«Compounder»-Aktien sind die Eliteklasse für langfristig orientierte Anleger. Unter «compounding» versteht man normalerweise den Zinseszinseffekt. Der Zinseszins soll das achte Weltwunder sein, sagt man. Doch auch bei Aktien ist ein vergleichbarer Effekt möglich. Unternehmen mit den Compounder-Eigenschaften schaffen nachhaltigen Mehrwert über eine lange Zeit, wovon Dividendenwachstum und besonders der Aktienkurs profitieren.

Compounder sind in der Regel finanziell robuste und etablierte Unternehmen, die langfristig hohe Renditen erzielen. Dabei spielen die regelmässigen Investitionen des Unternehmens eine zentrale Komponente. Reinvestieren diese Unternehmen erzielte Cashflows und Gewinne diszipliniert in das operative Geschäft, entsteht aufgrund der Wettbewerbsvorteile, Positionierung und der dabei überdurchschnittlichen erzielten Rendite über einen lange Zeitdauer ein bedeutender Mehrwert auf jeden investierten Franken.

Die Finanzmärkte sind sich nicht über alle Punkte einig, was einen Compounder ausmacht. Die US-Grossbank Morgan Stanley beispielsweise definiert Compounder als Unternehmen mit qualitativ hochwertigen Geschäftsmodellen, idealerweise mit wiederkehrenden Erträgen, die auf dominanten und langlebigen immateriellen Vermögenswerten aufbauen, über Preissetzungsmacht verfügen und eine geringe Kapitalintensität aufweisen.

Andere sehen den Kern der Stärke eines Unternehmens im sogenannten Burggraben («moat»), der sich nicht zwingend nur auf kapitalarme Sektoren beschränkt. Für alle Marktteilnehmer sind hingegen die Langlebigkeit und Nachhaltigkeit der Umsätze und Gewinne, starke Bilanzen, eine innovationsgetriebene Geschäftskultur aber auch die Visibilität der zukünftigen Ergebnisse zentrale Komponenten für einen Compounder.

Konkret bedeutet dies, dass beispielsweise für Morgan Stanley die Rendite auf dem investierten Kapital (ROIC), die Höhe der operativen Margen sowie ein stabiles Umsatzwachstum mit mehrheitlich organischem Wachstum statt Akquisitionen wichtige Kennzahlen sind.

Der Schweizer Markt beheimatet viele Compounder

Auf der Suche nach Compoundern am Schweizer Aktienmarkt fällt auf, dass im Verhältnis aller gelisteten Aktien die hiesige Börse ein dichtes Vorkommen aufweist. Im Swiss Performance Index (SPI), der aus 200 Titeln besteht, kommen zwischen 20 und 30 Compounder vor - das sind mehr als 10 Prozent. Für ein derart kleines Land ist das beachtlich.

Identifikationsfaktoren für die Schweizer Compounder sind teilweise die von Morgan Stanley verwendeten Kriterien. Abgewichen ist cash.ch von der Kapitalintensität des Geschäftsmodells - denn der hiesige Markt verfügt über mehrere Industrietitel, die eine Volatilität des Umsatzwachstums eines defensiven Sektors aufweisen - Beispiele sind Geberit, Sika oder Belimo. Auch wurde weniger Gewicht auf das Alter eines Unternehmens gelegt. Der heimische Markt verzeichnete jüngst einige Spin-offs grösserer Unternehmen aus noch grösseren Konzernen. Bei vielen handelte es sich um bereits etablierte Unternehmen und diese haben wenig Gemeinsamkeiten mit einem traditionellen Startup - Beispiele sind Galderma, Sandoz oder Accelleron. Diese nur aufgrund des Alters auszuschliessen wäre ein Verlust. 

Der SPI zählt 15 Compounder mit einer Rendite auf dem investierten Kapital (ROIC) von über 14 Prozent. Der Bankensoftwarehersteller Temenos schneidet mit einem ROIC von über 36 Prozent am besten ab, weist die drittbeste Ebitda-Marge nach Swisscom und Novartis auf und ist mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von 17,4 bewertet - das liegt unter dem langjährigen Durchschnitt von 24. 

Grund für die tiefe Bewertung ist das tiefere Wachstum und die im Frühjahr vorgefallenen Ereignisse um den US-Shortseller Hindenburg Research. Die Affäre hatte nicht nur einen bedeutenden negativen Einfluss auf den Kursverlauf, sondern auch auf das operative Geschäft. Temenos hat seither sämtliche Vorwürfe durch eine externe Revision widerlegt.

Kursverlauf von Temenos in Franken.

