Der Swiss Market Index (SMI) ist seit Jahresbeginn um 8 Prozent gestiegen, was das erste Halbjahr 2024 zu einem der besten in jüngster Vergangenheit macht. Der Markt wird insgesamt von der Hoffnung auf Fortschritte und Effizienzgewinne im Bereich Künstliche Intelligenz sowie die Hoffnung auf weitere Zinssenkungen angetrieben. Gleichzeitig verbessert sich die konjunkturelle Dynamik, wobei Europa und China aufholen. 

Eine Umfrage von cash.ch unter sieben Fondsmanagern zeigt, dass tendenziell vorsichtiger Optimismus hinsichtlich des Markt- und Konjunkturausblicks herrscht. Trotz bereits gut gelaufener Börsen wird gezielt zugekauft und auf Chancen gewartet. Insbesondere Aryzta, VAT Group und Belimo sind bei den Experten sehr beliebt. Die Börsenspezialisten haben auch Verkäufe getätigt. Hier ein Überblick.

Marc Strub, Leiter Portfolio Management Reichmuth & Co:

«Bis zum Jahresende rechne ich mit einer Marktkonsolidierung aufgrund einer etwas abgeschwächten Wirtschaftsentwicklung, jedoch nicht mit einer Rezession», sagt Marc Strub von der Privatbank Reichmuth & Co. Die Realisierung einer sanften Landung bleibe jedoch eine grosse Herausforderung. Strub sieht Potenzial in defensiven Sektoren wie dem Gesundheits- und Basiskonsumsektor und betrachtet sie als attraktive Möglichkeit für eine übergewichtete Position. 

«Roche befindet sich in einer herausfordernden Phase, und die jüngsten Rückschläge in klinischen Studien haben die Situation zusätzlich erschwert», argumentiert Strub, der auf die gedrückte Bewertung des Pharmakonzerns hinweist. Das neue Management sei aktiv und arbeite intensiv an der Entwicklung einer neuen Strategie, wobei ein besonderer Schwerpunkt auf der Überprüfung und Optimierung der Pharma-Pipeline liegt. Trotz der aktuellen Herausforderungen bleibt der Cashflow laut dem Fondsmanager stark und unterstreicht die finanzielle Stabilität des Unternehmens. Die grössten Renditen im Portfolio verspricht sich Strub jedoch von einem Unternehmen, das stark vom Halbleiterbereich abhängig ist. «VAT ist hier mein aktueller Favorit, da es Kurspotenzial hat, vom strukturellen Wachstum profitiert und eine starke Marktpositionierung besitzt.»

Kursentwicklung der Roche-Genussscheine.

Der Aktienexperte hat auch in zyklische Small-Cap-Titel investiert, insbesondere in solche, die bisher deutlich hinter der allgemeinen Marktentwicklung zurückgeblieben sind. Dazu gehören Unternehmen wie Bossard, Dätwyler und Tecan mit ihren jeweiligen Stärken in Nischenmärkten. Bei dem im Dezember für das Jahr 2024 proklamierten Spitzenreiter wartet Strub nach dem starken Anstieg auf einen Rücksetzer: Accelleron zeichnet sich durch ein stabiles, defensives Geschäftsmodell aus, das hohe Margen und Kapitalrenditen generiert. Der hohe Serviceanteil von rund 75 Prozent gewährleistet eine gute Visibilität und reduziert die Zyklizität des Geschäfts. Ein weiterer Titel, der bei einem weiteren Rückgang gekauft wird, ist das Medizintechnikunternehmen Straumann.

Patrick Hasler, Fondsmanager Aktien bei der Migros Bank:

Die aktuelle Marktlage wird laut Patrick Hasler von der Migrosbank von drei verschiedenen Themen angetrieben: Die Fantasien, die sich aus den Durchbrüchen bei der Künstlichen Intelligenz ergeben; die Möglichkeiten, die sich durch die Fettabnahmespritze in vielen Krankheitsbildern abzeichnen; schliesslich auch die Bekämpfung der Inflation. «Die Schweiz wird zwar von allen diesen Themen beeinflusst, jedoch stehen wir nicht wirklich im Mittelpunkt. Wir werden voraussichtlich im Mittelfeld mitschwimmen», so sein Fazit. In diesem Umfeld hat der Fondsmanager bei Tecan, einem «relativ günstigen Wachstumstitel», zugekauft. Auch auf der Kaufliste standen Bucher, Alcon und Huber+Suhner. Letzteres sei ein unterschätzter Technologietitel und ein typischer «Hidden Champion» in der Schweiz.

