Der Zollkonflikt ist aufgeflammt und belastet die Märkte. Doch es gibt auch dies: Die Aktie von ABB beispielsweise hat sich zwischen Ende Oktober 2023 und Juli 2024 von 30 auf 52 Franken verbessert. Auf den über 70-prozentigen Anstieg folgten zunächst ein Abschwung auf 43 Franken und dann ein Aufstieg auf 54 Franken.

Im Grossen und Ganzen aber bewegen sich die Valoren des Technologiekonzerns seit gut einem Dreivierteljahr seitwärts, und zuletzt ging es wieder bergab. Historisch betrachtet befindet sich ABB aber noch immer auf einem hohen Niveau.

Das generelle Muster - ein markanter Aufstieg, der in eine mehr oder weniger ausgeprägte Seitwärtsbewegung übergegangen ist - lässt sich bei einer Reihe von Schweizer Aktien beobachten, etwa bei Lonza, Nestlé, Galderma und Sandoz.

Die Verläufe können an mancher Stelle verschieden sein. Lonza beispielsweise ist zwischen Herbst 2023 und Sommer 2024 stark gestiegen, kommt seither nicht mehr wesentlich weiter - und bleibt deutlich unter den Hochständen des zweiten Halbjahres 2021 zurück. Mit letzterem unterscheidet sich Lonza von ABB.

Fraglich ist jedenfalls, ob diese Aktien bald wieder weiter steigen werden - und wenn ja, weshalb.

ABB: Rechenzentren und Ukraine-Wiederaufbau als Chancen

Die ABB-Aktie, so scheint es, wird zurzeit markant unter ihrem Wert gehandelt. Mitte Februar waren der Kurszielkonsens und der Aktienpreis gleich hoch - 51 Franken. Seither ist die Aktie auf 41 Franken gefallen, während der Konsens auf 51,80 Franken gestiegen ist. Die Zwölf-Monate-Prognose der Analystengemeinde weist folglich auf eine positivere Entwicklung hin, als es der gegenwärtige Kursverlauf vermuten lässt.

Gemäss Bloomberg reichen die Kursziele für ABB von 40 bis 66 Franken, dies nach dem US-Zollhammer der vergangenen Woche. Gemessen daran dürften die Valoren des Technologiekonzerns kaum mehr weiter fallen, sie haben sogar eher noch Luft nach oben. Dies wird auch durch Aussagen des Managements unterstrichen.

Ein Beispiel: 2023 habe das Geschäft mit Rechenzentren 12 Prozent des Auftragseingangs in der Elektrifizierungssparte ausgemacht, 2024 seien es 15 Prozent gewesen, sagte CEO Morten Wierod, als er vor Analysten zum Viertquartalsergebnis 2024 sprach. Und er sei «sehr optimistisch» für die Zukunft der Rechenzentren.

Laut Experten dürfte ABB auch zum Wiederaufbau der Ukraine nach dem Krieg beitragen. Denn beschädigte Strom- und Wassernetze müssen repariert, Notunterkünfte errichtet und kritische Energieinfrastruktur stabilisiert werden, weiss Giorgio Saraco von Belvédère Asset Management. «Schweizer Unternehmen wie ABB verfügen über das technische Know-how, um in dieser frühen Phase verlässliche Lösungen zu liefern», führt er aus.

Nestlé: Werden die selbst gesteckten Ziele erreicht?

Die Aktie von Nestlé hatte bei 73 Franken rund um den Jahreswechsel die Sohle einer dreijährigen Talfahrt erreicht. Ein rund 25-prozentiger Aufstieg führte dann bis Anfang März auf den Stand von 91 Franken. Seither schwanken die Valoren um die 90-Franken-Marke herum. Manches spricht nun für einen gemässigten, aber mittelfristig positiven Verlauf.

Denn der im vergangenen Herbst vorgestellte Wachstumsplan wird Zeit brauchen, bis er greift. Die Trendwende bei Nestlé bleibe eine «Show-me-Story», schreibt der zuständige Analyst der Investmentbank Stifel. Sprich: Der Lebensmittelkonzern soll Ziele erreichen und Resultate vorweisen, bevor die Zurückhaltung weicht. Stifel stuft Nestlé mit «Hold» und einem Preisziel von 89 Franken ein.

Mittelfristig erwartet Nesté ein organisches Umsatzwachstum von mindestens 4 Prozent und eine operative Ergebnismarge von über 17 Prozent. Gemäss Analysten dürften diese Marken 2025 verfehlt werden. Soweit dies so eintrifft, kann man ab 2026 mit einer vollständigen Zielerreichung rechnen. Nächste Anhaltspunkte zum Geschäftsgang des Konzerns aus Vevey können Anleger von der Quartalsberichterstattung Ende April erwarten.

