Plus 23 Prozent: Um so viel ist der Aktienkurs von General Motors seit Anfang Jahr gestiegen. Die Präsentation zur E-Zukunft des amerikanischen Autoherstellers an der grossen Eletronikmesse CES in Las Vegas hat offenbar richtig eingeschlagen. GM-Konzernchefin Mary Barra stellte den Plan vor, bis 2025 insgesamt 30 rein elektrisch betriebene Autos auf den Markt zu bringen.

Diesen Monat machte auch Volkswagen Schlagzeilen: Im relativ kleinen, aber wichtigen E-Automarkt Norwegen rückte VW vor allem dank der Marke Audi an die Spitze der Zulassungen. Im Land, wo schon über die Hälfte der neuen Autos rein elektrisch fahren, ist Tesla nur noch Nummer Zwei. Und in ganz Europa schickt sich das vergleichsweise günstige Kompaktmodell ID.3 von VW an, an die Spitze der Verkaufsrankings bei E-Modellen vorzustossen. 

In der Schweiz hat sich bei den Zulassungen der Anteil rein elektrisch betriebener Autos 2020 im Vergleich zu 2019 auf 8,2 Prozent verdoppelt – Tendenz wohl weiter steigend. Und davon sind nicht alles Teslas. Werden also Hersteller wie GM und VW zu den neuen Stars am Elektroautohimmel und auch an der Börse?

GM begeistert die Märkte mit «BrightDrop»

Börsianer und Analysten sind im speziellen begeistert von der GM-Entwicklung BrightDrop. GM-Chefin Barra stellte vor wenigen Tagen diese Produktinitiative vor, in dem ein elektrisch betriebener Lieferwagen so mit organisationsunterstützender Software ausgestattet wird, dass "smarte" Anlieferungen möglich sind.

Die GM-Aktie seit Anfang 2020 (Grafik: cash.ch).

Der Logistikkonzern FedEx wird 500 E-Lieferwagen des Typs EV600 mit 400 Kilometern Reichweite von GM einführen. Das Vehikel hat die von GM selbst entwickelten und letztes Jahr vorgestellten Ultium-Batterien. Die darum herum gebaute modulare GM-Elektroauto-Plattform ermöglicht es, günstige Autos im grossen Stil herzustellen.

Bei der GM-E-Auto-Intiative erwarten optimistische Marktbeobachter beispielsweise, dass dem Konzern die hohe Markentreue in Nordamerika nützen wird. Was Tesla vorgespurt hat, soll bei GM hilfreich sein, auch bei der Aktie: "GM beginnt ein Stück von dieser Bewertung abzubekommen, jetzt, wo man sich mehr und mehr auf diesen Markt konzentriert", sagt der bekannte Tech-Analyst Dan Ives von der Anlagegesellschaft Wedbush.

Märkte kaufen Volkswagens E-Story noch nicht

Ives ist nicht allein, und Analysten sind trotz eines rekordhohen Aktienkurses generell bullish bei GM. Gern wird darauf hingewiesen, dass GM unterbewertet und de facto mehr wert sei als "die Summe all der Teile". Eine erfolgreiche Elektro-Strategie würde GM sicherlich noch attraktiver machen. 

Inwiefern eine Aktie wie General Motors (oder auch anderer traditioneller Hersteller) zur Elektroauto-Aktie wird, ist bei aller derzeitigen Begeisterung aber noch eine Wette auf die Entwicklung der nächsten etwa fünf Jahre. So eine Spekulation auf künftige Entwicklung ist auch VW.

Von den europäischen Traditionsherstellern ist VW über die Marken Volkswagen, Audi, Skoda und bald auch Seat bei der E-Produktepalette schon ein Stück weiter als Daimler und BMW. VW liefert Elektroautos in unterscheidlichen Fahrzeugklassen aus. Dies erklärt mit, warum VW bei den Absatzzahlen in europäischen Ländern so weit vorne liegt.

