Im Sommer 1990 griff der Irak das benachbarte Emirat Kuwait an. Wenig später schritt eine internationale Koalition unter Führung der Vereinigten Staaten in den Konflikt ein. Der so angefachte zweite Golfkrieg wirkte sich auf die gesamte Region aus. Er hatte auch Folgen für die Aktienmärkte.
Während dieses Krieges fiel der Schweizer Aktienmarkt 28,4 Prozent, der europäische Markt gab 22,4 Prozent nach, der amerikanische 12,3 Prozent. Ein Korb globaler Aktien verlor 15,6 Prozent. Dies geht aus Berechnungen hervor, welche die Privatbank Pictet auf Anfrage von cash.ch erstellt hat.
Das Team um Graham Secker, Leiter Aktienstrategie bei Pictet, hat auch die Verluste während anderer Konflikte von geopolitischer Relevanz ausgewertet. Die Informationen sind der folgenden Tabelle zusammengestellt:
Konflikt | Aktien Schweiz (SPI / CHF) |
Aktien USA (S&P 500 / USD) |
Aktien Europa (Stoxx Europe 600 / EUR) |
Aktien global (MSCI AC World / USD) |
---|---|---|---|---|
Golf-Krieg | - 28,4 | - 12,3 | - 22,4 | - 15,6 |
9/11 | - 10,3 | - 11,6 | - 9,8 | - 10,2 |
Irak-Krieg | - 24,8 | - 13,7 | - 22,0 | - 14,3 |
Ukraine-Krieg | - 17,3 | - 19,6 | - 18,1 | - 22,5 |
Nahost-Krieg | - 4,6 | - 4,4 | - 3,4 | - 3,8 |
Quelle: Pictet / Angaben in Prozent für die Verluste in folgenden Zeiträumen: Golf-Krieg: 31.7.1990 bis 14.1.1991; 9/11: 11.9.2001 bis 21.9.2001; Irak-Krieg: 14.1.2003 bis 12.3.2003; Ukraine-Krieg: 1.2.2022 bis 26.9.2022; Nah-Ost-Krieg: 6.10.2023 bis 27.10.2023.
Während des Golf- und des Irak-Kriegs haben Schweizer Aktien grössere Verluste eingefahren als europäische und amerikanische Aktien. Hingegen sind sie in der ersten Phase des Ukraine-Kriegs unter allen Aktienauswahlen am wenigsten stark zurückgefallen. Nach dem Anschlag auf die Zwillingstürme in New York am 11. September 2021 hat der US-Markt am heftigsten reagiert.
Die Angaben in der obigen Tabelle sind in Lokalwährungen. In Schweizer Franken ausgedrückt sind die Verluste der europäischen, amerikanischen und globalen Aktien häufig grösser als in Euro und Dollar gemessen. Das hängt mit dem Status des Franken als sicherer Hafen zusammen. In Krisen ist er gefragt und wertet entsprechend auf.
Ein fiktives Beispiel zeigt den Gesamteffekt auf: Vor der Krise wird eine Aktie zu 100 Dollar gehandelt, und ein Dollar kostet 90 Rappen. Folglich ist die Aktie 90 Franken wert. In der Krise fällt die Aktie auf 70 Dollar, und der Dollar sinkt auf 80 Rappen. Nun entspricht der Aktienwert 56 Franken. Alles in allem hat der Titel in Dollar ausgedrückt 30 Prozent an Wert verloren, in Schweizer Franken gemessen sind es 37,8 Prozent.
Übertragen auf die realen geopolitischen Krisen ergibt sich das in der folgenden Tabelle zusammengetragene Bild. Kursiv gesetzte Angaben bedeuten, dass der entsprechende Verlust in Franken grösser ist als in Dollar respektive Euro. Das ist regelmässig der Fall.
