27 der 31 von der Nachrichtenagentur Reuters befragten Ökonomen und Finanzmarktexperten erwarten, dass die Notenbank den Leitzins am Donnerstag erneut um 0,25 Prozentpunkte auf 0,75 Prozent senken wird. Vier der Befragten gehen von einer stärkeren Rücknahme um 50 Basispunkte aus. 2025 dürfte der SNB-Leitzins dann nahe oder bei null liegen und damit tiefer sinken, als Volkswirte bislang erwartet hatten.
An den Finanzmärkten wird angesichts der niedrigen Inflation in der Schweiz und der Sorge der Währungshüter vor einer weiteren Aufwertung des Frankens ein grösserer Zinsschritt der Notenbank um 0,5 Prozentpunkte eingepreist. «Die Marktbewertung könnte eine Zinssenkung um 25 Basispunkte zu einer etwas hawkishen Überraschung machen», sagte Christian Schulz, stellvertretender Chefökonom für Europa bei der Citigroup.
«Aber wir sehen angesichts der robusten Wirtschaft und des stabilen Wechselkurses weiterhin keinen Grund - und auch wenig Aussicht auf dauerhaften Erfolg - für stärkere Senkungen». Schulz geht allerdings davon aus, dass die SNB ihre Inflationsprognosen nochmals senken könnte und im Ton «dovish» bleiben wird.
Die Schweiz hat eine der niedrigsten Inflationsraten unter den grossen Volkswirtschaften. Zwar stieg die Jahresteuerung im November leicht auf 0,7 Prozent, sie liegt aber weiterhin im unteren Bereich der von der SNB angepeilten Spanne von null bis zwei Prozent. Für das kommende Jahr prognostiziert die Notenbank aktuell 0,6 Prozent Inflation und für 2026 dann 0,7 Prozent.
Etwas mehr als die Hälfte der befragten Ökonomen - 15 von 28 - erwartet, dass der SNB-Leitzins im kommenden Jahr auf 0,25 Prozent oder sogar auf null sinken wird. In einer Umfrage vom September hatte die niedrigste Prognose für 2025 einen Zinssatz von 0,5 Prozent veranschlagt.
«Wir erwarten einen weiteren Rückgang der Inflation in den kommenden Monaten, so dass die Risiken für die Preisstabilität eindeutig auf der niedrigeren Seite angesiedelt sind», sagte Karsten Junius, Chefökonom bei der Bank J.Safra Sarasin. Junius, der am Donnerstag mit einer Zinssenkung um 50 Basispunkte rechnet, geht davon aus, dass das schleppende Wachstum im Euroraum die Schweizer Exporte beeinträchtigen wird.
Die Schweiz hat bereits den zweitniedrigsten Zinssatz unter den grossen Volkswirtschaften nach Japan, das die Zinsen in diesem Jahr in kleinen Schritten auf 0,25 Prozent angehoben hat. Anders als die Bank von Japan hat es die Schweizer Zentralbank aber mit einer starken Währung zu tun, die zwar die Teuerung bremst, aber auch die Exporte der Schweizer Unternehmen verteuert. Der Franken hat seit der letzten Zinssenkung im September gegenüber der Hauptexportwährung Euro um rund zwei Prozent aufgewertet.
Die Schweizer Währungshüter entscheiden in der Regel viermal jährlich gegen Ende des Quartals über die Zinsen. Eine erneute Zinssenkung wäre die vierte der SNB in Folge, seit die Notenbank im März die Zinswende eingeläutet hat. Nur wenige Stunden nach den Schweizer Währungshütern wird am Donnerstag die Europäische Zentralbank (EZB) ihre Zinsentscheidung veröffentlichen. Auch die Euro-Wächter um Notenbankchefin Christine Lagarde dürften Volkswirten zufolge den am Finanzmarkt massgeblichen Einlagensatz um weitere 0,25 Prozentpunkte auf 3,00 Prozent senken.
(Reuters)