Die Entwicklung könnte nicht deutlicher sein: Während das Logistik- und Gütertransportunternehmen Kühne+Nagel an der Schweizer Börse seit Jahresbeginn 22 Prozent verloren hat, ist der Kurs des Konkurrenten DSV an der Börse in Kopenhagen um 16 Prozent gestiegen.
Diese Performanceiunterschied von 38 Prozentpunkten lässt den Schweizer Konzern auch beim Börsengewicht abfallen: Der Konzern aus Schindellegi SZ hat eine Marktkapitalisierung von 28 Milliarden Franken, während der Konzern aus Hedehusene auf 37 Milliarden Franken kommt.
Kühne+Nagel weist derzeit die schlechteste Performance im Swiss Market Index (SMI) auf und bekam Mitte September zusätzlichen Gegenwind, als DSV die Übernahme des Mitbewerbers Schenker ankündigte und damit zum Branchengiganten aufsteigt. Allerdings verweisen Experten in der Schweiz darauf, dass der Logistikmarkt extrem fragmentiert ist. So meint etwa ein Analyst der ZKB, dass Kühne+Nagel als bisheriger klarer Marktführer in der Seefracht nur einen Anteil von etwa 3 Prozent hält. Daher rechnet er nicht mit einer wesentlichen Zunahme der Wettbewerbsintensität.
Fakt ist jedoch, dass Kühne + Nagel bei den Analysten auf wenig Gegenliebe stösst. Fünf Kaufempfehlungen stehen neun «Holds» und sechs «Sells» gegenüber. Zu Letzteren gehört die Analystin von JPMorgan, die das Kursziel auf 220 Franken festgesetzt hat. Sie bevorzugt Unternehmen mit einer starken Wettbewerbsposition in Branchen mit Marktzugangsschranken und Preissetzungsmacht oder solche, die aktiv an der Konsolidierung des Marktes teilnehmen, um ihre Kostenstrukturen zu verbessern. Bei der Containerschifffahrt ist sie jedoch vorsichtig, da sich hier Sturmwolken zusammenbrauen. Die Raten hätten mittlerweile ihren Höchststand erreicht, während das Angebot weiter zunähme.
Höchste Marge unter Mitbewerbern
DSV aus Dänemark hingegen befindet sich in einer anderen Realität. Bloomberg weist 15 Kaufempfehlungen aus, bei nur einem «Hold» und einem «Sell». Das durchschnittliche Kursziel liegt 15 Prozent über dem aktuellen Kurs. Sehr bullish sind die Analysten der Bank of America, die im Nachgang der Vereinbarungsunterzeichnung zur Übernahme von Schenker das Kursziel von 1470 auf 1900 Kronen erhöhten, was ein Aufwärtspotenzial von 37 Prozent impliziert.
DSV ist der drittgrösste globale Spediteur. DSV Air & Sea ist auf die Abwicklung von Luft- und Seefracht spezialisiert, DSV Road bietet den Transport von Komplett-, Teil- und Sammelladungen in ganz Europa an, und DSV Solutions ist auf Supply Chain Management, Lagerhaltung und Distribution spezialisiert.
«Unsere vergleichende Analyse zeigt, dass DSV die höchsten Margen unter seinen Mitbewerbern hat, und wir glauben, dass das Unternehmen den Rückgang der Erträge teilweise durch niedrigere Kosten ausgleichen kann. DSV hat in den letzten zehn Jahren eine starke Erfolgsbilanz bei Fusionen und Übernahmen», schreiben die Analysten Muneeba Kayani und Othmane Briche in einem Bericht.
Diese Aussage lässt sich gut in der Gegenüberstellung zu Kühne + Nagel illustrieren: Während DSV im Jahr 2024 voraussichtlich eine adjustierte EBITDA-Marge von 13,9 Prozent erzielen wird, erwartet der Konsens bei Kühne + Nagel einen Wert von 10,4 Prozent. Auch das Wachstum ist bei DSV deutlich höher: 5,3 Prozent gegenüber 2 Prozent für 2024.
Deutliche EPS-Steigerung erwartet
DSV geht davon aus, dass die Übernahme von Schenker im zweiten Jahr nach Abschluss der Transaktion gewinnsteigernd pro Aktie sein wird. Innerhalb von drei Jahren nach Abschluss plant das Unternehmen, die operative Marge des fusionierten Unternehmens in jedem Segment mindestens auf das Niveau von DSV zu heben. Für 2023 würde dies eine Marge von 10 Prozent für Schenker im Vergleich zu 5,9 Prozent bedeuten. «Wir schätzen eine potenzielle EPS-Steigerung von 42 Prozent im Jahr 2028 für DSV», schreiben die Analysten.
Die Analyse der Bank of America basiert auf den folgenden Annahmen: 1) DSV erhöht die Margen von Schenker auf 10 Prozent; 2) ein Eigenkapitalangebot von 4,5 Milliarden Euro; 3) ein potenzieller Kundenverlust von 5 Prozent; 4) ein durchschnittliches jährliches Umsatzwachstum von 4 Prozent bis 2028; und 5) Fremdkapitalkosten von 3,5 Prozent.
«Wir glauben, dass es vernünftig ist zu erwarten, dass die Transaktion genehmigt wird. Laut Presseberichten waren im Lenkungsausschuss der Deutschen Bahn, der sich für DSV als Käufer entschied, auch deutsche Regierungsvertreter vertreten», so Muneeba Kayani und Othmane Briche. Der Speditionssektor ist zersplittert, und das kombinierte Unternehmen würde einen weltweiten Marktanteil von 6 bis 7 Prozent halten.
Aufwärtsrisiken beinhalten eine stärker als erwartete makroökonomische Erholung, die zu höheren Volumina führt, höhere als erwartete Erträge im Luft- und Seeverkehr, zusätzliche Aktionärsrenditen sowie stärkere als erwartete Kostensenkungen und Synergien aus der Schenker-Übernahme. Abwärtsrisiken beinhalten eine schwächer als erwartete makroökonomische Erholung, die zu niedrigeren Volumina führt, Druck auf die Renditen durch die De-Globalisierung und den Wettbewerb durch digitale Spediteure, geringere als erwartete Kostensenkungen und Synergien aus der Schenker-Übernahme.