"Tax-Loss Selling" bedeutet, dass professionelle Investoren in den USA einen Teil ihrer Aktien mit Verlust verkaufen. Diesen können sie dann steuerlich angeben. Mit der Folge, dass sich die Kapitalabgaben bei gut laufenden Aktien reduzieren. Oft zielen diese institutionellen Anleger darauf ab, mit dem Tax-Loss Selling ihre Steuerlast ganz zu eliminieren.
Die steuerlich relevanten Verluste müssen bis zum 31. Oktober realisiert sein. Dies bringt bereits schlecht laufende Aktien unter Druck, führt aber möglicherweise zu einem schnellen Rebound und höheren Kurse auf das Jahresende hin. Wie immer lässt sich dieses Phänomen nicht präzise voraussagen, es gibt dazu aber eine Statistik, die zumindest die Vergangenheit beschreibt.
So haben laut der Bank of America im breiteren US-Index S&P 500 seit Mitte der Achtziger Jahre Aktien, die in den ersten zehn Monaten des Jahres jeweils über 10 Prozent an Wert verloren hatten, in den folgenden drei Monaten im Schnitt 5,6 Prozent gewonnen. Die Überperformance dieser Aktien zum Index beläuft sich gemäss dieser Statistik auf 1,6 Prozent.
Wie die US-Nachrichtenplattform für Börsenthemen Marketwatch.com schreibt, haben institutionelle Anleger in den vergangenen Wochen stark verkauft. Kolumnist Michael Brush nennt eine Reihe von Aktien, bei denen er nach dem Tax-Loss Selling Potential sieht. Vor allem deswegen, weil die Unternehmen an sich gute Resultate und Prognosen vorlegen.
Zu diesen Titeln gehört die Aktie des Chip-Konzerns Intel. Trotz guter Drittquartals-Resultate ist der Kurs in den vergangenen vier Wochen um über 8 Prozent zurückgegangen. Investoren könnten sich von Intel getrennt haben, weil der Kurs seit April deutlich unter Druck steht. Seit der vergangenen Woche hat die Intel-Aktie aber wieder Auftrieb.
Auch Anlegerinnen und Anleger, die dieses Jahr Aktien des lateinamerikanischen E-Commerce-Konzerns MercadoLibre gekauft haben, haben leicht Geld verloren. Zwar zeigte der Kurs des Nasdaq-kotierten argentinischen Unternehmens im bisherigen Jahresverlauf zwei Anstiege auf über 2000 Dollar. Das Minus der vergangenen drei Monate summiert sich aber jetzt auf 20 Prozent. Die Kurs-Vervierfachung des Corona-Gewinners war 2020. Nun könnte es aber wieder aufwärts gehen. Der Hauptgrund ist nach wie vor, dass Onlinehandel auf dem amerikanischen Kontinent südlich der USA weiterhin besonders grosses Potential hat und die Wachstumsaussichten für die Branche dort als hoch eingeschätzt werden.
Die Donut-Kette Krispy Kreme wiederum hat seit dem Börsengang im Juli beim Börsenkurs fast nur verloren. Derzeit handelt die Aktie auf dem tiefsten Stand seit dem Debut. Auf den Gedanken ans Verkaufen, um Kursverluste steuerlich anzugeben, sind wohl viele Fondleitungen gekommen. Die süss-klebrigen Produkte der Kette verkaufen sich gut und der Expansionskurs scheint intakt zu sein.
Marketwatch-Kolumnist Brush nennt insgesamt zehn Titel, denen er nach den steuerlich motivierten Verkäufen neues Potential zutraut. Dazu gehören der Zahlungsdienstleister Global Payments, das Pharmaunternehmen Incyte und Viatris, der Telekomkonzern T-Mobile, das Lebensmittelunternehmen Lamb Weston Holdings oder der Energiedienstleister New Fortress Energy. Auch bei einem weiteren Chip-Unternehmen scheinen die grossen Investoren wieder zuzukaufen: Qualcomm, wo der Kurs seit Anfang Jahr um ein Viertel zurückgegangen ist, hat zuletzt an der Börse wieder einen steigenden Kurs verzeichnet.