Der internationale Automarkt ist in Bewegung. Allein die Entwicklung an der Börse erweckt diesen Anschein: Minus 25 Prozent. Das ist die Performance 2024 des Elektroautopioniers Tesla. Ähnliches gilt aber auch für die europäischen Autobauer wie VW, BMW oder Stellantis, die zwischen 7 und 13 Prozent verlieren. BYD, ein chinesischer Mischkonzern, der neben Elektroautos auch Akkumulatoren herstellt, startet hingegen mit plus 32 Prozent regelrecht durch. 

Dabei ist die Marktdurchdringung von Elektrofahrzeugen auf über 15 Prozent gestiegen. Laut Internationaler Energieagentur sollen bis 2035 bereits die Hälfte aller weltweit verkauften Autos elektrisch betrieben werden. Das Wachstum wird also weitergehen, allerdings - trotz staatlicher Anreize - nicht so schnell wie erwartet.

Die Behörden in strategischen Märkten wie Nordamerika und Europa setzen zunehmend auf Marktzutrittsschranken wie steigende Zölle. In den reifsten Märkten wie Deutschland lässt sich bereits eine Abschwächung beobachten. Im Jahr 2023 stieg der Absatz von Elektroautos insgesamt nur noch um 11 Prozent, während er 2022 um mehr als ein Drittel zugenommen hatte. 2024 sank der E-Auto-Anteil in Deutschland von 14 auf 12 Prozent.

Obwohl der Markt derzeit kurzfristige Nachfrageschwankungen auch aufgrund des Zinsumfelds durchläuft, ist die Richtung klar. Stewart Hogg, Investment Specialist Director beim «Baillie Gifford Long Term Global Growth Fund», geht davon aus, dass die Marktdurchdringung von Elektrofahrzeugen in den kommenden Jahrzehnten in den meisten Segmenten und Regionen nahezu 100 Prozent erreichen wird. «Niemand verteidigt das Festnetztelefon, und dasselbe gilt für den Verbrennungsmotor», sagt er.

Sind die traditionellen Hersteller die grossen Verlierer der Transformation?

«Die Automobilhersteller werden insbesondere im Bereich der preisgünstigen Stadtautos in Europa, auf die die Konsumenten sehnsüchtig warten, investieren», prognostiziert Baptiste Leflaive vom Unternehmensberater Colombus Consulting auf Anfrage von cash.ch. Und die europäischen Hersteller haben eine wichtige Rolle im Segment der elektrischen Stadtautos zu spielen.

VW oder Stellantis verfügen über die industrielle Kapazität und Marktkenntnisse. Die Verlagerung der Produktion innerhalb Europas, die Optimierung von Kostenfaktoren und das Angebot von grundlegendem Komfort sind Teil der Strategien, die verfolgt werden. Zusammen mit Dekarbonisierungsgesetzen ermöglichen sie es, Autos zu Preisen von unter 25’000 Franken anzubieten, die besser den Anforderungen und der Nachfrage entsprechen.

Preiskämpfe und verzögerte Einführung von reinen Elektroautos haben sich jedoch negativ auf deutsche und französische Autohersteller ausgewirkt. Ihr Marktanteil, insbesondere in China, ist deutlich gesunken. Ihre zukünftige Entwicklung hängt von ihrer Fähigkeit ab, den Übergang zu Elektrofahrzeugen zu beschleunigen, während sie ihre Gewinnmargen aufrechterhalten.

«Im Wesentlichen werden die meisten traditionellen Autobauer Verluste hinnehmen müssen. Sie werden weiterhin bestehen. Aber ohne starke Softwarefähigkeiten und vertikale Integration sind sie vergleichbar mit einer Hermès, das zwar Pferdegeschirr herstellt, aber nicht in der Lage ist, sich auf Handtaschen umzustellen», sagt Stewart Hogg von Baillie Gifford.

Im Moment ist unklar, welche Autohersteller die grossen Verlierer der Transformation zur Elektromobilität sein werden, da sich die Technologie sehr schnell weiterentwickelt und sich auch die Regulierung weiterentwickeln kann. Darüber hinaus ist der Markt in verschiedenen Teilen der Welt unterschiedlich strukturiert. In China hat das Premium-EV-Segment Schwierigkeiten, während der Massenmarkt florierend ist. In Europa und den USA ist es genau umgekehrt. «Je nach Entwicklung der Segmente und der Wahrnehmung von Elektrofahrzeugen durch die Konsumenten könnten andere Akteure an Boden gewinnen», sagt Hua Cheng, Portfolio Manager bei Mirova.

China wird wichtiger, Software-Know-how zwingend

Gerade China scheint als Markt immer wichtiger zu werden: «Wir erwarten, dass der Grossteil des Wachstums von Battery Electric Vehicles kommt und dass der chinesische Markt der treibende Faktor sein wird», sagt Pieter Busscher, Fondsmanager bei Robeco. In China beträgt die Marktdurchdringung elektrifizierter Fahrzeuge mittlerweile über 40 Prozent, und viele gehen davon aus, dass sie bis Ende des Jahres auf 50 Prozent steigen wird.

