cash.ch: Die steigenden Hypothekarzinsen machen vielen Hausbesitzern Sorgen. Zurecht?

Donato Scognamiglio: Wer im Saron finanziert ist, denkt sofort an den weiteren Zinsverlauf. Festhypothekarnehmer fragen sich auf der anderen Seite, ob sie bei Fälligkeit künftig zu einem höheren Satz refinanzieren müssen. Das sind die Sorgen der Eigenheimbesitzer.

Haben wir den Zinshöhepunkt erreicht - oder steigen die Finanzierungskosten weiter?

Der Markt geht von einer Seitwärtsbewegung aus, und dank der rückläufigen Inflationsentwicklung sollte der Zinspeak erreicht sein. Das würde bedeuten, dass man sich keine Sorgen machen muss. Diese Haltung ist meiner Meinung nach aber keine gute Idee, und zwar aus einem ganz anderen Grund: Wir müssen vorsorgen. Die Frage, welche sich Hausbesitzer und Immobilienbesitzer stellen müssen, ist, ob sie einen Zinssatz von 5 Prozent bezahlen können, respektive ist es selbst möglich, 6 Prozent für die Hypothek zu bezahlen. 

Eine Hypothek von 5 bis 6 Prozent dürfte einen Grossteil der Immobilienbesitzer vor grössere Probleme stellen.

Die 1990er-Jahre haben gezeigt, dass die Hypothekarsätze selbst in der Schweiz bis auf 8 Prozent steigen können. Das bedeutet: Wer genügend Cash hat, kann im Saron bleiben. Wer dagegen nicht über die weitere Zinsentwicklung spekulieren will, ist mit einer Festhypothek gut beraten. Dadurch geht er zwar das Risiko ein, dass er dann zu viel zahlt, wenn die Leitzinsen in Schweizer Franken wieder sinken. Aber der Hausbesitzer ist abgesichert und die Hypothek wird nicht zu teuer. Insofern: Sorge nein, vorsorgen ja. 

Saron und die Zinssätze für Hypotheken haben sich angeglichen. Bleibt das über die nächsten Monate so?

Der Markt erwartet, dass die Angleichung über die nächsten ein bis zwei Jahre weitergeht. Mittelfristig kommen wir aber wieder in eine normale Fristenstruktur bei den Zinsen - sprich die längerfristigen Zinsen bilden sich weniger stark als die kurzfristigen zurück und die sogenannt inverse Zinsstruktur verschwindet. Konkret erwarten wir, dass die kurzen Swap-Sätze in einem Jahr etwa bei 1,30 Prozent stehen und die langen bei 1,6 oder 1,7 Prozent. Dazu kommt noch die Marge der Bank. Aber grundsätzlich ist schon davon auszugehen, dass sich die Zinssätze normalisieren nach dem starken Anstieg in den letzten 17 Monaten. 

Geopolitisch kann es aber auch anders kommen und die Zinsen steigen weiter...

Es ist klar, dass die Zinsen nur sinken werden, wenn es zu keinen Kriegen kommt, die den Ölpreis in die Höhe treiben. Die Inflation ist ja nicht nur stark durch die Kerninflation, sondern speziell auch durch die Energiepreise getrieben. Haben wir wieder eine höherer Inflation, wird wahrscheinlich Thomas Jordan, Präsident der Schweizerischen Nationalbank (SNB), wieder an der Zinsschraube drehen. Jeder ist dann froh, wenn er nicht zu hohe Schulden hat. Letztendlich besteht aber nicht nur beim Zins ein Risiko, sondern auch bei den Immobilienpreisen. 

Sinken die Häuserpreise, wenn die Zinsen weiter steigen?

Für die Hauseigentümer wird es dann unangenehm, wenn die Bank feststellt, dass der Hypothekarnehmer zwar den Zins bezahlen kann, er aber wegen dem Wertverlust Geld nachschiessen muss oder im schlechtesten Fall gar das Haus verkaufen muss, weil nicht mehr genügend Eigenkapital vorhanden ist. Das ist das Schreckensszenario, welches Eigentümer in die Bredouille bringen würde. Dann kämen die Preise am Markt richtig ins Rutschen. Mit einem solchen Szenario rechne ich aber nicht, der Markt ist aufgrund der hohen Nachfrage robust.

Was empfehlen Sie Hausbesitzern, die in den letzten zehn Jahren gekauft und eine relativ hohe Hypothek haben? 

