Zum Wochenstart trifft es die Schweizer Börse erneut knüppeldick. Viele Marktteilnehmer waren durch die hohen Verluste bei den US-Futures und asiatischen Börsen verunsichert. Gleichzeitig gerieten laut Agenturmeldungen die Kurssysteme der Schweizer Börse zeitweise an ihre Grenzen - fehlende Kurse oder übertriebene Kursverluste, wie z.B. bei den Aktien von Swissquote in Höhe von mehr als 60 Prozent, wurden zwar registriert, aber im Nachhinein wieder gelöscht.

Inmitten dieses Chaos haben verschiedene Aktien ein Mehrjahrestief erreicht. Einige Titel eröffnen Chancen, bei anderen ist Vorsicht angesagt.

Kühne+Nagel

Die Aktien des Logistikkonzerns Kühne+Nagel fallen zeitweise bis auf 161,05 Franken - der tiefste Stand seit August 2020. Zwar wird sich der Rückgang des Handelsvolumen aufgrund der US-Importzölle kurzfristig negativ auf das Ergebnis auswirken. Doch Analysten erwarten, dass die zunehmende Komplexität der Handelsströme langfristig positiv auf das Logistikunternehmen auswirkt.  

Die Bewertung gemessen am Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) auf die Ergebnisse der kommenden zwölf Monate liegt bei 17 und damit leicht unter dem langjährigen Durchschnitt von 18. Kühne+Nagel wirft, eine für den Schweizer Markt, attraktive Dividende in der Höhe von 4,7 Prozent ab und gehört damit zu den höchsten im Swiss Performance Index (SPI).

Adecco

Der Kursanstieg bei Adecco war nur von kurzer Dauer. Getragen von Hoffnungen auf ein deutsches Konjunkturpaket und eine Kürzung der Dividende zugunsten einer Stärkung der Bilanz legten die Papiere seit Jahresanfang von 20,5 Franken auf fast 30 Franken zu - nur um diese Gewinne erneut abzugeben und auf bis 20,4 Franken zu sinken.

Damit notieren die Titel erneut auf dem Niveau der 1990er Jahre. Damals fielen Adecco (fast) ohne Halt vom Allzeithoch von knapp 190 Franken auf etwa 9 Franken. Das KGV kollabierte von etwa 240 auf etwa 9. 

Zwar vermögen die aktuellen Kursschwankungen nicht mithalten, Bewertungstechnisch nähern sich die aktuellen Kurse allerdings früheren Tiefständen an. Das tiefste gemessene KGV lag bei 8,8 Punkten - das derzeitige Niveau ist nur eine Haaresbreite davon entfernt. Inwiefern sich die negativen Einflussfaktoren von einer Abschottung der USA mit dem positiven Einfluss des deutschen Konjunkturpakets ausgleichen, bleibt abzuwarten. Für geduldige Anleger lockt eine Dividendenrendite von fast 7 Prozent. 

Sensirion

Sensirion befindet sich seit einigen Jahren in einer Übergangsphase. Der Umsatz sank in den vergangenen zwei Jahren um 15 Prozent und unter dem Strich resultierte ein tiefes Minus. Anfang Jahr überzeugte schliesslich der Sensorenhersteller mit über den Erwartungen liegenden Zahlenkranz. Die Aktien schossen um über 37 Prozent in die Höhe und gehörten bis Ende des ersten Quartals zu den Top-Performern im SPI.

Der sich eintrübende Konjunkturausblick dämpft die Erwartungen auf eine Erholung im zugrundeliegenden Geschäft. Die Aktien fallen am Montag zeitweise erneut auf 51 Franken - das Niveau von Anfang Jahr oder vor fünf Jahren. Trotz der erheblichen Kursverluste ist Sensirion nicht ganz günstig. Zwar befindet sich das KGV von 33 unter dem langjährigen Durchschnitt von 60, die stark schwankenden Ergebnisse und Aktienkurs machen das KGV schwankungsanfällig. Für Wachstumsaktien ist dies jedoch nichts Ungewöhnliches, das zusätzliche Risiko ebenso wenig.

Messe Schweiz

Die Messebetreiberin befindet sich in einer Sanierungsphase. Fundamentale Veränderungen im Messegeschäft und die Corona-Pandemie haben massive Einschnitte hinterlassen. Nach sieben Verlustjahren in Folge ist das Unternehmen 2024 in die Gewinnzone zurückgekehrt. «Vor diesem Hintergrund können wir bestätigen, dass unser Turnaround auf Kurs ist und planmässig voranschreitet», hiess es bei der Präsentation der Jahreszahlen Ende März.

