Der Bund will die Steuervorteile des Kapitalbezugs gegenüber der Rente einebnen und sich so Zusatzeinnahmen verschaffen. Die Diskussionen darum laufen. Manche finden, die Steueroptimierung via Vorsorgewerke solle unterbunden werden. Falsch sei es, die Leute nach jahrelangem Einzahlen in die zweite und dritte Säule neuen Spielregeln zu unterwerfen, sagen andere. Das letzte Wort wird das Volk haben.

Klar ist hingegen, dass die Diskussion um die Steuern auf Bundesebene einen Teil der Gesamtbelastung ausblendet. Denn der Kapitalbezug wird nicht nur durch den Bund, sondern auch in den Kantonen besteuert. Und diese kantonalen und kommunalen Steuern machen einen Unterschied, je nachdem, wie hoch das bezogene Vermögen ist - und wo man wohnt. Die folgende Tabelle zeigt den Gesamtsteuerbetrag über alle Staatsebenen hinweg bei unterschiedlich Kapitalbezügen aus der 2. und 3. Säule in einigen Deutschschweizer Kantonen.

Kanton Kapitalbezug 250'000 Franken Kapitalbezug 1,2 Millionen Franken
Zürich 14’787 (5,91 %) 147’428 (12,29 %)
Bern 16’548 (6,62 %) 119’200 (9,93 %)
Aargau 17’859 (7,14 %) 106’425 (8,87 %)
St. Gallen 17’302 (6,92 %) 91’752 (7,65 %)
Luzern 17’405 (6,96 %) 100’760 (8,40 %)
Basel-Landschaft 12’187 (4,87 %) 116’700 (9,72 %)
Thurgau 19’117 (7,65 %) 100’464 (8,37 %)
Solothurn 17’467 (6,99 %)
94’065 (7,84 %)
Graubünden 10’800 (4,32 %) 71’520 (5,96 %)
Basel-Stadt 20’687 (8,27 %) 120’350 (10,03 %)
Schwyz 14’296 (5,72 %) 125’100 (10,43 %)
Zug 11’565 (4,63 %) 75’998 (6,33 %)
Schaffhausen 12’400 (4,96 %) 68’228 (5,69 %)

 

Gesamtsteuerbelastung Kapitalbezug Quelle: Eidgenössische Steuerverwaltung / Berechnungen für eine alleinstehende, kinder- und konfessionslose Person, die am jeweiligen Kantonshauptort wohnt; Steuerjahr 2024; Angaben in Franken; in Klammern: Steuerbetrag in Prozent der Kapitalauszahlung.

Unter allen betrachteten Orten sind Zug, Schaffhausen und Chur - als Kantonshauptstadt von Graubünden - am steuergünstigsten. Die Steuerbelastung liegt unter 5 Prozent bei einem Kapitalbezug von 250'000 Franken und unter 7 Prozent bei einem Kapitalbezug von 1,2 Millionen Franken. 

Teuer werden Kapitalauszahlungen hingegen in Basel-Stadt. Dort bezahlt man mehr als 20'000 Franken respektive 8 Prozent Steuern bei einer Kapitalleistung von 250'000 Franken. Mehr als 120'000 Franken oder 10 Prozent sind es nach einem Bezug von 1,2 Millionen Franken.

Zudem: In Kantonen wie Schaffhausen, Thurgau oder St. Gallen ist die Progression moderat, und die Steuern für einen umfangreichen und einen eher durchschnittlichen Bezug von Vorsorgeguthaben liegen vergleichsweise nahe zusammen. In Basel-Landschaft (Liestal), Bern, Schwyz und Zürich ist diese Differenz grösser, die Progression steiler.

Speziell Zürich entwickelt sich mit wachsenden Kapitalleistungen von einem Tief- zu einem Hochsteuerkanton. Ein moderater Bezug wird in der Stadt Zürich weniger stark besteuert als etwa im Aargau, in Bern oder in Solothurn. Wer jedoch 1,2 Millionen Franken oder mehr aus den Vorsorgewerken nimmt, bezahlt nirgendwo mehr Steuern als in Zürich.

Eine Möglichkeit, die mancherorts rasch anwachsende und hohe Steuerbelastung zu dämpfen, ist eine Teilpensionierung verbunden mit einem schrittweisen Bezug des Alterskapitals. Dieser Weg ist an Bedingungen geknüpft. Etwa darf der Leistungsbezug in höchstens drei Schritten erfolgen, wobei der erste Teilbezug grundsätzlich mindestens 20 Prozent der gesamten Altersleistung betragen muss. Zwischen den einzelnen Teilpensionierungsschritten soll wenigstens ein Jahr liegen. Zudem muss der versicherte, AHV-pflichtige Lohn dauerhaft sinken.

Kantone bewegen sich

Auch wenn die Steuerbeträge in einigen Kantonen gegenwärtig relativ hoch sind, so gibt es auch eine Gegenbewegung. Sie setzte allerdings schon vor den Plänen des Bundes ein, etwa mit der Steuersenkung des Kantons Nidwalden im Jahr 2020.

Und seit kurzem ist auch im Kanton Luzern eine Entlastung des Kapitalbezugs beschlossene Sache. Zwei Drittel der Stimmbevölkerung sagten im September 2024 Ja zu einer entsprechenden Steuergesetzrevision. Somit wird der Tarif für die Kapitalleistungen aus der Vorsorge nun gesenkt, und zwar in zwei Schritten - einmal in diesem Jahr und einmal voraussichtlich im Jahr 2028.

Die Massnahme ist Teil einer grösseren Gesetzesnovelle. Eines der Anliegen des umfassenderen Steuerpakets: Im Vergleich zu dem von Wettbewerb geprägten steuerpolitischen Umfeld in der Zentralschweiz könne sich der Kanton Luzern «noch weiter verbessern», schrieb der Regierungsrat in den Abstimmungsunterlagen. Bezogen auf die Kapitalleistungssteuer formulierte er, es werde «eine Belastung unter dem Schweizer Durchschnitt angestrebt».

Anders gesagt: Auch in diesem Bereich gibt es einen Steuerwettbewerb zwischen den Kantonen. Ob er sich verschärft, sollte eine höhere Kapitalleistungssteuer auf Bundesebene umgesetzt werden, ist nicht auszuschliessen, zumal die Kantone offenbar gerne vermögende Pensionäre anziehen und in der Ausgestaltung ihrer Steuern frei sind.

 

Reto Zanettin
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