Konflikt | Aktien Schweiz (SPI / CHF) |
Aktien USA (S&P 500 / CHF) |
Aktien Europa (Stoxx Europe 600 / CHF) |
Aktien global (MSCI AC World / CHF) |
---|---|---|---|---|
Golf-Krieg | - 28,4 | - 16,5 | NA | - 19,6 |
9/11 | - 10,3 | - 16,7 | - 13,1 | - 13,1 |
Irak-Krieg | - 24,8 | - 17,0 | - 21,8 | - 17,6 |
Ukraine-Krieg | - 17,3 | - 13,3 | - 24,4 | - 16,4 |
Nahost-Krieg | - 4,6 | - 5,2 | - 4,2 | - 4,5 |
Quelle: Pictet / Angaben in Prozent.
Es gibt Ausnahmen, in denen die Einbussen der internationalen Aktien in Lokalwährungen grösser sind als in Franken. So hat der amerikanische Aktienmarkt und die globale Aktienauswahl in fast allen Krise grössere Franken-Verluste als Dollar-Verluste gesehen; nur während des Ukraine-Kriegs verhielt es sich anders - «wahrscheinlich aufgrund des Abweichens der Schweiz von ihrer traditionellen Neutralität und ihrem Anschluss an die europäische Haltung zum Konflikt», erklären die Pictet-Spezialisten.
Für Anleger aus der Schweiz bleibt jedenfalls die Erkenntnis, dass sie in grossen Krisen mit zwei Effekten rechnen müssen: Den Wertverlust der internationalen Aktien und die Aufwertung des Frankens gegenüber den anderen Währungen. Allerdings ist auch der Heimmarkt «nicht immun» gegen geopolitische Ereignisse, wie Pictet schreibt. Dies hat auch damit zu tun, dass Schweizer Unternehmen einen erheblichen Teil ihrer Umsätze im Ausland machen.
Der Vergleich der unterschiedlichen Aktienmärkte hat etwas Schlagseite. Denn die Auswahlen sind unterschiedlich gross. Während der Swiss Performance Index rund 200 Titel enthält, umfassen der S&P 500, der Euro Stoxx 600 und der MSCI AC World deutlich mehr Werte. Diese Aktienkörbe sind aufgrund des Diversifikationseffekts weniger volatil.
Mehrere Jahre Erholungszeit
Seit 1990 gab es laut Pictet 19 Phasen, in denen der Schweizer Aktienmarkt gemessen am Swiss Performance Index (SPI) mehr als 10 Prozent fiel. Im Schnitt betrug der Rückgang 21,6 Prozent. Die Spanne reicht indes von 10,1 bis 54,9 Prozent. Letzteres war die Dotcom-Krise zu Beginn des 21. Jahrhundert. Sie wirkte sich noch etwas stärker aus als die Finanzkrise der späten Nullerjahre, die einen Einbruch von 53,2 Prozent brachte.
Die Erholung des Schweizer Marktes von der Dotcom-Krise dauerte es 2 Jahre und 10 Monate. Nach der Finanzkrise waren es 4 Jahre und 2 Monate. Keine andere Krise der vergangenen 35 Jahre beschäftigte die Anleger länger. Das ist symptomatisch. Denn die Weltfinanzkrise brachte in mancher Hinsicht eine Wende. Etwa fielen die Zinsen auf null oder sogar darunter. Zudem verlangsamte sich das Tempo der Globalisierung.
Die meisten Grossereignisse sind weniger weitreichend. Im Mittel dauern sie 5 Monate und 3 Tage, und der Swiss Performance Index benötigt danach durchschnittlich 8 Monate und 4 Tage für die Erholung. Generell gelte, sagen die Pictet-Spezialisten: Je grösser der Rückgang, desto langsamer die Erholung.
Aufschlussreich ist zudem der Vergleich zwischen dem Schweizer Markt und dem amerikanischen Markt während und nach der Dotcom-Krise. Die folgende Tabelle zeigt ihn.
Quelle: Pictet.
Die Dauer der Krise und die Erholung davon des S&P 500 sind in Franken kalkuliert länger als in Dollar ausgedrückt. Das Pictet-Team um Aktienstratege Graham Secker begründet dies wiederum mit der Rolle des Frankens: «Aufgrund der starken Aufwertung des Schweizer Frankens gegenüber dem Dollar brauchte der S&P 500 (in CHF) fast 9 Jahre, um sich von der Dotcom-Krise zu erholen.» Die Schweizer Währung habe in dieser Phase um 86 Prozent zugelegt.