Entscheidend ist, dass innerhalb von 15 Jahren die Eigenkapitalbasis nach dem Hauskauf kontinuierlich aufgestockt wird und die Hypothek von einer Belastung von 80 Prozent auf 65 Prozent zurückgeführt wird. Das stellt sicher, dass eine Preiskorrektur bei den Immobilien abgefedert werden kann, ohne dass man sofort mehr Eigenkapital zur Verfügung stellen muss. Gerade in unsicheren Zeiten ist für mich eine Reduktion des Fremdkapitalanteils unerlässlich, denn das grösste Risiko für die Hausbesitzer ist und bleibt fehlendes Eigenkapital. Ein weiteres Problem ist bei einem Notverkauf, dass der Verkaufspreis unter Druck kommt. Das kann zu einem noch grösseren Verlust führen. Es gilt wirklich eine Situation zu verhindern, in welcher der Hausbesitzer mit dem Rücken zur Wand steht. 

Ist der Saron denn im aktuellen Umfeld überhaupt zu empfehlen?

Wer über genügend frei verfügbares Sparkapital in Form von Bankguthaben oder Spargeldern verfügt, kann bewusst im Saron bleiben und auf Zinssenkungen durch die SNB in den nächsten zwei Jahren spekulieren. Wer aber im Beruf ein angespannte Situation hat oder sich nicht ganz sicher ist über die Zukunftsaussichten, der sollte meiner Meinung nach eher eine feste Hypothek abschliessen. 

Je höher die Belastung, desto eher sollte eine Festhypothek abgeschlossen werden?

Ja, sofern nicht noch weitere Sicherheiten vorhanden sind. Je höher die Belastung, desto grösser ist das Risiko des investierten Eigenkapitals. Deshalb gehen die Banken auch nicht über eine Finanzierung von 80 Prozent hinaus, weil dies noch riskanter wäre. Je tiefer die Finanzierung, desto immuner ist der Besitzer gegen Preisschwankungen an der Zinsfront und im Immobilienmarkt. 

Der Investitionsbedarf zur energetischen Sanierung dürfte in der nahen Zukunft manchem Besitzer Kopfzerbrechen bereiten?

Dieser Punkt kommt tatsächlich hinzu. Je nach Wohnort gibt es kantonale Vorschriften, wonach ich die Ölheizung mit einer Wärmepumpe innert gegebener Frist ersetzt oder das Dach und die Fassade energietechnisch saniert werden muss. Das geht wegen den entsprechende Auflagen ins Geld. 

Das Klimaziel «Nettonull» zwingt die Hausbesitzer, dem nachzukommen. Was bedeutet das für die Immobilienpreise?

Kurzfristig betrachtet macht es die Anlageklasse Immobilien weniger attraktiv. Dies ist, wie wenn ich bei Aktien noch zusätzliche Gebühren bezahlen müsste. Gerade bei grösseren Projekten sehen wir, dass die Kapazitäten bei den Handwerkern nicht vorhanden sind, so dass eine energetische Sanierung nicht innert der geforderten Frist realisiert werden kann. Das führt dazu, dass Immobilien mit einem Abschlag der Kosten für die Sanierung verkauft werden. 

Wer bezahlt dafür?

Zuerst muss der Eigentümer das Geld in die Hand nehmen, bezahlen tut es aber dann der neue Mieter oder der neue Eigentümer des Einfamilienhauses oder der Eigentumswohnung. Es wird einfach teuer. Problematisch ist das insofern, als dass sehr viele Leute sich in der Schweiz erschwinglichen und günstigen Wohnraum wünschen. Der Grossteil des Marktes verlangt keine Luxusimmobilien. Gerade für die einkommensschwachen Familien dürfte es schwer werden. Das sind Herausforderungen. 

Steigen deswegen die Immobilienpreise weiter?

Es führt primär zu steigenden Kosten. Es braucht einerseits einen gut dotierten Erneuerungsfonds, andererseits ist gut zu überlegen, in welchen Häusern und Wohnungen man leben will. Die Frage ist, ob ich wirklich in eine 30-jährige Wohnung einziehen will, die in den Jahren totalsaniert werden muss und ich hernach die doppelte Miete zahle. Gerade älteren Leuten tun gut daran - sofern sie es sich leisten können, in etwas Neues umzuziehen, um diesem Sanierungszyklus zu entgehen. 

Donato Scognamiglio ist Verwaltungsratspräsident und ehemaliger CEO & Teilhaber des Informations- und Ausbildungszentrums für Immobilien (IAZI) in Zürich.

 

 

 

 

 

 

 

Thomas Daniel Marti
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