Kursentwicklung der Aktien von Huber+Suhner.

Hasler hat bei Titeln verkauft, die hauptsächlich durch Zinsfantasien angetrieben wurden. Dazu gehören in erster Linie Banken und die Maschinenindustrie – also einige Kantonalbanken, aber auch eine ABB oder eine StarragTornos. Bei Partners Group, Inficon und Comet wartet Hasler hingegen auf einen Rücksetzer. Auf die Frage, welchen Titeln er im Portfolio die grössten Kursrenditen zuspricht, antwortet der Fondsmanager: «Wir empfinden Kurseinschätzungen über Monate hinweg als Lotteriespiel – wir bevorzugen es, die Zeit zu unserem Mitstreiter zu machen und in guten Unternehmen auszuharren. In diesem Sinne gelten die oben genannten, zugekauften Titel.»

Carla Bänziger, Senior Portfolio Manager Swiss Equities bei Vontobel:

Auch wenn der Beginn des 2. Halbjahres noch holpriger verlaufen dürfte, rechnet Carla Bänziger, Portfoliomanagerin bei Vontobel, weiterhin mit einem attraktiveren Börsenumfeld, da die Zinsen in allen wichtigen Volkswirtschaften voraussichtlich gesenkt werden. Die Zeit sei reif für eine Outperformance von Mid und Small Cap Aktien gegenüber Large Caps. Bänziger glaubt, dass Belimo - insbesondere in den Regionen Asien und Nordamerika - einen erfreulichen Start ins Jahr hatte, der noch nicht im Kurs widergespiegelt ist. Sie hat zuletzt Aktien des Unternehmens aus Hinwil (ZH) gekauft. Für den chinesischen Markt wird in den nächsten Quartalen eine Trendwende erwartet, nachdem der Umsatz 2023 um 10 Prozent gesunken ist.

Kursentwicklung der Aktien von Belimo.

«Wie bereits Ende 2023 gegenüber Ihnen kommuniziert, finden wir VAT Group ein spannendes Unternehmen, das gut für die Zukunft positioniert ist», sagt Bänziger gegenüber cash.ch. Nach einer zweimonatigen Phase der Konsolidierung hat die Aktie seit Mai erheblich an Wert gewonnen. Die grösste Kursrendite erwartet sie jedoch von Clariant, das bereits in der ersten Jahreshälfte stark zugelegt hat. Clariant hat ein «grosses Renditepotenzial», da die Aktie in den letzten Jahren aufgrund firmenspezifischer Gründe eine Underperformance verzeichnete. Darüber hinaus hat das neue Management bisher einen guten Track Record aufgebaut.

Patrik Jäger, «IFS Swiss Small & Mid Cap Equity Fund»:

«Die Börsen werden nicht vom makroökonomischen Umfeld, sondern vom AI-Boom getragen. Angesichts der möglichen Produktivitätsfortschritte sind die aktuellen Bewertungen aber nicht unbedingt übertrieben», ist Jäger überzeugt. Das globale BIP beträgt etwa 100 Billionen Dollar. Rund 55 Prozent davon werden als Lohneinkommen ausgezahlt. Wenn AI-Applikationen die Produktivität der Arbeiter im Durchschnitt um nur 1 Prozent erhöhen, entspricht das einem Gewinn von 550 Milliarden Dollar, der bei Technologiefirmen anfällt. 

Jäger hat bei Aryzta und Sandoz zugekauft. Der europäische Markt für Backwaren ist immer noch sehr fragmentiert. Insbesondere in Deutschland haben kleinere Spieler zunehmend Schwierigkeiten und verschwinden vom Markt, was Aryzta zugutekommt. Die Markteinführung des Humira-Biosimilars scheint für Sandoz erfolgreich gewesen zu sein. Obwohl in den USA inzwischen mehr als zehn Humira-Biosimilars auf dem Markt sind, hat es Sandoz geschafft, einen Marktanteil von etwa 80 Prozent zu gewinnen. Zudem werden in einigen Jahren auch die ersten GLP-1 Produkte ihren Patentschutz verlieren. Es ist gut möglich, dass Sandoz auch hier generische Versionen auf den Markt bringt.