18-prozentiges Gewinnpotenzial bei Lonza

Zwischen Ende Oktober 2023 bis Ende Juli 2024 waren die Lonza-Aktien von unter 310 auf nahezu 590 Franken gestiegen - ein rund 90-prozentiger Zuwachs und die beste Performance unter allen Titeln des Swiss Market Index in diesem Zeitraum. In der Folge verbesserten sich die Valoren des Pharmazulieferers nicht mehr gross weiter, auch wenn sie vorübergehend über der 600-Franken-Marke notierten.

Offenbar fehlen die Impulse, wie es sie in den zurückliegenden Jahren gab - und wie sich am Geschäftsgang ablesen lässt. 2024 ging der Umsatz leicht zurück, da das Covid-Geschäft weggefallen war. Bereinigt um dieses resultiert ein Umsatzplus von 7 Prozent im abgelaufenen Jahr.

Zur Präsentation des Jahresergebnis schlug das Management aber durchaus positive Töne an. Für das Jahr 2025 erwarte man eine «starke Performance» im Auftragsentwicklungs- und -herstellungsgeschäft (CDMO), mit einem Umsatzwachstum von gut 20 Prozent und einer Gewinnmarge auf Stufe EBITDA von annähernd 30 Prozent.

Dem Unternehmen spielt in die Karten, dass Pharmakonzerne Produktion und Forschung vermehrt auslagern. «Dank verschiedener Übernahmen kann Lonza ein breites Spektrum an Dienstleistungen anbieten», schreibt Elmar Sieber, Analyst der Basler Kantonalbank (BKB), in seiner Einschätzung von Anfang April. Zum Angebot von Lonza gehören neben der Produktion von Wirkstoffen wie monoklonalen Antikörpern und komplexen Proteinen auch die Herstellung von Pillenhüllen sowie Automatisierungsplattformen.

Die Basler Kantonalbank stuft Lonza mit «Übergewichten» ein und hat das Kursziel bei 630 Franken angesetzt. Daran gemessen können Anleger auf einen über 18-prozentigen Kursgewinn gegenüber dem letzten Schlusskurs vor der BKB-Analyse hoffen.

Galderma und Sandoz: Wie kann die Börsen-Erfolgsgeschichte weitergehen?

Galderma und Sandoz sind noch nicht sehr lange an der Börse. Beide haben im Februar Rekordstände erreicht und sind dann zurückgefallen.

Galderma notiert zurzeit mehr als 31 Prozent unter dem Höchststand; auch diese Aktie wurde, wie viele andere auch, vom Zollkonflikt getroffen. Doch kürzlich zeigte sich der Hauptpflegespezialist als führend im Feld der injizierbaren Ästhetik. Zum Auftritt an einem Fachkongress in Monaco sagte der Forschungschef Baldo Scassellati Sforzolini: «Wir bekräftigen unser Commitment, eine führende Kraft bei der Weiterentwicklung des Bereichs der injizierbaren Ästhetik zu sein.» Man werde das Fachpersonal mit den für die Patienten relevanten Lösungen ausstatten.

Gewisse Anwendungen überschneiden sich mit dem seit einiger Zeit verstärkten Abnehmtrend. Zum Beispiel können sie das Erscheinungsbild des Gesichts nach einer medikamentös bedingten Gewichtsabnahme verbessern.

Der zuständige Analyst der Bank of America hat die Diskussion um injizierbare Ästhetik verfolgt. Er geht davon aus, dass sie im Jahr 2026 wieder ein Wachstum im niedrigen bis mittleren zweistelligen Prozentbereich erreichen wird. Der Experte stuft Galderma mit «Buy» ein, das Kursziel von 115 Franken bedeutet über 40 Prozent Luft nach oben.

Die Valoren von Sandoz stehen zurzeit gut 27 Prozent unter dem Höchststand von 45 Franken, den sie im Februar erreicht hatten. Derweil hat das Pharmaunternehmen ein durchaus solides Jahresergebnis 2024 geliefert. Der Umsatz ist gestiegen, wobei sich das Geschäft mit Biosimilars stärker entwickelt hat als die Generika-Sparte. Auch der Kern-Nettogewinn konnte verbessert werden.

Laut den Vorgaben des Management soll der Konzern mittelfristig pro Jahr im mittleren einstelligen Prozentbereich weiterwachsen. Die Ansage findet bei Analysten Resonanz. Der zuständige Experte der US-Bank JP Morgan sieht auf mittlere bis lange Frist ein starkes Wachstumspotenzial, wie er Anfang April berichtet. Für ihn ist Sandoz ein Kauf, das Kursziel setzt er mit 46 Franken auf dem Niveau eines neuen Allzeithochs an - und ist damit nicht allein. Auch seine Berufskollegin der britischen Bank Barclays sieht Sandoz in den kommenden zwölf Monaten auf einen Rekordstand steigen. Ihr Preisziel beträgt 46,50 Franken.

Es wird sich zeigen, wie sich die Lage rund um die Zölle entwickelt und was für die verschiedenen Prognosen und den Geschäftsgang der Unternehmen noch weiter folgt.

Reto Zanettin
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