Auch Novartis und Roche schneiden sehr gut ab. Roche verfügt über ein besseres ROIC, wobei die Aktien mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von 13,5 etwas teurer als die Titel von Novartis mit einem vorwärtsgerichteten KGV von 12 sind. Roche weist zudem eine der tiefsten Schwankungsbreiten des Umsatzwachstums auf - 5 Prozent. Visibilität ist trotz der nicht immer allzu sicheren Zukunft der Forschungsergebnisse im Pharmasektor mittelfristig durchaus gegeben.

Weiter fallen die Industriekonzerne Geberit, Belimo und Lem auf. Trotz der Geschäftstätigkeit in zyklischen Sektoren glänzen besonders Geberit und Belimo mit Schwankungsbreiten des Umsatzwachstums vergleichbar mit denen des Pharmasektors. Ihre Margen sind zwar etwas tiefer - Geberit (29 Prozent) und Belimo (34 Prozent) -, doch die aussergewöhnliche Stabilität in einem zyklischen Sektor macht sich in der Bewertung deutlich: Geberit (27,5) und Belimo (43,7) sind exorbitant teuer.

Unternehmen ROIC Ebitda-Marge KGV 2025 Volatilität des Umsatzwachstums der letzten 5 Jahren

Volatilität des Umsatzwachstums der letzten 15 Jahren

Novartis 17.6% 40% 12 6% 8%
Temenos 36.2% 39% 17.4 7% 10%
Roche 24.8% 38% 13.5 5% 5%
Ypsomed - 33% 33.6 4% 9%
Geberit  25.5% 29% 27.5 9% 7%
Accelleron 32.6% 27% 20.9 - -
Inficon  35.4% 23% 21.8 12% 17%
Belimo 33.9% 23% 43.7 7% 6%
Lindt & Spruengli 16.2% 21% 34.1 9% 7%
Lem Holding 25.6% 21% 21.1 13% 18%
Nestlé 14.3% 21% 18.3 7% 7%
Sandoz 19.0% 20% 11.6 - -
ABB 23.0% 19% 20.2 8% 10%
Interroll 21.9% 19% 26.3 14% 15%

Quelle: LSEG.

Nestlé weist mit gut 14 Prozent zwar das tiefste ROIC der Gruppe auf, aber die Kombination von Marge (21 Prozent), Volatilität (7 Prozent) und attraktiver Bewertung (18,3) machen die Titel des weltgrössten Nahrungsmittelmutli interessant. ABB verfügt ebenfalls über eine tiefe Schwankungsbreite des Umsatzwachstums und attraktives ROIC (23 Prozent). Lediglich das KGV von knapp über 20 ist im historischen Vergleich etwas teuer - der langjährige Durchschnitt liegt bei 17.

Vorsicht vor zyklische Sektoren und Start-ups

Auch die 13 Vertreter der zweiten Reihe können sich sehen lassen. Zwar sind die Renditen auf dem investierten Kapital deutlich niedriger - der Zinseszinseffekt dürfte umso tiefer ausfallen. Dennoch weisen sie im Vergleich zu weiteren SPI-Aktien ein attraktives Stabilitäts-Ertrags-Verhältnis auf. 

Unternehmen ROIC Ebitda-Marge KGV 2025 Volatilität des Umsatzwachstums der letzten 5 Jahren

Volatilität des Umsatzwachstums der letzten 15 Jahren

Swisscom 8.7% 41% 18.6 1% 2%
Bachem 10.4% 29% 36.3 12% 11%
Lonza 8.0% 28% 32.9 13% 15%
Medacta  11.0% 26% 28.3 9% 9%
Alcon  6.8% 26% 23.1 11% 11%
Sonova  6.3% 26% 26.8 15% 9%
Holcim  11.0% 25% 13.1 12% 15%
SIG  8.3% 24% 21.5 12% 11%
Givaudan  13.5% 24% 32.6 4% 6%
Galderma 6.7% 23% 27.7 - -
Siegfried  10.9% 22% 28.5 12% 17%
Sika  11.1% 20% 27.9 8% 7%
Daetwyler 11.0% 19% 22.6 12% 10%

Quelle: LSEG.

Selbstverändlich gibt es viele SPI-Titel, die ein deutlich besseres ROIC erzielen, doch die Umsatzvolatilität ist in gewissen Fällen bis zu sechsmal höher. Die erzielten ROIC in solchen Fällen sind weniger nachhaltig.