Die Preise liegen bereits auf dem Niveau von Verbrennungsmotoren oder darunter, was bedeutet, dass Elektrofahrzeuge in Bezug auf die Gesamtbetriebskosten günstiger sind. Ein gutes Beispiel für den Aufstieg chinesischer Hersteller ist BYD, das die Kostenführerschaft im Massensegment innehat, da das Unternehmen die gesamte Batterieproduktion selbst betreibt. 

Generell scheint zu gelten: Autobauer, die sowohl über Software-Know-how als auch eine starke Fahrzeugpalette zu attraktiven Preisen verfügen, werden als Gewinner hervorgehen. Unternehmen, die Stärken in den Bereichen fortschrittliche Fahrerassistenzsysteme und selbstfahrende Technologien haben, stehen für die Zukunft in der Pole Position. Der Markt für Robo-Taxis und autonomes Fahren wird voraussichtlich grosses Margenpotenzial bieten.

Für Stewart Hogg von Baillie Gifford ist daher eine Investition bei Tesla für Neuanleger nur angebracht, wenn der vollständig autonome «Cybercab»-Service dann wirklich eingeführt wird. Für die Chance auf Autonomie sind die gefahrenen Meilen wichtiger als die Anzahl der verkauften Autos. Tesla hat bereits seinen ersten «Masterplan» umgesetzt, und die Autonomie ist ein zentraler Bestandteil des zweiten Plans. Solche Möglichkeiten erfordern jedoch eine langfristige Perspektive.

In der Zwischenzeit hat das Unternehmen erhebliche Kapazitäten, um sein Produktportfolio zu erweitern. Gleichzeitig ist Tesla aufgrund von First-Mover-Vorteilen weltweit klar führend und hat ein sehr starkes Markenimage entwickelt.

Im Jahr 2023 war das Tesla Model Y das weltweit meistverkaufte Auto in allen Kategorien. «Der amerikanische Hersteller steht nun einer ernsthaften Konkurrenz durch chinesische Unternehmen gegenüber, die in China subventioniert werden und trotz Markteintrittssteuern immer noch attraktive Preise anbieten», warnt jedoch Leflaive. Gleichzeitig dringen auch europäische Unternehmen in vernachlässigte Marktsegmente vor.

Darüber hinaus besteht die Gefahr, dass die Preispolitik von Tesla nicht nachhaltig ist und die Rentabilität zusammenbricht. «Wir sind von der Gesamtqualität des Unternehmens nicht vollständig überzeugt», sagt Hua Cheng von Mirova.

Ist Technologie Trumpf?

Neue Player, neue Technologien und Absteiger sind in der Elektromobilität an der Tagesordnung, Unsicherheit ist die Folge: Apple hat seine Pläne zum Bau eines Elektroautos, dem Apple Car, aufgegeben, könnte aber laut Gerüchten eine Partnerschaft mit Rivian eingehen. Fisker steht vor dem Bankrott. Xiaomi aus China wird hingegen seinen SU7 in Europa auf den Markt bringen und hofft, innerhalb von 20 Jahren mit den Top 5 der Welt konkurrieren zu können.

Der Suchmaschinenanbieter Baidu will ebenfalls in den Markt einzusteigen, insbesondere bei autonomen Autos, musste sich aber wegen fehlender Expertise an den chinesischen Hersteller Geely wenden. In China könnten auch Unternehmen wie Huawei Ambitionen zeigen.

«Im Bereich der Fahrzeugintelligenz werden grosse Technologieunternehmen, insbesondere Halbleiterunternehmen, voraussichtlich die grossen Profiteure sein», prognostiziert Busscher von Robeco. Für die Anpassung ihrer Software an Elektrofahrzeuge arbeiten Unternehmen wie Google, Apple und Qualcomm bereits eng mit den Automobilherstellern zusammen.

Nvidia bietet ebenfalls Lösungen für Elektro- und autonomes Fahren an. Das Unternehmen entwickelt eine Komplettlösung mit unschlagbaren Vorteilen wie Hardware, Software und Rechenzentren, um Probleme zu identifizieren, zu analysieren und zu beheben. 

«Automobilhersteller zu werden, ist ein Beruf für sich. Das Elektroauto ist der Übergang von der Motorisierungs- zur Batteriekompetenz», sagt Baptiste Leflaive. Das ist etwas, was den Big Tech-Unternehmen fehlt, ganz zu schweigen von der Logik der Produktions-, Logistik- und Kundendienstnetze. Dieser kapitalintensive und investitionsgetriebene Sektor könnte daher die Ambitionen von Technologiekonzernen, die mit den Herausforderungen der Automobilindustrie nicht vertraut sind, bremsen.

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