Mitte November hat Stadler in einer Gewinnwarnung die Ziele für 2024 kassiert. So kündigte der Zugbauer an, dass das für 2024 angepeilte Umsatzziel von 3,5 bis 3,7 Milliarden Franken wegen der Unwetter in mehreren Ländern Europas nicht mehr erreichbar sei.

Konkret dürfte sich der Umsatz laut Analysten nun auf 3,3 Milliarden Franken belaufen mit einem Reingewinn von 79 Millionen Franken (Vorjahr: 139 Millionen Franken). Die Umsätze sind aber nicht verloren, sondern verschieben sich ins Jahr 2025. Finanzchef Raphael Widmer rechnet mit Umsatzverschiebungen in einer Grössenordnung von rund 150 bis 200 Millionen Franken.

Die Kosten für die Unwetter belasten den EBIT von 2024. Stadler bezifferte den Verlust bei der EBIT-Marge auf maximal 2 Prozentpunkte. Zuvor hatte der Konzern über 5 Prozent EBIT-Marge angepeilt. Damit ist für 2024 nun mit einer EBIT-Marge von mindestens 3 Prozent zu rechnen.

Ein weiteres Augenmerk liegt auf der Dividende, wobei die Analysten von einer Kürzung ausgehen. Sie dürfte bei 0,68 Franken zu stehen kommen, nach 0,9 Franken im Vorjahr. 

Auch der bisherige Ausblick für die Jahre 2025 und 2026 wurde in der Folge ausgesetzt. Zuvor hatte Stadler für 2025 Umsätze zwischen 4,0 und 4,2 Milliarden Franken sowie eine EBIT-Marge von circa 7 Prozent als Ziel ausgegeben. Und für 2026 wollte der Konzern ursprünglich wegen des starken Anstiegs der Fahrzeugabnahmen Umsätze zwischen 5,0 und 5,5 Milliarden Franken bei einer EBIT-Marge zwischen 7 und 8 Prozent erreichen.

Der Konzern hat ein Aufholprogramm ausgearbeitet, dessen Einzelheiten noch nicht bekannt sind. Analysten erhoffen sich hierzu Details vom Management.

Unwetter und Probleme

Die Unwetter in der Schweiz, in Österreich und Spanien haben die Produktion in Werken von Stadler Rail gestört. So wurde beispielsweise das Stadler-Werk in Valencia überschwemmt, blieb aber bis auf einige zerstörte Aussenlager unbeschädigt. Schwer getroffen wurden auch rund 30 Zulieferer. Damit verzögert sich die für den Frühsommer 2025 geplante Lieferung neuer Trams für die Stadt Lausanne. Trotz des Rückschlags ist die Inbetriebnahme der Lausanner Trams weiterhin für 2026 vorgesehen.

Gebremst wurde Stadler auch vom Produktionsunterbruch von Constellium im Wallis, dessen Werke nach der Überflutung durch die Rhone im Sommer mehrere Monate stillstanden. Constellium liefert Stadler Aluminium-Wagenkästen, die in der Folge fehlten. Ende Oktober wurde die Produktion wieder aufgenommen, seit vergangenem Monat verfügt das Constellium-Werk wieder über die volle Kapazität. Stadler hat deshalb die Kurzarbeit von rund 120 Beschäftigten im eigenen Werk Altenrhein aufgehoben. Bis der Rückstand aufgeholt ist, dürfte es aber noch bis zum Sommer dauern.

Die Schäden an den Anlagen von Stadler wie auch die Kosten für einen neuen Doppelstockzug für die ÖBB, der bei einer Überschwemmung im Inbetriebsetzungszentrum im niederösterreichischen Dürnrohr zerstört wurde, sind laut dem Finanzchef durch Versicherungen gedeckt.

Derweil gibt es bei diversen Bestellungen Probleme: Beim Grossauftrag zur Erneuerung der U-Bahnflotte in Berlin kämpft Stadler mit Softwareproblemen, die zu Verzögerungen führen. Insgesamt soll Stadler bis im Jahr 2035 bis zu 1500 U-Bahn-Züge an die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) liefern. Das Gesamtvolumen des Rahmenvertrags summiert sich auf maximal 3 Milliarden Euro. Bestellt wurden allerdings bis Mitte November erst 376 Wagen. Dies führte zu einer Unterauslastung im Werk Berlin-Pankow.

Auch bei der Auslieferung der Bestellung der englischen Bahngesellschaft Nexus ist Stadler in Verzug geraten, weil zusätzliche Tests mit der Elektronik des Zuges nötig sind. Bis Ende dieses Jahres sollen die Hälfte der 2020 bestellten 46 Züge auf der Schiene rollen. Die andere Hälfte soll 2026 geliefert werden. Bisher beliefen sich die Vertragsstrafen von Nexus gegen Stadler seit Vertragsbeginn 2020 auf 2,3 Millionen Pfund.

