Seit dem 18. Oktober ist der Swiss Market Index (SMI) 6,5 Prozent gefallen - auf ein Niveau, bei dem er zuletzt Anfang August angelangt war. In das Bild eines sinkenden Marktes passt, dass mehrere Einzeltitel neue Tiefstände erreicht haben. Prominentes Beispiel ist Nestlé. Die Aktie hat seit Mitte Oktober 11 Prozent nachgegeben und liegt damit in diesem Zeitraum an letzter Stelle im SMI.

Die Aktie des Lebensmittelkonzerns notierte am Dienstag vorübergehend bei 76,04 Franken, einem neuen Sechsjahrestief. Es wurde just am Investorentag erreicht, an dem Konzernchef Laurent Freixe den Wachstumsplan des Unternehmens aus Vevey vorstellte. Vorgesehen sind nun die Ausgliederung von Nestlé Waters, weitere Kostensenkungen sowie ein mittelfristiges organisches Wachstum von «vier Prozent plus». 

Freixe setze «ein deutliches Zeichen», schreibt Vontobel-Analyst Jean-Philippe Bertschy. Aber: Bevor das Wachstum wieder anzieht, müssen verschiedene Schritte getan sein. «Das Gesamtjahr 2025 wird ein Übergangsjahr sein», so Bertschy. Anleger brauchen also Geduld, viel Geduld. Für Nestlé sprechen das vergleichsweise günstige Kurs-Gewinn-Verhältnis von 18 sowie die historisch betrachtet solide Dividendenpolitik. Zudem sieht der Analystenkonsens bei einem Zwölf-Monate-Kursziel von 92,38 Franken ein Aufwärtspotenzial von rund 20 Prozent. 

Geduld und - bei einem Kaufentscheid - auch etwas Wagemut braucht es ebenfalls bei anderen Schweizer Aktien, die in letzter Zeit unter die Räder geraten sind. Das heisst auch, nachgenannte Aktien könnten in nächster Zeit durchaus weiter fallen, aber auf langfristige Sicht bieten sie nun ein attraktives Kursniveau.

Bei Sensirion etwa setzte der jüngste Kursverfall Ende September auf einem Stand von 73,40 Franken ein. Er führte die Aktie am Dienstag auf ein Mehrjahrestief von 52,50 Franken. Zum einen hat anscheinend die Schwäche der Autoindustrie belastet, welche das Unternehmen aus Stäfa mit Sensoren beliefert. Zum anderen haben Analysten ihre Kursziele zurückgenommen. Der Experte der Investmentbank Stifel hielt zwar am «Hold»-Rating fest, senkte Anfang November das Preisziel jedoch auf 68 von 75 Franken. Das Wachstum sei auf Kurs, doch kurzfristig immer noch mit einem relativ hohen Preis verbunden, so die Begründung. Dazu berechnete der Experte einen 18-prozentigen Aufschlag gegenüber den Mitbewerbern beim Verhältnis von Unternehmenswert zu operativem Gewinn.

Allerdings: Kein von Bloomberg erfasster Analyst rät, die Papiere von Sensirion zu verkaufen. «Buy»- und «Hold»-Ratings halten sich in etwa die Waage. Zudem ist das durchschnittliche Kursziel seit April nicht gesunken, sondern leicht gestiegen. Und so hat sich nach dem Kursverfall der vergangenen Wochen ein Aufwärtspotenzial von 42 Prozent ergeben.

Ebenfalls ohne Verkaufsempfehlung kommt Tecan bisher davon. Ein paar Analysten haben die «Buy»-Ratings sogar mehrfach bestätigt. Davon unbeeindruckt ist die Aktie des Laborausrüsters soeben auf dem tiefsten Stand seit Anfang 2019 angelangt, bei 206,60 Franken. Einschneidend war, dass das Unternehmen Mitte Oktober den Ausblick für das Gesamtjahr 2024 stutze. Seit der Berichterstattung zum ersten Halbjahr hätten sich die Geschäfte schlechter entwickelt als erwartet. Weiter werde weder mit einer signifikanten kurzfristigen Verbesserung der aktuellen Marktbedingungen noch mit Auswirkungen des neuen China-Konjunkturprogramms im Jahr 2024 gerechnet.