Grundsätzlich sind die Industrie- und Grundstofftitel dieser Auswahl Ausnahmen. Morgan Stanley hat in einer Studie festgestellt, dass in kapitalintensiven Branchen wie Telekom, Versorger, Energie und Rohstoffe, Chemie und Transportwesen «nur selten starke, widerstandsfähige Unternehmen zu finden sind». 

Auch gegenüber Startups sollten langfristige Anleger gemäss der US-Bank vorsichtig sein. Zwar erreichen immer mehr den Status eines «Einhorns» - das heisst eine Bewertung von mindestens einer Milliarde Dollar - doch kürzlich berichtete die «Financial Times», dass es immer weniger dieser Unternehmen gelingt, darüber hinaus zu wachsen. In den vergangenen 20 Jahren haben es nur Meta und Uber geschafft. Von den Jahrgängen 1990 bis 2003 waren es noch sechs Unternehmen.

OpenAI ist ein gutes Beispiel. Zwar verfügt das KI-Unternehmen über eine enorme Bewertung von 157 Milliarden Dollar, doch ob und wie das Geschäftsmodell monetarisiert werden kann, ist derzeit niemandem klar. Die Wahrscheinlichkeit, dass das Unternehmen den Sprung zu einem Unternehmen mit nachhaltigen Umsätzen, stabilen Gewinnen und langfristigen Wettbewerbsvorteilen schafft, ist sehr gering.

Stattdessen beobachtet Morgan Stanley, dass Compounders am ehesten in Branchen zu finden sind, in denen relativ kapitalschonende Innovationen eine neue Nachfrage schaffen und die Preissetzungsmacht unterstützen können. Gemäss dem Finanzinstitut sind vor allem die Business-to-Consumer-Branchen dafür geeignet. 

Strategische Entscheide beeinflussen Compounder massgeblich

Die zweite Reihe wird von Swisscom angeführt, das die tiefste Wachstumsvolatilität und die höchste Ebitda-Marge ausweist. Das ROIC liegt deutlich über den europäischen und amerikanischen Branchenkollegen wie British Telecom, Telefonica oder AT&T, die Werte von 4,2 bis 7,6 Prozent erreichen. Dafür ist die Bewertung nicht günstig - das KGV von fast 19 liegt deutlich über dem historischen Durchschnitt von 14,3.

Die Titel von Holcim bilden ein attraktives Gesamtpaket zu einer unterdurchschnittlichen Bewertung. Für eine dauerhaft tiefe Bewertung könnte jedoch der Spinoff des US-Geschäfts sorgen. Zwar führt die Ausgliederung zu einem kurzfristigen Mehrwert für die Aktionäre, doch für Holcim selbst bedeutet dies das Gegenteil eines Compounders: Ein attraktives Geschäft mit einem über dem Konzerndurchschnitt liegenden Rendite und Wachstum wird ausgegliedert. 

Kursverlauf von Holcim in Franken.

Das könnte dazu führen, dass auf sehr lange Sicht das US-Pendant attraktiver wird. Für derzeitige Aktionäre, die beabsichtigen, beide Valoren zu halten, spielt dies eine untergeordnete Rolle. Für künftige Aktionäre wäre Non-US-Holcim aber unattraktiver und fällt allenfalls als Compounder weg.

Der Aromen- und Riechstoffhersteller Givaudan ist auch ein klassischer Compounder. Leider verfügt er über tiefere Margen als die Unternehmen aus der erste Reihe und die Bewertung (32,6) ist derzeit sehr hoch. Doch für geduldige Anleger dürften tiefere Kurse zum Einstieg genutzt werden. Die hohen Eintrittsbarrieren, die Visibilität der Umsätze und die Skalenvorteile dürften zu Überrenditen über viele Jahre hinweg führen.

Und Galderma, die jüngste Aktie am Schweizer Markt, verfügt über eine führende Positionierung im globalen Hautpflegemarkt und ist einen Platz auf der Watchlist wert. Denn derzeit hat das Unternehmen noch nicht den Trackrecord eines Compounders. Die Finanzanalysten der US-Bank JPMorgan erwarten jedoch ein nachhaltiges zweistelliges Umsatzwachstum des Hautpflegekonzerns.

Kursverlauf von Galderma in Franken.

Erhöht sich im Zuge der Unabhängigkeit das Wachstum, die Margen und die Rendite auf dem investierten Kapital, dürfte sich Galderma zu einem starken Compounder entwickeln. Die Bewertung mit einem KGV von knapp 28 ist etwas teuer, doch junge und schnell wachsende Unternehmen sind selten günstig. Meta hatte seinerzeit nach dem Börsengang ein KGV von etwa 50 - aus heutiger Sicht ein Schnäppchen.

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