Neue Märkte und Aufträge

Als positive Nachricht meldete Stadler, dass Anfang November im polnischen Bialystok ein Werk für Stromrichter in Betrieb genommen wurde. Am neuen Standort sollen jährlich über 500 Umrichter produziert und rund 250 Mitarbeiter beschäftigt werden.

Zudem hat Stadler die Produktion in Kasachstan hochgefahren. Der Zugbauer plant, dort 600 Arbeitsplätze zu schaffen. Das wären 200 Stellen mehr als bisher bekannt.

Stadler führt seine Aktivitäten in den USA seit Anfang Jahr als eigenständige Division. Es handelt sich um eine Reaktion auf den «Buy America Act», der vorgibt, dass bei staatlich finanzierten Projekten mindestens 60 Prozent der Wertschöpfung in den USA generiert werden müssen.

Gleichzeitig hat Stadler Rail wieder eine Reihe von Aufträgen an Land gezogen: In der Schweiz hat die SBB bis zu 129 Güterlokomotiven bestellt. Ans Westschweizer Transportunternehmen Transports Publics du Chablais (TPC) werden 13 Zahnradbahnen Anfang 2028 geliefert. Der Vertrag hat einen Wert von rund 140 Millionen Franken.

Zudem liefert Stadler 11 neue Meterspur-Lokomotiven an die Rhätische Bahn (RhB) und die Matterhorn Gotthard Bahn (MGBahn) für rund 100 Millionen Franken. Der Regionalverkehr Bern-Solothurn (RBS) hat bei Stadler 20 neue dreiteilige Triebzüge für rund 190 Millionen Franken bestellt. Und die Montreux-Berner Oberland-Bahn (MOB) haben einen Vertrag über sechs neue Lokomotiven unterzeichnet.

Die Stadler-Signalsparte hat von der Chemins de fer du Jura (CJ) einen Auftrag mit einem Volumen von 4,3 Millionen Franken erhalten. Stadler liefert neue Sicherungsanlagen für die Bahnhöfe Tavannes und Orange im Berner Jura. Für die Sihltal Zürich Uetliberg Bahn (SZU) modernisiert Stadler die Sicherungsanlagen in den nächsten zehn Jahren. Der Auftrag hat einen Wert von rund 34 Millionen Franken.

Im Ausland hat der Konzern ebenfalls mehrere Verträge an Land gezogen: So hat die Signalsparte ihren grössten Auftrag in ihrer Geschichte in der US-Stadt Atlanta gewonnen. Die Metropolitan Atlanta Rapid Transit Authority (Marta) will das gesamte Schienennetz für 500 Millionen Dollar mit einem neuen Signaltechniksystem ausrüsten.

Zudem liefert Stadler 17 elektrische Güterlokomotiven an die zur litauischen Staatsbahn gehörende Güterbahn LTG Cargo. Und die dänische Bahngesellschaft Lokaltog bekommt bis zu 24 Batterietriebzüge, während die österreichische Westbahn drei Hochgeschwindigkeitszüge des Typs «Smile» erhält.

Stadler und der US-Bahnstreckenanbieter Caltrain haben ihre Partnerschaft erweitert. Neu wird sich Stadler auch um den technischen Support sowie die Ersatzteilversorgung kümmern. Der Vertrag deckt alle aktuellen und künftigen elektrischen Stadler-Triebzüge von Caltrain in der kalifornischen Bay Area ab. Und nach Texas werden vier zusätzliche DMU Flirt-Züge an die Gesellschaft Trinity Metro geliefert.

Die Lissabonner U-Bahn-Betreiberin Metropolitano de Lisboa hat 24 Metro-Züge für 134 Millionen Euro bestellt. Und die Utah Transit Authority (UTA) aus Salt Lake City hat bis zu 80 neuen Stadtbahnwagen im Wert von 129 Millionen US-Dollar geordert. Die Betreibergesellschaft der Pariser Metro RATP erhält zwölf Lokomotiven für den Unterhalt des Streckennetzes.

Überdurchschnittlicher Aktienkurs

Die Stadler Rail-Aktien haben seit Jahresbeginn um etwa 12 Prozent zugelegt. Damit schneiden sie noch besser ab als der Gesamtmarkt, gemessen am SPI mit einem Plus von rund 10 Prozent. Im Vorjahr gaben die Titel rund 34 Prozent nach.

Das durchschnittliche Kursziel liegt bei 21,74 Franken, also knapp 2 Franken unter dem derzeitigen Kursniveau. Kein Analyst empfiehlt die Aktie zum Kauf, acht nehmen mit «Halten» eine abwartende Position ein, während zwei Experten zum Verkauf raten.

(AWP/cash)