Zuversicht hat der zuständige Analyst der Privatbank Berenberg Anfang Woche verbreitet. Wohl senkte er das Kursziel, bestätigte aber seine Kaufempfehlung und schrieb: «Nach einer starken Investitionsphase beginnen die Wachstumstreiber durchzuscheinen.» Der Experte geht davon aus, dass das Unternehmen ein mittleres bis hohes einstelliges organisches Umsatzwachstum und ein zweistelliges Gewinnwachstum erzielen wird. Sein Kursziel befindet sich bei 264 Franken und damit fünf Franken tiefer als der Konsens. Doch auch damit vermutet der Berenberg-Analyst einen Kursanstieg um mehr als 25 Prozent gegenüber den aktuellen Notierungen. 

Durchalteparolen zu Barry Callebaut

Anhaltend unter Druck steht LEM. Allein in diesem Jahr hat die Aktie 60 Prozent an Wert verloren. Am Dienstag ist sie bei 770 Franken auf einem Mehrjahrestief angekommen. Stark unter Druck gerieten die Papiere des Komponentenherstellers, nachdem er Mitte November schwache Halbjahreszahlen vorgelegt hatte. Eine schnelle Erholung sehen Analysten nicht, da das Marktumfeld schwierig bleibe. Mittelfristig sind die Experten optimistischer. Beispielsweise setzt das Analyseunternehmen Research Partners das Zwölf-Monate-Kursziel bei 1300 Franken an. Es ist tiefer als noch im Sommer, wird aber von einem «Buy»-Rating begleitet und fügt sich in den Expertentenor ein. Dieser ruft ein Preisziel von 1315 Franken und mehrheitlich Kaufempfehlungen aus.

Bislang nicht aus dem Börsentief gefunden hat DocMorris. Die aktuellen Kurse um 30 Franken liegen zwar über dem Allzeittief von 23 Franken, entsprechen jedoch nur einem Bruchteil des Allzeithochs, das bei 514 Franken Anfang 2021 erklommen wurde. Im Oktober berichtete das Unternehmen von einem deutlichen Umsatzwachstum im dritten Quartal des laufenden Jahres. Offenbar zieht das Geschäft mit den elektronischen Rezepten in Deutschland an. Zudem wurde der Ausblick für das Gesamtjahr bestätigt.

Unter Experten herrscht denn auch vorsichtiger Optimismus. Es gibt deutlich mehr «Buy»- als «Sell»-Ratings, das durchschnittliche Kursziel von 49 Franken lässt auf einen Kursanstieg um 63 Prozent in den nächsten Monaten schliessen. Allerdings zeigt ein zweiter Blick auf die Analystenschätzungen Nuancen: Zum Beispiel hat Jefferies das Preisziel im September von 110 auf 65 Franken gesenkt und seither nicht mehr erhöht - auch nicht, nachdem DocMorris im Oktober einen wachsenden Umsatz kommunizierte und den Ausblick bestätigte.

«Durchnavigieren» - so lautet das Motto, das die britische Bank Barclays für Barry Callebaut (BC) nach dem Abschluss des Geschäftsjahres 2023/24 ausgegeben hat. Der Schokoladehersteller steigerte den Umsatz und den bereinigten Betriebsgewinn. Sorgen bereitete Barclays hingegen die Cash-Flow-Erzeugung bei BC. Weiter schrieb die Zürcher Kantonalbank, der Kakaobohnenpreis bleibe die grosse Unbekannte für die Entwicklung der Aktie. Diese sackte nach der Berichterstattung von 1561 auf inzwischen 1306 Franken ab. Barclays glaubt jedoch an eine Wiederbelebung auf 1800 Franken. Damit würde der höchste Stand seit Juni 2023 erreicht.

Die Aktien von EFG International fielen im Sommer nach den Halbjahreszahlen und dem Abebben von Übernahmegerüchten durch Julius Bär insgesamt rund 20 Prozent. Der Vermögensverwalter ist an der Börse seit Anfang September aber konstant leicht am Zulegen. Die Ratingagentur Moody's betätigte zuletzt das langfristige Emittentenrating mit "A3" und erhöhte den Ausblick auf "stabil" von zuvor "negativ". Die Ratingeinschätzung reflektiere die von EFG erzielten Fortschritte etwa bezüglich Kapitalisierung und Rentabilität, so Moody's. Die Bank verfüge über einen guten Puffer, um allfällige Reputationsrisiken, Rechtsstreitigkeiten oder Marktrisiken aufzufangen.

Reto Zanettin
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