlagene Europa ergeben sich mit einem Wahlsieg von Donald Trump neue Herausforderungen. Europa muss sich auf etwaige Strafzölle einstellen. Das unter Joe Biden enge transatlantische Verhältnisse wird schwieriger. Insbesondere die für die Ukraine wichtigen Militärhilfen stehen möglicherweise auf der Kippe.
Europa ist jetzt mehr denn je aufgefordert seine Hausaufgaben zu machen. Dazu zählt vor allem die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit. Hierbei ist ein Abbau der überbordenden Bürokratie dringend erforderlich. Ein Wahlsieg von Donald Trump hat also vor allem Implikationen für den hiesigen Kontinent.»
(Reuters)