Marke/AktiePerformance
seit 1.1. 2021
Performance
seit 1.1. 2020

General Motors

 

+23 Prozent

 

+34 Prozent

Volkswagen

 

+2 Prozent

 

-16 Prozent

NIO

 

+5 Prozent

 

+1413 Prozent

Tesla

 

+13 Prozent

 

+860 Prozent

Daten: cash.ch/Bilder: Imago Images

Doch ein Blick auf den Börsenkurs zeigt, dass der Markt die E-Story hinter VW noch nicht "gekauft" hat. Der Verkaufsrückgang der traditionellen Fahrzeuge und die unsicheren Aussichten auf 2021 wiegen schwerer als die Erfolge mit den neuen E-Modellen. Der Kurs liegt 10 Prozent tiefer als vor dem Beginn der Coronakrise und vor allem, noch ein Drittel unter dem Wert vor dem "Dieselskandal" von 2015.

NIO stellt vieles in den Schatten

In einem Markt, der sich sehr schnell verändert, könnten VW und Co noch von einem ganz anderen Hersteller bedrängt oder im Endeffekt gar überholt werden: Als "chinesisches Tesla" ist NIO, wie eine Auswertung von cash.ch und der Partnerbank cash Zweiplus im vergangenen Jahr zeigt, schon heute eine beliebte Auslandinvestition auch von Schweizer Anlegerinnen und Anlegern. Aus gutem Grund: Der Kurs liegt 1400 Prozent höher als Anfang 2020. 

Autos von NIO sind laut Experten so gut, wenn nicht besser als Teslas. Ein für 2022 geplantes NIO-Modell, die Limousine ET7, soll eine Reichweite von 1000 Kilometern ermöglichen. Standard ist bisher etwas mehr als die Hälfte davon. Und bei NIO kann man den Akku auf Wunsch austauschen, statt dass man ihn aufladen muss - was allerdings im Moment noch attraktiver klingt, als es ist.

Vor ein paar Tagen gelang es NIO, über eine Wandelanleihe 1,5 Milliarden Dollar aufzunehmen. Der Preis, zu dem diese Obligationen in Aktien gewandelt werden könnten, liegt bei 93 Dollar. Das ist enorm viel mehr als der aktuelle Börsenkurs von 56 Dollar und zeigt, was für Erwartungen das Management hat. An der Börse ist die NYSE-kotierte NIO ganz klar eine grosse Wachstumsstory. Wie Tesla haben sich im Kurs in den letzten Tagen Gewinnmitnahmen gezeigt. Doch für Mutige ist dies bekanntermassen eine Einstiegsgelegenheit. 

Tesla bleibt (vorerst) einzigartig

Alles in allem aber bleibt der first mover Tesla im Moment bei Entwicklung und Technologie an der Spitze und bei den Zulassungen weltweit weit vor der Konkurrenz. Soeben hat die Auslieferung des kompakteren SUV Model Y in China angefangen. Das Modell dürfte dort und in anderen Märkten einen reissenden Absatz finden, denn es ist laut Autokennern "das genau richtige Modell" für die richtige Zeit.

Tesla, und darin unterscheidet sich der Charakter der Aktie von anderen Autoherstellern, wird am Markt als Technologiekonzern wahrgenommen. Und zwar im disruptiven Sinn. Tesla ist auch für die Käufer oft mehr als nur ein Auto, sondern Teil eines Lebensstils, der ein hohes Bewusstsein für Ökologie, Technologie und Design verbindet. Tesla hat es geschafft, ein einzigartiges Image zu kreieren, wie es einstmals auch Apple gelungen ist.

Was dies der Tesla-Aktie nützt, dazu gibt es viele Meinungen. Bei der ultrahoch bewerten Aktien haben sich zuletzt Überhitzungstendenzen gezeigt. Nach einer fast-Verzehnfachung des Kurses haben kurz vor der 900er-Marke in den vergangenen Tagen Gewinnmitnahmen eingesetzt. Tatsache ist aber: Im Moment ist die Tech-Begeisterung der Aktienmärkte noch nicht vorbei.