ABB hatte im dritten Quartal etwas an Dynamik verloren. Nun interessiert, ob sich das im traditionell eher schwachen Schlussquartal fortgesetzt hat oder nicht. Die Analysten sind bezüglich der Viertquartalszahlen, die am Donnerstagmorgen veröffentlicht werden, nicht sehr euphorisch: Sie erwarten zwar unisono einen leicht höheren Umsatz von 8,3 Milliarden Dollar, was +1,3 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum entspricht. Die Bandbreite der Schätzungen reicht von +0,7 bis +2,5 Prozent.
Dabei handelt es sich um das Plus in der Konzernwährung US-Dollar, das von ABB in den Vordergrund gestellte Wachstum auf vergleichbarer Basis dürfte laut den Analysten leicht darüber liegen.
Auch bei der EBITA-Marge wird im Schnitt mit einer leichten Verbesserung gegenüber dem Vorjahr gerechnet, an den sehr hohen Wert des dritten Quartals (19,0 Prozent) dürfte ABB aber nicht mehr herankommen. Deutlich auseinander gehen die Schätzungen für den Auftragseingang, sie reichen von einer Stagnation bis zu einem Plus von über 4 Prozent.
Der Reingewinn wird im vierten Quartal auf 931 Millionen Dollar geschätzt gegenüber 921 Millionen im Vorjahresquartal. Auf Jahressicht wird der Reingewinn bei 3,88 Milliarden Dollar gesehen, der Dividendenvorschlag bei 93 Rappen pro Aktie.
Restrukturierungsmassnahmen und KI-Boom
Verantwortlich für die leichte Schwäche im dritten Quartal war vor allem der Bereich Robotik & Fertigungsautomation (Umsatz -20 Prozent auf vergleichbarer Basis), der unter der allgemeinen Industriekrise litt, sowie das im «Corporate and Others» angesiedelte E-Mobility-Geschäft. Eine Frage ist nun, ob die erfolgten Restrukturierungsmassnahmen schon erste Wirkung zeigten. Die drei anderen Geschäftsbereiche hielten sich derweil gut - insbesondere galt dies für die grösste Sparte Elektrifizierung.
Von grossem Interesse ist ausserdem der Ausblick. Grosse Sprünge werden allgemein nicht erwartet. Denn ein Turnaround der Sparte Robotik & Fertigungsautomation stehe kaum unmittelbar bevor, meinen Analysten.
Ein Fragezeichen gab es - primär an den Finanzmärkten - zuletzt zu den Folgen des KI-Booms auf ABB. Die KI von DeepSeek kommt bekanntlich mit einer deutlicher geringeren Rechenleistung aus und daher brauche es eventuell auch geringere Investitionen in die Energieinfrastruktur, hiess es an der Börse. Es ist gut möglich, dass sich das Management zum Thema äussern wird.
Verhaltene Ziele
Für das vierte Quartal stellte ABB ein Wachstum beim vergleichbaren Umsatz im niedrigen bis mittleren einstelligen Bereich sowie eine niedrigere operative EBITA-Marge als im Vorquartal (19,0 Prozent) in Aussicht. Ausserdem werde sich das historische Muster eines negativen Book-to-Bill-Verhältnisses wiederholen.
Für das Gesamtjahr peilte ABB ein vergleichbares Umsatzwachstum von unter 5 Prozent und eine operative EBITA-Marge von knapp über 18 Prozent an. Ausserdem sei mit einem positiven Book-to-Bill-Verhältnis zu rechnen.
Mittelfristig hatte sich ABB im November 2023 neue Ziele gesetzt. Demnach will der Konzern auf vergleichbarer Basis jährlich um «5 bis 7 Prozent über den Konjunkturzyklus» wachsen. Darüber hinaus sollen Akquisitionen 1 bis 2 Prozent zum Wachstum beisteuern. Insgesamt soll so ein Umsatzplus von jährlich zwischen 6 und 9 Prozent erreicht werden. Für die operative Gewinnmarge (EBITA) wird ein Wert zwischen 16 und 19 Prozent angestrebt.
Expansionen und Neuaufstellung
ABB tätigte in den letzten Wochen verschiedene kleinere Übernahmen. Im Dezember expandierte der Konzern etwa in Spanien, indem er Gamesa Electric übernahm. Er will damit die Stellung im Markt der Leistungsumrichter-Technologie für erneuerbare Energien stärken. Im Januar folgte die vollständige Übernahme des US-Unternehmens Lumin, das auf Energiemanagement spezialisiert ist, und das holländische IT-Unternehmen Sensorfact.
CEO Morten Wierod zeigte sich zuletzt am WEF zuversichtlich für seine Firma. Er gehe davon aus, dass ABB stark von den Trends zur Elektrifizierung, Automatisierung und Digitalisierung profitieren werde. Sorgen macht es sich hingegen um die Wettbewerbsfähigkeit Europas. «Regulierungen halten Europa zurück», sagte er. ABB will sich ausserdem marketingmässig neu aufstellen. Der neue Slogan lautet «Engineered to Outrun» und ersetzt den alten «Let's write the future. Together.»
Die ABB-Aktien sind seit Jahresbeginn um etwa 3 Prozent gestiegen, und schneiden damit deutlich schlechter ab als der Gesamtmarkt gemessen am Leitindex SMI mit einem Plus von rund 7 Prozent. Hauptverantwortlich für diese Bilanz ist aber der Absturz vom letzten Montag, als die ganze Branche unter den DeepSeek-Themen litt. Im Vorjahr gehörten die Titel mit einem Plus von rund 32 Prozent zu den stärksten Blue Chips.