Alle Jahre in den Monaten Oktober bis Dezember taucht das Wort “Jahresend-Rallye” an den Börsen auf. Damit meint man, dass Aktienmärkte in den letzten Tagen und Wochen vor dem Jahreswechsel oft deutlicher zulegen als sonst im Jahresverlauf. Grund dafür sind nicht bloss die auch auf die Börse abfärbende gute Konsumstimmung rund um Weihnachten oder höhere Saläre in Form von Boni, dem 13. Monatslohn oder Weihnachtsgeldern, die teils in Aktien fliessen.
Mitverantwortlich an der Jahresendrallye soll auch das so genannte “Window Dressing” sein. Institutionelle Investoren betreiben dabei Kursbeeinflussungen, "um stichtagsbezogen eine bessere Fondsperformance ausweisen zu können", wie die Börse Frankfurt auf ihrer Website das Window Dressing definiert. Beim Window Dressing kaufen Fondsmanager gegen Jahresende üblicherweise die Aktien, die im Jahresverlauf besonders gut gelaufen sind und die jeder Anleger in seinem Depot sehen möchte.
Handkehrum verkauft ein Fonds schlecht gelaufene Aktien, um den Fonds bei den Anlegern besser aussehen zu lassen, als er tatsächlich performt hat. Ein Fonds kann auch versuchen, "noch in den letzten Tagen vor dem Bilanzstichtag Gewinne zu erwirtschaften, indem er die Preise für einzelne Aktien durch gezielte Käufe nach oben treibt", wie die Frankfurter Börse weiter schreibt.
Window Dressing ist eine Art Schönfärberei
Window Dressing ist also eine Art Schönfärberei, und es ist auch nicht nachgewiesen, wie viele Institutionelle Investoren dies tatsächlich betreiben. Die bislang gut gelaufenen Schweizer Aktien haben aber zumindest theoretisch weiteres Kurssteigerungspotenzial bis zum Jahresende und darüber hinaus.
Allen voran die beiden Finanzaktien Partners Group und UBS. Beide Titel haben in diesem Jahr fast 40 Prozent zugelegt und stehen damit an der Spitze des Swiss Market Index. Vom Momentum her ist sicher der Vermögensverwalter Partners Group zu bevorzugen, die Aktie hat die ganze Jahresperformance im zweiten Semester erwirtschaftet. Grund waren die guten Geschäftszahlen für das erste Halbjahr. Zum Allzeithoch von Anfang November 2021 bei 1667 Franken ist die Aktie noch einiges entfernt (derzeit: 1130 Franken).
Ähnliches kann man über die Aktien von Logitech und Holcim berichten, die seit Jahresbeginn je 31 Prozent gewonnen haben. Wie Partners Group zündete auch Logitech erst im zweiten Halbjahr die Kursrakete, sie stieg von unter 50 Franken auf heute 75 Franken.
Die Aktien von Holcim zeigen seit Mitte Oktober, als an einem Investorentag neue Ziele verkündet wurden, steil nach oben und haben innerhalb eines Monats fast 15 Prozent zugelegt. Offenbar kann der Baustoffkonzern die Investoren auch in Sachen Nachhaltigkeit, lange ein grosses Manko von Holcim, immer mehr überzeugen. Die Aktie steht nun auf dem höchsten Stand seit Juli 2015.
In letzter Zeit deutlich steigende Aktienkurs haben auch Givaudan (seit einem Monat) und Swiss Re (seit drei Monaten). Die Kursgewinne haben die Jahresperformance der Titel auf 14 und 17 Prozent gebracht. Am unteren Ende des SMI-Tableaus könnten auf das Jahresende hin vor allem Lonza (minus 23) Prozent seit Jahresbeginn) und Roche (minus 18 Prozent) vom “Window Dressing” betroffen sein, allerdings mit negativem Effekt.
DocMorris und Ypsomed mit kräftigen Kursavancen im 2023
Am breiten Markt ist die Aktie der Versandapotheke DocMorris mit einem Jahresplus von 105 Prozent ein Favorit für weitere Gewinne. Nach dem Verkauf des Schweizer Geschäftes an die Migros im Februar, damals noch unter dem Namen Zur Rose - hatte der Titel (wie gewohnt) einen äusserst volatilen Kursverlauf.
Zuletzt konnte das Wertpapier aber wieder klar zulegen. Offenbar werden zum Jahresende hin deutlich mehr elektronische Rezepte in Deutschland ausgestellt als erwartet. DocMorris konzentriert sich fast nur noch auf den deutschen Markt und setzt die Hoffnungen auf eine zügige Umsetzung von E-Rezepten in Deutschland. Ab 2024 sind Ärztinnen und Ärzte verpflichtet, Verschreibungen elektronisch auszustellen.
Ypsomed (plus 72 Prozent) ist eine der Überraschungsaktien in diesem Jahr. Neben einem gut laufenden Kerngeschäft steuerte auch die Expansion mit der Insulinpumpe YpsoPump zum Wachstum bei. Die Pumpe wird eine wesentliche Rolle bei der künftigen Expansion spielen. Die Aktien notieren derzeit auf Allzeithoch und haben sich im Wert seit März 2020 fast verdreifacht.
Nach einem Durchhänger im dritten Quartal kommen die Aktien des Vakuumventil-Herstellers VAT wieder in die Spur. Das Unternehmen bekam die Schwäche der Halbleiterindustrie im dritten Quartal zu spüren, als ein deutlicher Umsatzrückgang verbucht werden musste. VAT sieht aber die Talsohle durchschritten und erwartet eine allmähliche Verbesserung der Marktbedingungen im vierten Quartal und dann im 2024.
Wie VAT hat auch die Aktie des IT-Grosshändlers Also aus Emmen LU in diesem Jahr rund 50 Prozent gewonnen. Das Wertpapier ist bei dem auf Small- und Midcaps spezialisierten Fonds "Saraselect" die grösste Position. Möglich, dass einige Investoren die Aktie auf das Jahresende “nachkaufen”.
Auch möglich ist, dass sich die Aktionäre des Solarpanel-Herstellers Meyer Burger warm anziehen müssen und negativ vom Window Dressing betroffen sind. Die Aktie hat 58 Prozent verloren, nun könnten weitere Aktien aus den Depots geworfen werden. Gleiches Ungemach droht den Titeln des Sensorenherstellers Ams Osram (minus 61 Prozent) und Idorsia (minus 87 Prozent).