In einem Lagerhaus am Stadtrand von Barcelona stehen Frauen an Förderbändern und sortieren manuell T-Shirts, Jeans und andere Teile aus grossen Ballen gebrauchter Kleidung. Das Zentrum wird von der Organisation Moda Re betrieben, die sich die Wiederverwertung und das Recycling von Kleidungsstücken auf die Fahnen geschrieben hat. Das hier sortierte jährliche Volumen soll innerhalb eines Jahres auf 40.000 Tonnen verdoppelt werden. «Das ist erst der Anfang», sagt Alberto Alberich, Direktor von Moda Re, das auch Spaniens grösste Secondhand-Bekleidungskette betreibt. «Wir werden zunehmend gebrauchte Kleidung in Rohstoffe aus Europa für Modeunternehmen umwandeln.»

Fast sechs Millionen Tonnen Textilien werden in der EU jedes Jahr weggeworfen - etwa elf Kilo pro Person. Das meiste landet auf der Müllkippe oder wird verbrannt. Nur ein Viertel der Bekleidungsabfälle wird derzeit recycelt. Die Europäische Union (EU) will der Vernichtung von Textilien einen Riegel vorschieben und hat eine Reihe von Gesetzen und Initiativen auf den Weg gebracht. So sind die EU-Mitgliedsstaaten verpflichtet, ab Januar 2025 Textilien von anderen Abfällen zu trennen. Bis 2030 sollen alle in der Union verkauften Textilprodukte «zu einem grossen Teil» aus recycelten Fasern bestehen sowie langlebig, reparierbar und recycelbar sein, so der Wunsch der EU. Teil der Vorschläge ist auch, dass die Industrie an den Kosten für das Sammeln und Recyceln von Textilien beteiligt wird, etwa durch eine Gebühr von zwölf Cent pro Kleidungsstück.

Die Europäische Umweltagentur EEA nennt Textilien nach den Bereichen Lebensmittel, Wohnen und Verkehr als viertgrössten Faktor, wenn es um negative Auswirkungen auf Umwelt und Klima geht. Vor allem Fast Fashion, also die Herstellung und der Verkauf billiger Kleidung mit kurzer Lebensdauer, sei im höchsten Mass umweltschädlich, erklärte die EU im Juli.

Überkonsum Grösstes Problem

Um den zunehmenden Ansprüchen der EU nach Klimaschutz und Nachhaltigkeit nachzukommen, muss die Industrie Milliarden investieren. Laut einer Schätzung des Beratungsunternehmens McKinsey müssen bis 2030 sechs bis sieben Milliarden Euro in Anlagen, Technologie und Markt-Veränderungen gesteckt werden, um die von der EU angestrebte Grössenordnung der Verarbeitung und des Recyclings von Textilabfällen zu erreichen.

«Das Hauptproblem, mit dem wir konfrontiert sind, ist Überkonsum», erklärt Dijana Lind, Analystin bei der Fonds-Gesellschaft Union Investment, die Anteile an Adidas, Hugo Boss, Inditex und H&M hält. Sie habe mit den Firmen über die Notwendigkeit gesprochen, dass sie ihren Einsatz recycelter Textilien erhöhen und die Branche insgesamt das Recycling steigern müsse. Die Unternehmen hätten einige erste Schritte eingeleitet. «Es muss aber noch mehr getan werden», sagt Lind.

Die Einsicht ist durchaus da in der Modebranche: Hugo Boss erklärte auf Reuters-Anfrage, «Überproduktion und Überkonsum im Allgemeinen sind ein branchenweites Problem». Das Unternehmen verwende Datenanalysen, um die Produktion an die Nachfrage anzupassen. Moda Re wird vom Zara-Eigentümer Inditex mitfinanziert, der über einen Zeitraum von drei Jahren 3,5 Millionen Euro in die Organisation investieren und in allen spanischen Filialen Recyclingbehälter aufstellen will. Bei H&M ist das schon seit 2013 üblich. «Die Art und Weise, wie Mode produziert und konsumiert wird, muss sich ändern – das ist eine unbestreitbare Wahrheit», erklärte das schwedische Unternehmen.

Faser-Recycling noch in den Kinderschuhen

Auch Puma arbeitet mit Sammel- und Sortierfirmen zusammen, etwa mit I:CO in Deutschland, Texaid in der Schweiz oder Vestisolidale in Italien. Adidas hat in das finnische Start-up Infinited Fiber investiert, das Stoffe aus Kleidungsabfällen, Karton und Papier herstellt.

ReHubs Europe, ein von der Bekleidungslobbygruppe Euratext gegründeter Verein, fördert Investitionen in «Faser-zu-Faser»-Recycling - Prozesse, die gebrauchte Kleidungsstücke in Garn verwandeln, um daraus neue Textilien herzustellen. Derzeit werden aber weniger als ein Prozent der Kleidung auf diese Weise recycelt und die Verfahren befinden sich noch in den Kinderschuhen. Zu den Herausforderungen gehört die Trennung verschiedener Faserarten in für das Recycling geeignete Rohstoffe. Da solche Techniken noch am Anfang stehen, stellen die höheren Kosten für recycelte Stoffe im Vergleich zu neuen Stoffen weiterhin ein Hindernis für eine breite Einführung dar.

Im Sortierzentrum in Barcelona kommt Kleidung aus mehr als 7000 Sammelcontainern in Supermärkten, Zara- und Mango-Filialen an. Davon werden 40 Prozent zum Recycling an andere Orte weitergeleitet, das meiste wird verwendet, um Produkte wie Putzlappen oder Küchenhandtücher herzustellen. Acht Prozent der Kleidung verkauft Moda Re in seinen Secondhand-Läden. Mehr als die Hälfte der Kleidung schickt die Organisation zum Wiederverkauf nach Afrika - nach Kamerun, Ghana oder in den Senegal. Diesen Anteil will die Organisation verringern. Die EU schätzt solche Textilexporte als umweltschädlich ein, weil ein grosser Teil der Kleidung schliesslich doch auf Müllkippen landet. Moda-Re-Mitarbeiter Aissatou Boukoum ist dennoch überzeugt: «Wir nehmen Kleidung, die weggeworfen wird, und machen daraus neue Kleidung», sagt der junge Senegalese. «Für mich ist das etwas Gutes.»

(Reuters)