Nestlé kommt derzeit nicht aus dem Börsentief. Die Aktie fällt am Freitag in der Spitze auf 72,82 Franken. Das ist der tiefste Stand seit Februar 2017 und damit so gut wie ein Achtjahrestief. Seit Anfang Jahr hat ein Verlust von knapp 24 Prozent resultiert.
Doch nun mehren sich die Stimmen, die den Abverkauf der Nestlé-Valoren für überzogen halten. So beispielsweise Jon Cox, Analyst bei Kepler Cheuvreux. «Der Ausverkauf von Nestlé war übertrieben und wahllos», sagt er. Für Christopher Rossbach, Anlagechef der Investmentgesellschaft J. Stern, ist Zeitpunkt zum Kauf von Qualitätsunternehmen wie Nestlé gekommen - da die Anleger das Vertrauen in das Unternehmen verloren haben.
Der Waadtländer Lebensmittelkonzern ist auch den Experten des Analyseunternehmens Morningstar aufgefallen: Sie haben ihn auf die Liste der fünf unterbewertetsten Schweizer Aktien gesetzt - zusammen mit Roche, Swatch, Barry Callebaut und Avolta. Andere Faktoren wie etwa Corporate Governance oder umstrittenes Management wurden in der Morningstar-Studie nicht berücksichtigt.
Unternehmen | Morningstar Rating | Fairer Wert | Burggraben |
---|---|---|---|
Nestlé | 5 Sterne | 100 Franken | breit |
Roche | 5 Sterne | 379 Franken | breit |
Barry Callebaut | 5 Sterne | 1810 Franken | breit |
Swatch | 5 Sterne | 333 Franken | eng |
Avolta | 4 Sterne | 58 Franken | eng |
Quelle: Morningstar.
Nestlé hatte am Kapitalmarkttag im November einen neuen Wachstumsplan vorgestellt, der unter anderem Investitionen ins Marketing, Kosteneinsparungen sowie das Ziel eines mittelfristigen organischen Wachstums von über 4 Prozent enthält. Diese Botschaft hat, gemessen am seither weiter gesunkenen Aktienkurs, das Vertrauen der Anleger noch nicht wiederhergestellt.
Die Neupositionierung wird Zeit brauchen. Entsprechend wird auch die Aktie nicht kurz-, sondern eher mittelfristig deutlich steigen können. Der von Morningstar veranschlagte faire Wert von 100 Franken liegt etwas höher als das Preisziel des Kepler-Cheuvreux-Analysten Jon Cox; er traut der Aktie 95 Franken zu. Beide liegen mit ihren Schätzungen über dem Konsens.
Morningstar bringt jedoch ein starkes Argument für Nestlé: Nicht die zuverlässig ausbezahlte Dividende, sondern den breiten "Burggraben". Er spricht für einen langfristig - über Jahre - wirkenden Wettbewerbsvorteil. Ähnliches behaupten die Experten des Analyseunternehmens von Roche und Barry Callebaut.
Für die Titel beider Unternehmen sehen sie ein erhebliches Aufwärtspotenzial von jeweils rund 50 Prozent. Die Perspektive geht auch hier über kurzfristige Rückschläge hinaus. Einen solchen musste Roche diese Woche hinnehmen. Das Medikament Prasinezumab hat den primären Endpunkt in einer mittleren Studienphase verfehlt. In der Folge hat sich die Aktie wieder weiter vom Jahreshoch von 288,20 Franken entfernt.
Aktuell notieren die Swatch-Valoren bei knapp 160 Franken. Von hier aus ist, dem Analystenkonsens folgend, noch fünf Prozent Raum nach oben. So gesehen erscheint der von Morningstar geschätzte Wert von 333 Franken sehr optimistisch. Die Begründung lautet: «Wir halten die Aktie nach wie vor für sehr attraktiv bewertet, da der Luxuskonsum einen zyklischen Abschwung durchläuft, der historisch gesehen nicht länger als ein bis zwei Jahre andauert.» Anleger, die Swatch kaufen oder halten wollen, brauchen somit Geduld. Allerdings sind andere Faktoren wie die der Unternehmensführung und der Investorenfreundlichkeit, welche den Titel stark belasten, in der Studie nicht berücksichtigt.
Die fünfte Aktie auf der Liste ist Avolta. Unter den von Morningstar selektierten Titeln hat sie die beste Jahresperformance hingelegt: plus 9,5 Prozent auf derzeit 35 Franken. Morningsstar geht von einer Entwicklung auf 58 Franken aus und ist damit zuversichtlicher als das Gros der Analysten. Ob die Prognose sich als realistisch erweist, hängt eng mit der Geschäftsentwicklung zusammen. Das Unternehmen hat ein jährliches Umsatzwachstum von 5 bis 7 Prozent in Aussicht gestellt. Dazu muss es sich in einem fragmentierten Markt sowie einem konjunktursensitiven Umfeld behaupten.
2 Kommentare
Sowohl Swatch als auch Avolta sehe ich, wenn, dann nur leicht, unterbewertet. Beide zeigen mittelfristig wenig strategische Perspektive, haben kurzfristig nicht nur eine ganze Reihe grösserer Problemen zu lösen und stehen aktuell gar nicht gut im Markt. Beide sind daher mit erheblichen Risiko zu bewerten, was zu einer entsprechenden Diskontierung künftiger Cash Inflows und damit zurecht zu einer deutlich tieferen Bewertung führt. Beide müssen erst ihr bestehenden Altlasten beseitigen und damit Risiken eliminieren, um bei gleichem Outlook eine höhere Bewertung zu rechtfertigen.
Wer mir in der Liste "Unterbewertet" fehlt, ist Sika. Mit einem Kurs von 213.- bei sinkenden Zinsen und einem hohen Infrastrukturbaunacholbedarf in vielen westlichen und zahlungskräftigen Ländern, sieht Sika's Zukunft aus Perspektive Umsatz attraktiv aus. Umsomehr als dass Sika sich inzwischen breiter diversifiziert und auch geographisch gut positioniert hat. Der Trumpsche Protektionismus wird Sika wohl wenig anhaben können. Das Einzige, was dem entgegenwirkt, sind rechte Regierungen, die anstatt antizyklische Wirtschaftspolitik zu machen und durch entsprechende Bautätigkeiten Wachstumsimpulse zu setzen, die Staatsausgaben kürzen wollen. Was nicht funktionieren wird. Die Frage ist, wie schnell die das lernen.
Perfekt zusammengefasst.