Die Aktie des Zürcher Vermögensverwalters EFG International steigt am Montagvormittag um rund vier Prozent auf 12,70 Franken. Medienberichten zufolge laufen Gespräche zu einer Übernahme von EFG durch den Konkurrenten Julius Bär. Anderen berichte zufolge sind die Gespräche schon beendet worden. 

Laut Andreas Venditti, Analyst bei der Bank Vontobel, steht und fällt eine mögliche Übernahme mit der Familie Latsis. Mit ihrer 45-Prozent-Beteiligung kontrolliert die Familie aus der griechischen Reederei-Dynastie die EFG faktisch nach wie vor. «Entscheidend wird sein, welche Bedingungen für eine Übernahme die Familie stellt», sagt der Vontobel-Analyst im Gespräch mit cash.ch. 

Für eine Übernahme spreche die Bewertungssituation. EFG steht verglichen mit Julius Bär zurzeit besser da als noch vor wenigen Jahren. Die Aktie von Julius Bär ist tendenziell gefallen, während die Aktie von EFG deutlich gestiegen ist. Venditti: «Das dürfte die Verkaufsbereitschaft der Familie Latsis erhöhen.»

Wie der Vontobel-Analyst weiter erklärt, dürfte der Zeitpunkt aus Sicht von EFG kaum günstiger werden als jetzt. Die Bank habe in den letzten Jahren stark von den steigenden Zinsen profitiert - was wegen der voraussichtlich wieder sinkenden Zinsen nicht mehr möglich sein werde. Zudem würden die Kosten bei EFG steigen, da die Bank wieder mehr Kundenberater eingestellt hat. «Alles in allem wird die Bewertung von EFG also kaum mehr weiter steigen.»

Andreas Venditti kann sich sogar einen «Reverse Takeover» vorstellen. «Der Grössere übernimmt den Kleineren zwar. Doch der Kleinere gibt die Bedingungen vor und kann beispielsweise den CEO-Posten besetzen.» EFG kommt aktuell auf 4 Milliarden Franken Marktwert. Zum Vergleich: Die Börsenkapitalisierung von Julius Bär liegt knapp dreimal höher, bei 11,3 Milliarden Franken.

ZKB sieht starke industrielle Logik für eine Fusion

Die Zürcher Kantonalbank (ZKB) schreibt in einem Kommentar, es gebe eine starke industrielle Logik für eine Fusion. Die kombinierten verwalteten Vermögen dürften rund 600 Milliarden Franken erreichen, womit die beiden Banken klar zu den Top drei der Schweizer Privatbanken gehören würden - nach UBS und Pictet. Auf der Kostenseite dürften vor allem im Backoffice substanzielle Reduktionen möglich sein. Allerdings seien die Kulturen, beispielsweise die Entlöhnungssysteme, der beiden Banken sehr unterschiedlich, was eine Zusammenführung erschweren würde.

Die Analysten der ZKB sehen denn auch kurzfristig eher keinen Zusammenschluss. Mittelfristig bleibe eine Fusion aber möglich, was auch die ständigen Meldungen und Gerüchte in der Presse erklären dürfte, heisst es. Die ZKB sieht attraktivere Fusionsszenarien: Insbesondere kleinere Akquisitionen dürften für beide Privatbanken im Vordergrund stehen, womit ein allfälliger Margendruck weitgehend abgefedert werden könnte.

Diskussion um Übernahme läuft seit Längerem

Zu einer Übernahme von EFG durch Julius Bär wurde in den letzten Jahren immer wieder spekuliert. Am Freitag nun schreib die Nachrichtenagentur Bloomberg, Julius Bär habe in den letzten Wochen vorläufige Gespräche mit EFG über die Möglichkeit eines Zusammenschlusses geführt. Laut Reuters sind diese Gespräche jedoch abgebrochen worden.

Am Dienstagmorgen wird EFG über den Geschäftsverlauf der ersten vier Monate 2024 informieren. Allerdings ist nicht zu erwarten, dass die Spekulationen um einen Zusammenschluss gross kommentiert werden. Beide Banken wollten am Freitagabend, als die Spekulationen auftauchten, jedenfalls keine Kommentare abgeben.

(Mit Material der Agentur AWP)

Reto Zanettin
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