Genau ein Jahr ist es her, als die Corona-Pandemie an den weltweiten Börsen einschlug. Bis dahin war man in Europa und den USA dem Trugschluss unterlegen, diese Krise sei in erster Linie ein chinesisches, vielleicht ein asiatisches Problem. Doch am 19. Februar 2020 schlug das Pendel um. Die Panik an den Börsen, die bis dahin vorwiegend im Shanghai Composite zu beobachten war, schwappte schlagartig über in die ganze Welt. Der Schweizer Leitindex SMI brach innerhalb von vier Wochen um fast 30 Prozent ein.
Noch schlimmer traf es den Dow Jones und den europäischen Leitindex Eurostoxx 50, deren Kurse im gleichen Zeitraum jeweils knapp 40 Prozent in die Tiefe rauschten. Doch was dann einsetzte, hatten selbst die grössten Aktien-Bullen kaum auf dem Radar: Die Märkte kamen schlagartig zurück und legten eine fast V-förmige Erholung hin.
Grund war eine beispiellose expansive Geld- und Fiskalpolitik der Notenbanken und Regierungen. "Diese Finanzhilfen sind grösser als alles, was wir 2008 gesehen haben", sagt Matt Forester, Anlagechef bei Lockwood Advisors, einer Tochter von BNY Mellon, gegenüber Bloomberg.
Doch die Erholung des breiten Marktes gemessen an den grossen Indizes täuscht darüber hinweg, dass die Rally massgeblich von einzelnen Branchen wie insbesondere dem Technologie-Sektor getrieben wurde. Andere Sektoren wie etwa die Reise-Branche leiden noch immer stark. Ein Blick auf die Verlierer und Gewinner der einzelnen Länderindizes seit dem 19. Februar 2020 zeigt dies exemplarisch.
Schweiz - SMI in den letzten zwölf Monaten: Minus 3,21 Prozent, SPI plus 0,35 Prozent
In der Schweiz performte in den letzten zwölf Monaten die Aktie des Pharmazulieferers Lonza am besten. Die Basler freuten sich bereits vor Corona über volle Auftragsbücher. Seit der Pandemie ist Lonza zusätzlich als Produzent des Moderna-Vakzins im Geschäft mit den Corona-Impfstoffen ganz vorne mit dabei. Nach einer starken Rally im ersten Halbjahr 2020 legte die Aktie seit dem Sommer eine Verschnaufpause ein. Für Analysten ist dies aber nur ein Luftholen für weitere Kursgewinne.
Auffallend zudem: Die Aktien vieler Schweizer Traditionsfirmen wie Swiss Re, Swisscom, Swiss Life, Novartis, Roche, Nestlé oder Zurich befinden sich in der unteren Tabellenhälfte - mit teils deutlicher Negativperformance. Insbesondere bei Swiss Re ist die Kurs-Erholung bisher ausgeblieben. Der Rückversicherer leidet noch immer unter den schwer abschätzbaren Kosten der Corona-Schäden. Anleger brauchen hier weiter Geduld.
Gewinner am breiteren Markt sind der Technologie-Titel Logitech sowie die Online-Apotheke Zur Rose. Beide Unternehmen profitierten als klassische "Zuhause-bleiben-Aktien" stark vom Lockdown. Kurzfristig würde insbesondere bei Zur Rose eine Korrektur nicht überraschen. Langfristig dürften beide Unternehmen weiter vom fortschreitenden Trend der Digitalisierung profitieren.
Europa - Eurostoxx 50 in den letzten zwölf Monaten: Minus 3,46 Prozent
Im europäischen Leitindex Eurostoxx 50 nimmt der Zahlungsdienstleister Adyen den ersten Platz ein. Das niederländische Unternehmen, welches einst grosser Konkurrent der Skandalfirma Wirecard war, profitiert vom durch Corona beschleunigten Trend zum elektronischen Bezahlen. Die Aktie hat laut Goldman Sachs trotz des steilen Kursanstiegs weiteres Potenzial. Die US-Bank erhöhte diese Woche das Kursziel auf 2800 Euro (aktueller Kurs: 2174 Euro).
Auch der Chipausrüster ASML ist Profiteur eines durch Corona beschleunigten Trends. Mehr Digitalisierung heisst: Es braucht mehr Chips. Die Aktie des ebenfalls aus den Niederlanden stammenden Unternehmens hat trotz bereits hoher Kursgewinne allein durch die zunehmende Bereitstellung der 5G-Mobilfunktechnologie weiteres Potenzial nach oben.
Grösster Verlierer ist – wenig überraschend – Airbus. Der Flugzeugbauer leidet unter dem zu grossen Teilen lahmgelegten Passagierflugverkehr. Eine Erholung der Aktie scheint angesichts vorsichtiger Hoffnungen auf eine Normalisierung näher zu rücken, gleicht aber immer noch einer Wette.
Deutschland - Dax in den letzten zwölf Monaten: Plus 1,80 Prozent
In Deutschland ist Delivery Hero als Essenslieferant klarer Corona-Profiteur. Die Aktie des Dax-Neumitglieds ging seit der Pandemie durch die Decke, obwohl das Unternehmen trotz Hochkonjunktur in der Pandemie bis heute Verluste schreibt. Hier besteht erhebliche Korrektur-Gefahr. Stark eingebüsst hat hingegen die Bayer-Aktie. Der Pharma-Konzern leidet stark unter der Monsanto-Übernahme, mit der sich Bayer Milliarden-Klagen einheimste. Jetzt scheint eine Einigung näher zu rücken. Die Aktie ist ein guter Turnaround-Kandidat.
Grossbritannien - FTSE 100 in den letzten zwölf Monaten: Minus 9,14 Prozent
Auf der britischen Insel gehört Ocado zu den grössten Gewinnern im FTSE 100. Die Firma stellt Software für Online-Händler, insbesondere Lebensmittelhändler her und profitiert damit ebenfalls von einem durch Corona beschleunigten Trend. Die Aktie gewann vor allem im ersten Halbjahr 2020. Seitdem geht es an der Börse auf und ab.
Grosser Verlierer ist hingegen der britische Triebwerksbauer Rolls-Royce. Corona hat das ohnehin schwächelnde Geschäft weiter stark gedrückt, was schliesslich eine Kapitalerhöhung nötig machte. Credit Suisse hat wenig Hoffnung und gibt ein Kursziel von 0,53 Pfund aus (Aktueller Kurs: 0,94 Pfund).
USA - Dow Jones in den letzten zwölf Monaten: Plus 7,53 Prozent, Nasdaq 100 plus 42,36 Prozent
In den USA hat vor allem der Technologie-Index Nasdaq 100 einen beispiellosen Lauf hinter sich. Titel wie der Videokonferenz-Softwareanbieter Zoom oder der Onlinefitnesskurs-Anbieter Peleton sind klare Corona-"Gewinner" und an der Börse zwischenzeitlich nach oben geschossen. Beide Aktien sind sehr heissgelaufen und anfällig für grössere Korrekturen, sobald sich die Corona-Lage entspannt.
Mit Abstand schwächster Titel im Dow Jones ist Boeing. Die Aktie des Flugzeugbauers hatte wegen der tragischen Unglücke mit dem Krisenflieger-Modell 737 MAX schon vor Corona gelitten. Auch für die Nach-Corona-Zeit ist nicht genau abschätzbar, wie sich der Flugverkehr entwickeln wird. Die Aktie ist nichts für vorsichtige Investoren. Apple steht dafür einsam an der Spitze.