Kursentwicklung der Sandoz-Aktien.

Jäger wartet auf eine Korrektur und die Halbjahreszahlen bei Georg Fischer. Das Unternehmen hat ein attraktives Profil in strukturell wachsenden Märkten. Kurzfristig leidet das Unternehmen jedoch wahrscheinlich unter der Flaute bei der Neubautätigkeit in Europa. Neben Aryzta und Sandoz sieht er auch viel Potenzial bei Belimo. Dieses profitiert derzeit von einem starken US-Geschäft, insbesondere durch Datacenter-Projekte. Daher werden die Halbjahreszahlen voraussichtlich positiv ausfallen.

Alexandre Stucki, «Cadmos Swiss Engagament Fonds»:

«Der Schweizer Markt sollte das Jahr mit einem Aufschwung beenden, unterstützt durch sinkende Zinsen und steigende Gewinne», sagt der Fondsmanager Alexandre Stucki. In letzter Zeit hat er jedoch Verkäufe von Also und SIG getätigt, nachdem enttäuschende Ergebnisse veröffentlicht wurden. Der Richemont-Konzern hingegen wird als Kaufkandidat in Zeiten der Schwäche angesehen, insbesondere seine Schmucksparte bleibt langfristig sehr attraktiv. Aktien mit technologischem Bezug dürften sich auch im restlichen Jahresverlauf gut entwickeln, wie zum Beispiel Inficon oder VAT.

Ronald Wildmann, Fondsmanager bei Serafin:

Für Ronald Wildmann ist bemerkenswert, dass die vollen Lagerbestände aus der Covid-Zeit bei Distributoren im Investitionsgüterbereich und bei langlebigen Konsumgütern in verschiedenen Industrien immer noch vorhanden sind. Weniger überraschend ist die anhaltende Wirkung der strukturellen Inflationstreiber, die eine Entspannung an den Zinsmärkten verzögern. In diesem Umfeld hat Wildmann neue Positionen in Baloise, VZ Holding, CPH Group und Perlen Industrieholding (vormals Chemie + Papier Holding) im "Substanzwerte Schweiz" Fonds aufgebaut und sich gleichzeitig von Schweiter und Coltene getrennt. Coltene wächst deutlich unter dem Marktpotenzial und die Nachhaltigkeit der Dividende ist fraglich. Bei Schweiter sieht Wildmann aufgrund des aktuellen Zustandes der Endmärkte keine Zuversicht.

Kursentwicklung der Schweiter-Aktien.

«Im Schweizer Perlen Fonds, der auf Wachstumswerte ausgerichtet ist, haben wir unsere enttäuschende Anlage in Komax verkauft», erklärt Wildmann. Eine potenzielle Kaufmöglichkeit nach einem Rücksetzer wäre hingegen Swissquote. Wildmann sieht weiterhin die grössten Performancechancen bei Titeln, die vom KI-Boom profitieren. Dazu zählen die VAT Group, Comet, Inficon und in geringerem Masse auch die Also Group. Im Substanzwerte Schweiz Fonds erwartet Wildmann, dass HIAG bald an Performance gewinnt, da die Aktie mit einem 30-prozentigen Abschlag zum inneren Wert gehandelt wird. Kontinuierlich gute Ergebnisse im Entwicklungsportfolio sind entscheidend. «Ein möglicher Auslöser könnte der Investorentag im September sowie weiterhin sinkende Zinsen in der Schweiz sein.»

Martin Lehmann, 3V Invest «Swiss Small + Mid Cap Fonds»:

Martin Lehmann ist zuversichtlich, dass die positive Grundstimmung am Markt anhält, die bisher vor allem von Technologietiteln wie Comet, VAT oder Also in der Schweiz getragen wurde. Die Aussicht auf tiefere Zinsen gepaart mit einer möglichen Beschleunigung des Wirtschaftswachstums im zweiten Halbjahr sollte für eine erfreuliche Kursentwicklung im Jahresverlauf sorgen. Da Lehmann mit dem Fonds gut positioniert ist, hat er in den letzten Wochen keine grösseren Transaktionen getätigt. Dennoch sieht er weiterhin Potenzial in den Positionen, die im Fonds stärker gewichtet sind, wie Aryzta, Comet, SoftwareOne und Implenia.

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