Weiter heisst es in der Analyse der Privatbank: In Lokalwährungen habe der US-Markt den Schweizer Markt in den vergangenen 35 Jahren zwar knapp übertroffen. Jedoch: Auf Frankenbasis und risikoadjustiert habe der SPI besser abgeschnitten als der S&P 500. Somit lasse sich für die Phase von 1990 bis 2025 sagen, «dass ein in der Schweiz ansässiger Anleger mit einer Anlage in Schweizer Aktien eine bessere Performance erzielt hätte als mit einer Anlage in US-Aktien», so die Pictet-Strategen.
Wie sie in einer separaten Studie feststellten, hat seit 1926 niemand, der mindestens 14 Jahre in Schweizer Aktien investiert war, Geld verloren. In diese rund 100-jährige Periode fallen der Zweite Weltkrieg, die Ölkrise, das Platzen der Dotcom-Blase, die Weltfinanzkrise und die Corona-Pandemie. Man kann folgern: Krisen sind schmerzhaft, auch für Investoren. Ein hinreichend langer Anlagehorziont schützt in der Regel gegen Verluste - weil der Wiederaufschwung erfahrungsmäss früher oder später kommt.
Wie Gold und andere Anlageklassen in geopolitischen Krisen performt haben
Gold ist nicht beliebig vermehrbar, im Allgemeinen begehrt und deshalb stets wertvoll. Einfach gesagt: Wer Gold hat, hat immer Geld - auch in Krisen. Das gelbe Edelmetall gilt als Krisenwährung schlechthin. Informationen, welche das Beratungsunternehmen c-alm zusammengestellt hat, bestätigen diese Auffassung.
Cédric Müller und Alexandra Seeberger von c-alm haben untersucht, wie sich Aktien, Obligationen und Gold während geopolitischer Ereignisse und im Jahr danach verhalten. Beim Golf-, Irak-, Ukraine- und Nah-Ost-Krieg sowie bei 9/11 schnitt Gold meistens besser ab als die anderen Anlageklassen - oder fiel weniger stark als diese.
Negativ war die Rendite von Gold zum Beispiel während des Golf-Kriegs. Aktien, US-Staatsanleihen und US-Hochzins-Anleihen kamen jedoch stärker als das Edelmetall unter Druck. Bei 9/11 war Gold leicht im Plus, während die Renditen von Aktien und US-Hochzins-Anleihen negativ ausfielen. US-Staatsanleihen haben sich zu dieser Zeit am besten gehalten, besser auch als Gold.
Auch im Ukraine-Krieg und im Nahost-Krieg hat Gold den Anlegern besseren Schutz geboten als andere Anlageklassen, wobei die Goldpreisentwicklung der vergangenen Jahr nicht nur unmittelbar krisengetrieben war. Etwa haben wieder sinkende Zinsen Gold gegenüber verzinslichen Anlagen attraktiver gemacht.
Im Jahr nach eine geopolitischen Krise setzt oft eine Gegenbewegung ein. Den Daten von c-alm zufolge war diese Gegenbewegung bei Aktien und Obligationen vor allem beim Golf-, dem Irak- und dem Nah-Ost-Krieg markant.
«Anders sieht es bei 9/11 und dem Ukrainekrieg aus», schreiben Müller und Seeberger. Hier spielten aber auch markoökonomische Trends hinein. So sei die Performance beim Ukraine-Krieg vom Inflations- und Zinsanstieg ab 2022 beeinflusst worden.
Die Autoren kommen zum Schluss, «dass es in geopolitischen Krisensituationen meist wenig sinnvoll war, eine solide erarbeitete strategische Stossrichtung der Vermögensanlage anzupassen.» Angezeigt sei zudem ein adäquates Rebalancing: Die Gewichtung der Anlageklassen im Portfolio wird auf die ursprünglich festgelegten Masse zurückgeführt.