Den Wertverlust inmitten eines breiten Marktrückgangs mag dies dennoch nicht vermeiden. Die Aktien von Messe Schweiz erreichen ein Allzeittief bei 2,97 Franken. Ergebnisschätzungen für dieses oder das nachfolgende Geschäftsjahr gibt es von Unternehmensanalysten keine. Ein zukunftsbezogenes KGV gibt es daher nicht. Das Kursziel eines einzelnen Analysten liegt hingegen 88 Prozent höher. Das Unternehmen schüttet keine Dividenden aus. Der Einfluss der US-Importzölle dürfte aufgrund der Geschäftstätigkeit vernachlässigbar sein. 

SIG

Die Valoren vom Verpackungsspezialisten SIG befinden sich auf dem Vor-Corona-Niveau auf zeitweise unter 14,50 Franken. Ende Februar publizierte SIG einen gemischten Zahlenkranz und leitete damit eine neue Abwärtsphase ein. Seit dem 25. Februar fallen die Papiere um etwa 30 Prozent.

Analysten sind mehrheitlich zuversichtlich gestimmt. Seit der Publikation der Jahresergebnisse haben fünf von 13 Experten ihr Rating um mindestens eine Stufe erhöht. Neun dieser 13 Experten raten derzeit zum Kauf. Die Bank Vontobel nennt SIG eine «strukturelle Wachstumsstory mit starker Präsenz am weniger zyklischen Markt für Nahrungsmittel und Getränke».

Die Bewertung ist mit einem KGV von unter 18 attraktiv, der langjährige Durchschnitt liegt bei über 22. Die Dividendenrendite beträgt 3,4 Prozent und seit dem Börsengang im Jahr 2019 wurden die Ausschüttungen jedes Jahr erhöht.

Bachem

Die Aktien des Pharmazulieferers Bachem verlieren in diesem Jahr über 24 Prozent, womit sie sich auf dem Niveau von Mitte 2020 befinden. Die Veröffentlichung der Jahresergebnisse sowie der Markteinbruch haben diese Abwärtsbewegung verstärkt. 

Insbesondere hoch bewertete Titel und Sektoren wurden seit vergangener Woche aus den Portfolios abgestossen. Bachem gehört nicht zwingend zur ersten Gruppe, wird jedoch in Mitleidenschaft der zweiten Gruppe, Biotech und Pharma, gezogen. 

Das vorwärtsgerichtete KGV von 25 für dieses und 18 für nächstes Jahr sind für ein Wachstumstitel nicht viel. Zudem befinden sich die Bachem-Aktien erstmals seit fünf Jahren wieder unter dem langjährigen Bewertungsdurchschnitt.

Sika

Die Sika-Aktien fallen zeitweise unter 180 Franken und notieren auf dem Vor-Corona-Niveau. Dennoch: Trotz den erheblichen Kursverlusten bleiben die Papiere des Spezialchemiekonzerns teuer. Das KGV auf den Ergebnissen der nächsten zwölf Monate liegt über 22. Der langjährige Bewertungsschnitt beträgt 17. Dabei ist der Durchschnitt durch die Hausse-Phase 2021 verzerrt, als das KGV zeitweise über 40 lag. 

Gemäss Experten überwiegen derzeit die Befürchtungen über höhere Materialkosten und ein erschwerter Zugang zu Produktionsressourcen (etwa Rohstoffe und elektronische Komponenten), die durch Zölle teurer werden. Die Dividendenrendite beträgt unterdessen 2,1 Prozent. Zum Vergleich erreicht der SPI eine Rendite von 3,2 Prozent.

UBS

Auch die Aktien der Grossbank beschleunigen die Abwärtsbewegung. Auf Jahressicht notieren sie fast 21 Prozent in der Verlustzone und egalisieren sämtliche Kursgewinne seit Mitte 2023 und damit den Grossteil seit der CS-Übernahme. 

Zölle, Aussicht auf mehr Kreditausfälle, höhere Kapitalanforderungen und geringere Gebühreneinnahmen belasten den Aktienkurs. Doch es trifft nicht nur die Schweizer: Der Stoxx 600 Bank Index verlor 20 Prozent innerhalb der vergangenen drei Tage. Das ist der grösste Verlust seit Beginn der Aufzeichnungen. Inmitten dieses Chaos sanken die UBS-Aktien zeitweise auf unter 21 Franken.

Infolge dieses Kursrutsches sinken die Papiere erstmals seit der CS-Übernahme unter den Buchwert. Für ein Finanzinstitut ein negativer Meilenstein. Anfang Juni will die Schweizer Regierung neue Kapital-Eckwerte. Bis zur Klärung dieser Frage dürften fundamentale Kursgewinne vorerst ausbleiben. Und für den Bankensektor als Ganzes dürfte nur eine geldpolitische Lockerung oder ein Strategiewechsel der USA für nachhaltige Kursgewinne nach einem derart starken Rückgang sorgen.

Luca_Niederkofler
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